3. Apr. 2024Wege in die ärztliche Selbstständigkeit – Teil 16

Welche Versicherungen brauchen Ärztinnen und Ärzte?

Haftpflicht-, Rechtsschutz-, Strafrechtsschutzversicherung u.v.m. – selbstständig tätige Ärztinnen und Ärzte brauchen eine Vielzahl von Versicherungen.

Vektor eines medizinischen Personals, einer Gruppe selbstbewusster Ärzte und Krankenschwestern
Feodora Chiosea/GettyImages

In den nächsten vier Folgen beschäftige ich mit dem extrem wichtigen, aber auch sehr komplexen Thema der notwendigen Versicherungen für eine Ordination. Ich freue mich, dass ich dafür Unterstützung von Joachim Zieger, Akademischer Versicherungsmakler (WU), bekommen habe, der mein Laienwissen mit fundiertem Fachwissen ergänzt.

Mit welchen Versicherungen müssen sich Ärztinnen und Ärzte auseinandersetzen?

Ärztinnen und Ärzte müssen sich mit verschiedenen Versicherungen befassen. Diese sind:

  • Die Haftpflichtversicherung haftet für einen durch schuldhaftes Verhalten der Ärztin bzw. des Arztes aufgetretenen Schaden, ist aber auch dafür zuständig, unberechtigte Forderungen abzuwehren.
  • Die Rechtsschutzversicherung deckt die Anwalts- und Gerichtskosten für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen.
  • Die Strafrechtsschutzversicherung erweitert den Rechtsschutz auf strafrechtliche Risiken.
  • Die Lebensversicherung stellt im Regelfall eine Ansparform dar und sichert das Risiko des Todesfalls ab, eventuell auch eine Invalidität und dauernde Arbeitsunfähigkeit.
  • Die Unfallversicherung sichert das Risiko der Invalidität infolge eines Unfalls ab.
  • Die Betriebsunterbrechungsversicherung sichert die Kosten sowie den entgangenen Gewinn infolge Stillstandes des Betriebes ab.
  • Die Büropauschalversicherung deckt von außen verursachte Schäden beim Inventar ab.

Praxisgründung: Versicherungen analysieren, anpassen oder neu versichern

Die Eröffnung einer eigenen Ordination schafft für Ärztinnen und Ärzte zum ersten Mal die Notwendigkeit, sich umfassend über Versicherungsschutz Gedanken zu machen. Erstmals in seinem Leben sind sie Unternehmerinnen und Unternehmer mit allen Konsequenzen der Verantwortlichkeit.

In den meisten Versicherungssparten sind Neuabschlüsse unvermeidlich. Lediglich im Bereich der Haftpflichtversicherung gibt es in aller Regel schon bestehende Versicherungen aus der Zeit der Tätigkeit im Spital im Rahmen der Ausbildung oder der Facharzttätigkeit.

Liegt bereits eine Haftpflichtversicherung vor, dann sollte kontrolliert werden, ob auch das Risiko der freiberuflichen Tätigkeit mitversichert ist. Trifft dies nicht zu, muss dieses Risiko eingeschlossen werden. Fällt diese Möglichkeit weg, dann ist zu prüfen, mit welchen Fristen und zu welchen Konditionen der aktuelle Vertrag gekündigt werden kann.

Auch auf andere Vertragsdetails sollte Augenmerk gelegt werden:

  • Beinhaltet der Vertrag etwa Bedingungen, die nur für die Tätigkeit als Angestellte bzw. Angestellter von Bedeutung waren (sogenanntes Anordnungsrisiko) und die nun nicht mehr benötigt werden?
  • Entsprechen die Versicherungssummen den EU-Empfehlungen?
  • Berücksichtigen die Versicherungsbedingungen die derzeitige Rechtsprechung?
  • Gibt es Leistungseinschränkungen, etwa in der Form, dass Schadenersatzforderungen aus medizinisch nicht indizierten Eingriffen (etwa kosmetischen Eingriffen) gar nicht oder nur vermindert bezahlt werden?

Auch abseits der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit sind Versicherungsfragen zu klären. Wenn z.B. die Praxisräumlichkeiten gemietet sind, sollte eine Absicherung gegen Mietsachschäden im Vertrag enthalten sein. Auch die Angestellten sollten eingeschlossen sein.

Allein diese ausgewählten Fragen lassen erkennen, dass sich Versicherungsauswahl nur zum Teil über die Höhe der Prämie abspielt. Vor allem die Haftpflichtversicherung ist in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der ärztlichen Aufklärungs- sowie Informations- und Dokumentationspflicht zu einer zentralen Säule des Versicherungsschutzes von Ärztinnen und Ärzten geworden.

Neben der Haftpflicht gewinnt der effiziente Rechtsschutz zunehmend an Bedeutung. Immer wieder zeigt es sich, dass viele Ärztinnen und Ärzte eine Berufsrechtsschutzversicherung besitzen, ohne es zu wissen. Manchmal versteckt sich ein diesbezüglicher Schutz in irgendwelchen Bündelverträgen in Zusammenhang mit Kfz-Versicherungen oder Verträgen für den Privatbereich, wobei auch für diese Sparte der Deckungsumfang genau kontrolliert werden muss:

  • Sehen die Bedingungen eine unbegrenzte Deckung in die Vergangenheit vor?
  • Werden auch private Sachverständigengutachten von der Versicherung übernommen?
  • Reicht die Versicherungssumme für ein Strafverfahren durch mehrere Instanzen?

Anwaltliche Zeugenbegleitung, Kosten des Privatbeteiligungsverfahrens und Deckung sind auch beim Vorwurf reiner Vorsatzdelikte einige Punkte, die eine Berufsrechtsschutzversicherung unbedingt beinhalten sollte. Ein finanzielles Risiko resultiert aber nicht nur aus der ärztlichen Kerntätigkeit. Die meisten Ärztinnen und Ärzte haben ihre Ordination fremdfinanziert. Neben den dafür obligatorischen Risikoversicherungen (Todesfall) muss auch das Risiko einer Invalidität infolge eines Unfalls abgesichert werden. Die Versicherungssumme bei bleibender Invalidität sollte zumindest die aufgenommenen Kredite abdecken. Hier schadet es in keinem Fall, dafür zu sorgen, dass berufsspezifische Risiken, wie etwa eine Hepatitis- oder HIV-Infektion nach Verletzung mit Spritzen, in der Unfallversicherung enthalten sind.

Schließlich muss auch der Praxisinhalt gegen Elementarereignisse versichert werden. Bei besonders teuren medizinischen Geräten wie Ultraschall oder Videoendoskop stellt sich durchaus die Frage nach einer speziellen Geräteversicherung.

Was deckt eine Haftpflichtversicherung?

Bei der Erläuterung von Haftpflichtversicherungen ist das grundlegende Verständnis wichtig, dass die Haftung nur dann schlagend wird, wenn ein Verschulden vorliegt. Schuldhaftes Verhalten, Eintreten eines Schadens oder Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschaden führen zur Deckung gerechtfertigter Ansprüche durch die Haftpflichtversicherung.

Natürlich kann auch ein Schaden ohne Verschulden entstanden sein. In diesem Fall besteht die Aufgabe einer Haftpflichtversicherung in der Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche.

Die Deckung gerechtfertigter Ansprüche sowie die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche sind also die Aufgaben einer Haftpflichtversicherung. Immer wieder wird fälschlich angenommen, dass die Abwehr durch die Rechtsschutzversicherung erfolgt.

WICHTIG: Wird eine Schadensforderung an eine Ärztin oder einen Arzt herangetragen, ist umgehend die Haftpflichtversicherung zu informieren. Eine verspätete Meldung kann einen Haftungsausschluss zur Folge haben, wenn der Versicherung die Möglichkeit genommen wird, die Forderung abzuwehren.

Ein größeres Problem ist die Abgrenzung, welche Haftpflichtversicherung für welchen Schaden zuständig ist. Eine Ärztehaftpflichtversicherung versichert das Risiko der ärztlichen Tätigkeit sowie den Betrieb einer Ordination.

TIPP: Der beste Schutz, Schadenersatzforderungen erfolgreich abzuwehren, ist – neben einer sorgfältigen Tätigkeit – eine ausführliche Dokumentation.

Von Bedeutung ist allerdings, dass fast alle Gesellschaften entweder in den allgemeinen oder meist in den ergänzenden Bedingungen eine Deckungserweiterung mit folgendem Wortlaut übernehmen: „Versichert sind auch Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers aus der Innehabung von Grundstücken, Gebäuden oder Räumlichkeiten, die ausschließlich für den versicherten Betrieb oder Beruf und/oder ausschließlich für Wohnzwecke des Versicherungsnehmers benützt werden.“

Dies bedeutet, dass die Ärztehaftpflichtversicherung bereits die Haus- und Grundhaftpflichtversicherung für alle Gebäude, Wohnungen und Grundstücke der Ärztin bzw. des Arztes beinhaltet, sofern diese Immobilien nicht vermietet werden, sondern ausschließlich privaten oder beruflichen Zwecken dienen. Deshalb sollte jede Ärztin und jeder Arzt einmal die Bündelversicherung ihres bzw. seines Wohnhauses oder Wochenenddomizils überprüfen. So manche und mancher wird überrascht sein, dass fast immer eine eigene Haus- und Grundhaftpflichtversicherung vorhanden ist.

Unkomplizierte Abwicklung ist wesentlich

Mein Tipp am Ende: Die Höhe der Prämie für die jeweilige Versicherung ist natürlich ein Entscheidungskriterium für eine Versicherung. Wesentlich im Schadensfall ist aber eine unkomplizierte Abwicklung der Zahlung. Ich empfehle daher, möglichst viele Versicherungen bei einem Unternehmen abzuschließen. Damit ist die Wahrscheinlichkeit einer Vertragskündigung im Schadensfall geringer und die Motivation der Versicherung, für eine rasche Schadensabwicklung zu sorgen, höher.

Zur Person

Die Zieger Ärzteberatungs GmbH wurde 1988 von Wilhelm Zieger gegründet, der sich schon damals auf das äußerst komplexe Versicherungsmanagement für Ärztinnen und Ärzte spezialisiert hat. Er gilt bis heute als Experte für die Abdeckung von wirtschaftlichen, zivil- und strafrechtlichen Risiken im Bereich der ärztlichen Haftung. Sein Sohn Joachim Zieger sagt, dass er durch die Erfahrung seines Vaters in den Betrieb hineinwachsen konnte und so selbst Referent bei Vorträgen und Seminaren zu diesem Thema wurde.

Joachim Zieger, Akademischer Versicherungsmakler (WU)
Geschäftsführer der Zieger Ärzteberatungs GmbH
Büro: +43/316/38 32 73-15
Mobil: +43/664/255 82 65
joachim.zieger@aerzteberatung.com

Was erwartet Sie im nächsten Teil der Serie?
Im nächsten Monat folgt die Fortsetzung durch das Dickicht des Versicherungsdschungels:

  • Strafrechtliches Risiko von Ärztinnen und Ärzten
  • Produkte für Absicherung, Kapitalbildung und Altersvorsorge
  • Unfallversicherung