12. Juli 2021Die praktische Frage

Wann man Wunschtherapien ablehnen sollte

Ärztinnen und Ärzte berichten immer öfter von Patient:innen, die mit fest definierten Wünschen in die Ordination kämen. Sie hätten (meist im Netz) von neuen Therapien und Maßnahmen gehört, die ihnen bei ihren gesundheitlichen Problemen helfen sollen. Dem Drängen der Patient:innen ist dabei oft schwer zu widerstehen. Wenn die Diagnose nicht dagegenspricht, wird die Wunschtherapie häufig verschrieben – selbst wenn die Mediziner:innen von deren Wirksamkeit nicht überzeugt sind.

Doktor, der seine Handfläche zeigt.
iStock/Cimmerian

Eine Studie aus den USA liefert dazu einen interessanten Aspekt: Ärzt:innen, die sich nachgiebig zeigen und den oft überflüssigen Wünschen ihrer Patient:innenschaft nachgeben, werden nicht besser beurteilt als Ärzte:innen bei denen weniger überschießende Versorgung geboten wird. Die Studie wurde in der peer-reviewten Fachzeitschrift „Journal of the American Medical Association“ veröffentlicht.

Die Studie hat acht Leistungen definiert, die als „überflüssig“ eingestuft wurden: Dazu gehörten „PSA-Messung bei Männern über 75 ohne Prostatakarzinom, Schallen der Karotiden bei Patient:innen ohne einschlägige Vorbelastung oder Bildgebung bei akuten Rückenschmerzen ohne Warnsignale“. Ich erlaube mir jetzt – anders als die Studienautor:innen – keine Wertung, ob diese Therapien wirklich als „überflüssig“ anzusehen sind.

Die Patient:innen haben anschließend in einer anderen Umfrage (Consumer Assessment of Healthcare Providers Survey) über die Qualitäten ihrer Ärzt:innen befunden. Und dabei wurde für den therapeutischen Langmut nur wenige Pluspunkte vergeben. Zwischen der Häufigkeit unnötiger Maßnahmen und dem Urteil der Patient:innen zeigte sich einzig im Hinblick auf die Wartezeiten ein statistisch signifikanter Zusammenhang: Die Wartezeiten waren in Praxen mit deutlicher Überversorgung länger als in Praxen mit der geringsten Überversorgung. Sonst fanden sich keinerlei Zusammenhänge.

Mehr Versorgung von geringer Qualität bringe daher keine günstigen Patient:innenbewertungen, so der Schluss der Autor:innen. Die Studie zeige, dass „Patient:innen mit einer weniger verschwenderischen Versorgung genauso zufrieden seien“.

Quelle: Sanghavi P et al. JAMA Intern Med. Published online May 28, 2021. doi:10.1001/jamainternmed.2021.1974

Mag. Iris Kraft-Kinz
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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune