23. Okt. 2023Die praktische Frage

Wie eine Gesetzesnovelle das Konzept der Primärversorgung beflügeln soll

Der Trend zu kollaborativen Ordinationen ist nicht neu. Schon die Einführung der Gruppenpraxen war eine Reaktion auf das wachsende Bedürfnis der Ärztinnen und Ärzte, mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten – auch im niedergelassenen Bereich.

Female physician listening to her patient during consultation while sitting down in the office of a modern medical center
Kzenon/AdobeStock

Seit einigen Jahren etabliert sich immer stärker das Konzept der Primary Health Care. Mehrere Allgemeinmediziner und -medizinerinnen schließen sich zusammen und rekrutieren ein Team von weiteren Gesundheitsdienstleistern wie – nur als Beispiel – Physiotherapeuten, Diätologen oder Logopäden. Die nachhaltige Betreuung von chronisch Kranken unter einem Dach wird so zur Wirklichkeit. Soweit die Idee. Es dauerte, bis das Konzept der Primärversorgungseinheiten (PVE) Wind unter die Flügel bekam.

Mit der Novellierung des Primärversorgungsgesetzes Anfang Juli will der Gesetzgeber den Ausbau des PVE-Netzwerkes deutlich beschleunigen. Statt der aktuell 50 PVE soll die Zahl bis 2025 auf 121 ansteigen. Das wohl wichtigste Novum ist die Reduktion des Kernteams: Es braucht nur mehr zwei und nicht mehr drei Allgemeinmediziner, um eine Primärversorgungseinheit zu gründen. Damit soll die (geförderte) Gründung einfacher werden. Noch fehlen die Bestimmungen über die Öffnungszeiten: Zwei Mediziner werden schwerlich die gleiche Sprechstundenanzahl bieten können wie drei.

Die zweite wichtige Änderung betrifft die Gründung von Kinder-PVE: Der ärztliche Teil des Kernteams kann aus Fachärzten der Kinder- und Jugendheilkunde bestehen oder aus einer hybriden Kombination von Allgemeinmedizinern und Kinderärzten. Mit der Novelle kommt es auch zu einem verkürzten Auswahlverfahren. Können sich Ärztekammer und Österreichische Gesundheitskasse binnen sechs Monaten bei einer Ausschreibung nicht auf ein neues PVE-Team einigen, entscheiden Land und ÖGK in Abstimmung mit den anderen Krankenversicherungsträgern allein. Und zu guter Letzt, aber nicht unwesentlich: Wahlärzte und Wahl-Kinderärzte können sich für ausgeschriebene PVEs bewerben. Dann aber mit Kassenvertrag.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune