10. Jän. 2024Jahrbuch Gesundheit wird 15

Wie KI „smarter Partner“ im Gesundheitssystem wird

Spürbare Aufbruchsstimmung herrschte bei der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion anlässlich der Jubiläumsausgabe des Jahrbuchs Gesundheit von Sanofi und Wirtschaftskammer Österreich. Im Fokus stand die Künstliche Intelligenz (KI) und deren Nützlichkeit im Gesundheitswesen. Tenor: KI ist beherrschbar, aber es braucht eine „De-Mystifizierung“ und klare Regeln.

Monika Fellner
v.l.n.r.: Peter Lehner, Wolfgang Ebner, Romana Ruda, Gertraud Leimüller, Julia Guizani, Rolf Gleißner

Bereits zum 15. Mal präsentierten Sanofi und die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) das Jahrbuch für Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft Österreich. Die Jubiläumsveranstaltung unter dem Titel „Smarte Gesundheit. KI-Systeme als Partner im Gesundheitssystem“ fand am 9. Jänner 2024 statt und läutete traditionell den Start ins neue Jahr ein.

In der Jubiläumsausgabe* würden insgesamt 50 namhafte Expertinnen und Experten die „Chancen und Herausforderungen in den Bereichen Forschung, Versorgung, Wirtschaft und Politik“ analysieren, sagt Mag. Dr. Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik in der WKO. Und weiter: „Damit wollen wir einen Beitrag leisten, das Gesundheitssystem zukunftsfit aufzustellen.“

„Gesundheit geht uns alle an“, erklärt Sanofi Österreich-Geschäftsführerin Dipl.-Kfr. Julia Guizani, „mit unserer Publikation schaffen wir den Spagat zwischen fachlicher Expertise aus dem Gesundheitswesen und Aufklärung der Gesellschaft – und das seit nunmehr 15 Jahren.“ Im Vorfeld wurden auch die Expertenmeinungen zum heimischen Gesundheitswesen abgefragt.

Keynote: Himmel oder Hölle

Der Tenor des Stimmungsbarometers: Österreich ist gut aufgestellt, es gibt aber noch Luft nach oben. Das gelte nicht nur in der Gesundheitsversorgung, sondern auch bei Innovationen und Digitalisierung. Dabei sei KI ein zentrales Thema. Vor der spannenden Podiumsdiskussion gab Dr. Gertraud Leimüller, Geschäftsführerin winnovation und leiwand.ai, in ihrer Keynote „KI im Gesundheitssystem: Himmel der Effizienz oder Hölle der Ungleichheit?“ einige Impulse zum Nachdenken.

Die mehrmals wiederholte Quintessenz: „KI ist menschengemacht.“ Daher könne sie auch fehlerhaft sein. Leimüller sieht Fehler aber als „Lernquelle“ und bringt in der Diskussion ein Beispiel aus Übersee. Ein US-Spital, welches das Sepsis-Risiko per KI eingeschätzt hat, musste den entsprechenden Algorithmus nachjustieren. Der Grund lag in den neu auftretenden Corona-Symptomen, wodurch der alte Algorithmus nicht mehr ausreichend funktionierte.

Auf der Wunsch-Liste, welche Themen das österreichische Gesundheitssystem unbedingt angehen sollte, stehen in ihrer Keynote 4 Punkte. Als Erstes nennt Leimüller die „technologische Souveränität“: Erforderlich seien Investitionen in Abstimmung mit anderen europäischen Ländern für die Entwicklung von „vertrauenswürdigen und sicheren KI-Systemen“, die zudem compliant mit EU-Regularien sind.

Mehr „KI-Literacy“ bei Fachpersonal

Weiters brauche es eine höhere Datenverfügbarkeit und die aktive Teilnahme am European Health Data Space. Drittens geht es darum, „KI-Governance“ und Verantwortlichkeiten in den Gesundheitseinrichtungen aufzubauen – mit dem notwendigen technologischen, sozialwissenschaftlichen und rechtlichen Wissen für Beschaffung, Betrieb und Monitoring von KI-Systemen. Der vierte und letzte Punkt betrifft mehr „KI-Literacy“ bei Entscheidenden und anwendendem Fachpersonal in der Medizin, Pflege etc.

In der Diskussion plädiert Leimüller für eine „De-Mystifizierung“ von KI. Transparenz sei hier ein zentraler Aspekt: „Wir sind nicht an einem Punkt, wo KI nicht mehr beherrschbar ist, aber es ist unser aller Verantwortung, genau hinzuschauen.“ Den „Innovationsgeist“ in Österreich schätzt sie auf Nachfrage von Moderatorin Sabine Loho als „sehr hoch“ ein. Die Voraussetzungen und die Wissensbasis seien da, nun gehe es um die Implementierung.

Sorgen und Ängste bei Patientinnen und Patienten ausräumen

Für Mag. Romana Ruda, MA, Geschäftsführerin Future Health Lab, ist es notwendig, mit den Patientinnen und Patienten in einen Dialog zu treten und sie frühzeitig einzubinden: „Nur so erkennen alle einen Nutzen durch neuwertige KI-Anwendungen.“ Denn klar sei auch: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck.“ Hier brauche es mehr Aufklärung, um Sorgen und Ängste auszuräumen.

Was die Sozialversicherung betrifft, bekräftigt Peter Lehner, Vorsitzender der Konferenz der SV-Träger, den Unterschied zwischen persönlichen und allgemeinen medizinischen Daten. Den Schutz Ersterer verteidigt er vehement: „Individuelle Patientendaten werden unter keinen Umständen weitergegeben. Gleichzeitig sehen wir es als unsere Pflicht, pseudonymisierte Daten zur Verfügung zu stellen, um zukünftige Verbesserungen bei Therapie und Forschung zu ermöglichen.“

„Goldschatz für die medizinische Forschung“

Die Nutzung von Daten werde künftig unvermeidlich sein. Diese sind Lehner zufolge ein „Goldschatz“ für die medizinische Forschung. Das würden auch die Patientinnen und Patienten so sehen, sagt Lehner und bringt ein Beispiel aus der Onkologie: Die Frage „Sind Sie bereit, Ihre Daten für andere Krebskranke zur Verfügung zu stellen?“ würden alle mit Ja beantworten. Was die Datensicherheit anbelangt, sei die „Sozialversicherung als Hüter der Daten“ der beste Schutz.

Mag. Wolfgang Ebner, Büroleiter Staatssekretariat für Digitalisierung und Telekommunikation, verweist auf die KI-Servicestelle des Finanzministeriums (BMF), deren Kick-off-Veranstaltung am 12.12.2023 stattfand. Damit sei man „Vorreiter“ bei der Umsetzung des EU AI Acts (EU-Gesetz über Artificial Intelligence). „Des Weiteren ist dabei die Kennzeichnungspflicht von KI eine wichtige Maßnahme, um das Vertrauen in diese Technologie zu stärken“, betont Ebner. Und es brauche eine „ausgeprägte Fehlerkultur, um KI qualitätsvoll weiterzuentwickeln“.

MTD-Berufe wollen ELGA-Anbindung

Aus dem Publikum meldete sich Mag. Gabriele Jaksch, Präsidentin MTD-Austria (Dachverband aus 7 Berufsverbänden der gehobenen medizinisch-technischen Dienste), mit einem überraschenden Vorschlag: Für die Berufsgruppen, die sie vertrete, wäre eine Anbindung an die elektronische Gesundheitsakte ELGA von Vorteil, das würde vieles erleichtern. Derzeit hätten sie keinen Zugriff, berichtet die Physiotherapeutin aus ihrer Praxis.

Damit rennt Jaksch offene Türen bei der Sozialversicherung ein: Nach der durch die Gesundheitsreform beschlossenen Verpflichtung zur ELGA-Nutzung auch für Wahlärztinnen und Wahlärzte zeigt sich Lehner „froh“, wenn andere Berufsgruppen sich freiwillig an ELGA anbinden wollen. Allerdings müsse es definierte Berechtigungsschlüssel geben, damit nicht z.B. auch Bandagisten Zugriff auf Daten hätten.

Empathie immer vor KI

Abschließend sind sich alle einig, dass der KI-Anteil im Gesundheitswesen in 10 Jahren deutlich höher sein wird. Aber nur als „unterstützendes Tool“, meint Lehner, es werde immer der Mensch behandeln. Auch Future-Health-Lab-Geschäftsführerin Ruda formuliert es ähnlich: Der KI-Anteil werde steigen und „dennoch wird die menschliche Ressource immer im Mittelpunkt stehen“. Die Empathie spricht Sanofi Österreich-Geschäftsführerin Guizani im Schlusswort an, dafür brauche es „uns Menschen“.

*Alle Exemplare des Jahrbuchs Gesundheit unter: https://www.sanopolis.at/projekte/gesundheitsjahrbuch

Hinweis: Die Veranstaltung fand im ProSiebenSat1.-PULS4-Studio statt und wurde per Livestream übertragen. Die Ausstrahlung erfolgt am 17. Jänner um 18 Uhr auf Puls24.