Konfliktmanagement in der Arztpraxis
Konfliktmanagement leistet wichtigen Beitrag zur Gesundheit einer Organisation. Die Auswirkungen von Konflikten unter Mitarbeitern in der Arztpraxis bekommen nicht zuletzt die Patientinnen und Patienten zu spüren, meint Organisationsberater und Mediator Mag. Dr. Fritz Weilharter im Gespräch mit Christina Lechner.
Take Home Messages
- Gegenseitige Wertschätzung beugt Konflikten vor, erfordert aber den Dialog über unterschiedliche Erwartungen.
- Klärende Moderation hilft: Sie klärt Konflikte effizient, indem Sichtweisen offengelegt und Führungskräfte einbezogen werden.
- Konflikte belasten Teams, verursachen Kosten und beeinträchtigen die Kommunikation mit Patienten.
- Frühe Prävention lohnt sich: Klare Absprachen zu Kommunikation und Abläufen sollten schon bei der Praxisgründung getroffen werden.
medonline: Welche Bedeutung hat eine wertschätzende Kommunikation in der Prävention von Konflikten?
Weilharter: Sicher birgt es Konfliktpotenzial, wenn die Grundhaltung der gegenseitigen Wertschätzung nicht vorhanden ist. In interprofessionellen Beratungsprozessen zeigt sich, dass Wertschätzung zwar oft genannt wird, aber unterschiedliche Vorstellungen davon existieren.
Da fühlen sich etwa Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege von Ärztinnen und Ärzten nicht wertgeschätzt, wenn bei der Visite im Krankenhaus der Ablauf rein nach medizinischen Erfordernissen gesteuert wird. Dabei liegen aber verschiedene Organisationsmodelle hinter medizinischen und pflegerischen Anforderungen.
Wie kann es dann zu einer Konfliktlösung kommen?
Indem die unterschiedlichen Sichtweisen in den Dialog gebracht und nacheinander ausgesprochen werden. Das wäre schon ein Beispiel für eine „Klärende Moderation“, wie wir sie seit einigen Jahren mit gutem Erfolg bei der Oberösterreichischen Gesundheitsholding einsetzen (siehe Kasten, Anm.)
Dahinter steckt wohl das bekannte Eisberg-Modell, demzufolge man selten über die „unter der Wasseroberfläche liegenden“ Bedürfnisse kommuniziert.
Richtig.
Können Ärzte als Vorgesetzte Konflikte zwischen Mitarbeitern lösen und die Rolle des Moderators einnehmen?
Das halte ich für schwierig, denn als Führungskraft ist der oder die Vorgesetzte immer im System involviert. Es setzt enorm viel Vertrauen seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voraus, sich auf einen solchen von Chef oder Chefin gesteuerten Prozess der Konfliktklärung einzulassen.
Mag. Dr. Fritz Weilharter ist selbstständiger Trainer, Psychotherapeut, Mediator, Supervisor und Coach sowie Professor für Sportpsychologie an der BSP Business School Berlin. Als Berater im Gesundheits- und Sozialbereich ist er u.a. im Bereich Organisationsentwicklung bei der Oberösterreichischen Gesundheitsholding (OÖG) tätig.
Was ist zu beachten, wenn der Inhaber einer Praxis als Vorgesetzter selbst einen Konflikt mit Mitarbeitern hat?
In jedem Fall ist bei Konflikten in Ordinationen das ganze Team miteinzubeziehen. Schon allein deshalb, weil die entstehenden Spannungen Auswirkungen auf alle haben. In einer klärenden Moderation wird es sehr hilfreich erlebt, wenn Personen, die nicht in den Konflikt involviert sind, ihre Sichtweise einbringen.
Auch in den abschließenden Feedbackrunden erfahren wir immer wieder, dass der Prozess der Klärung nachhaltige Lerneffekte auf den künftigen Umgang miteinander hat. „So sollten wir eigentlich immer miteinander sprechen“, heißt es etwa.
In der Wirtschaft wird oft über Kosten infolge von Konflikten gesprochen, in der Arztpraxis dagegen noch wenig.
Das Konflikte enorme Kosten verursachen, trifft auf jedes Berufsfeld zu. Gründe dafür sind Ausfallszeiten, Personalwechsel und die Notwendigkeit, neue Mitarbeiter einzuschulen. Natürlich verursachen nicht Konflikte die Krankenstände, aber die psychosomatische Ebene ist nicht zu vernachlässigen.
Konflikte sind inter- wie intrapersonelle Stressoren. Sie führen zu einem Verlust an Teamkohäsion, geringerer Zufriedenheit am Arbeitsplatz und haben Auswirkungen in den privaten Bereich.
Wie sieht es mit den Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten aus?
Jede Konfliktdynamik stellt die kommunikative Kompetenz auf die Probe. Sie spült dabei gewissermaßen in das Patientengespräch hinein, wenn sich Ärzte und/oder Mitarbeiter gegenseitig in eine schwierige emotionale Situation bringen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Umgang mit Konflikten auch mit der Kultur der jeweiligen Fachdisziplin zusammenhängt. Da gibt es Unterschiede zwischen Fächern wie Pädiatrie, Unfallchirurgie, Interner Medizin oder Psychiatrie. Denn Ärztinnen und Ärzte reagieren je nach Fach sehr unterschiedlich in Stresssituationen, die durch Konflikte verursacht werden.
Wann sollte also die Konfliktprävention beginnen?
Im Idealfall schon in der Phase der Praxisgründung, wo sich Ärzte und künftige Mitarbeiter über Abläufe und Kommunikationsprozesse Gedanken machen. Besonders dann, wenn Angehörige oder Partner bzw. Partnerinnen im Team sind und die Dynamiken eines Familienunternehmens noch mitspielen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Klärende Moderation
Seit rund sechs Jahren wird in der Oberösterreichischen Gesundheitsholding (OÖG) bei Konflikten die Klärende Moderation eingesetzt. Dieses Verfahren ist eine Weiterentwicklung der „Klärungshilfe“, einer Form der Mediation.
„Im Unterschied zu einer Mediation findet die Klärende Moderation nicht über einen mehrwöchigen Prozess, sondern als ein- bis zweitägige Klausur mit betroffenen Personen statt“, erklärt Mag. Dr. Fritz Weilharter.
Führungskräfte sind immer zumindest Betroffene von einem Konflikt, auch wenn sie persönlich nicht direkt in den Konflikt involviert sind. Daher werden sie in die Klärende Moderation eingebunden. Das ist ein Unterschied zur klassischen Mediation, wo ausschließlich die Konfliktparteien mit Mediatoren arbeiten.
Bislang wurden rund 70 solche Prozesse bei der OÖG durchgeführt, laut Feedback der Teilnehmer resultieren daraus nachhaltige Lerneffekte zur Konfliktprävention.
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