Österreichisches Onkologie Forum: Priorisierung für Krebspatienten
Das Österreichische Onkologie Forum spricht sich für strukturierte Versorgungspfade und ein Instrument der onkologischen Dringlichkeit aus, Stichwort: Priorisierung von Krebspatienten. OeGHO-Präsident Ewald Wöll über Ideen für ein neues Denken im Gesundheitssystem.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, Krankenhaus St. Vinzenz in Zams, ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie
(OeGHO).
Die OeGHO hat vor einem Jahr das Österreichische Onkologie Forum ins Leben gerufen, um die Versorgungssituation bei Krebs zu beleuchten. Wo sind die dringendsten Baustellen nach der ersten Erhebung?
Wöll: Wir haben immer mehr Krebspatientinnen und Krebspatienten, aber an den Kliniken immer mehr personelle Engpässe. Es gibt in Österreich einige Regionen, wo Routineuntersuchungen in den Kliniken aus personaltechnischen Gründen nicht mehr angeboten werden können und Patient:innen bei der Diagnostik auf den extramuralen Bereich angewiesen sind.
Ein Beispiel ist die MRT-Untersuchung. Hier sind zwar flächendeckend in den Kliniken Geräte vorhanden, nicht aber das notwendige Personal. Das führt zu Wartezeiten, die gerade beim Abklären eines Tumorverdachts unerträglich sind.
Unsere dringende Empfehlung ist daher, Patient:innen mit onkologischen Erkrankungen zu priorisieren, um ihnen einen schnelleren Zugang zur Diagnostik zu ermöglichen.
Was ist an der Priorisierung von Krebspatienten neu? Ich denke, die meisten Menschen in Österreich gehen davon aus, dass sie vorgereiht werden, wenn es so dringend ist …
Das sehen wir natürlich auch so. Bei uns gibt es jedoch keine automatische Priorisierung dieser Patient:innen, das heißt, man ist dann letztlich auf einen Case Manager angewiesen, der sich mit Nachdruck um einen Termin kümmert.
Momentan läuft das sogar noch ausreichend, aber wenn wir die Entwicklung der Tumorerkrankungen betrachten, dann wird das aktuelle System in fünf bis zehn Jahren nicht mehr funktionieren. Deshalb müssen wir jetzt aktiv werden.
Thomas Czypionka vom IHS hat hier vielversprechende Modelle vorgestellt, die KI-basiert aufgrund von einem diagnostischen Algorithmus feststellen, wie dringend die Untersuchung ist. Nicht bei jeder Krebserkrankung ist es notwendig, morgen schon die Diagnostik zu haben, aber bei manchen zählt jeder Tag. Und genau um diese Priorisierung geht's.
Das hört sich extrem logisch und auch kostengünstig an. Wie rasch wäre das umsetzbar?
Priorisierung ist unserer Meinung nach ein zeitnah umsetzbares Thema, das in vielen Ländern seit Jahren gang und gäbe ist. Wir könnten uns sehr gut an diesen Best-Practice-Modellen orientieren.
Denn wenn wir die steigenden Patientenzahlen dem möglichen Angebot gegenüberstellen, das in Zukunft weiter verknappt werden könnte, dann muss es hier eine Lösung geben. Ich orte schon eine Gesprächsbereitschaft, aber man muss es auch in die Hand nehmen. Eine strukturierte Priorisierung sehe ich derzeit noch nicht und ich glaube, die gilt umzusetzen.
Wie soll das konkret ablaufen?
Die Idee ist, dass die Zuweisung ein selbsterklärendes System ist, das automatisiert durch einen selbstlernenden Algorithmus die Patientenströme steuern kann. Erkennt das System, dass sich hier um eine onkologische Fragestellung handelt, wird der Fall priorisiert und vorgereiht.
Aber hängt die Priorisierung von Krebspatienten nicht auch von der digitalen Vernetzung ab?
Das ist nicht der einzige Weg, aber hier liegt viel Potenzial. Wir haben von der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie eine eigene Task Force ins Leben gerufen, die sich um drei Dinge kümmert: um eHealth, um KI-generierte Prozesse und um Datenmanagement. Wir sind auch mit den Kolleg:innen in Deutschland eng vernetzt, die vor allem im KI-Sektor schon einige Beispiele generiert haben. Das ist zugegebenermaßen noch Zukunftsmusik, aber für die nahe Zukunft.
Wie können Sie als OeGHO das Thema eHealth und KI vorantreiben?
Wir sehen unsere Rolle nicht nur in der Beratung, sondern im Leadership und im Vorantreiben dieser Thematik. Wir stehen ja nicht bei null. Es gibt bereits eHealth-Projekte in der Onkologie, die gerade in der Entwicklung sind, so zum Beispiel in Vorarlberg, Tirol und in der Steiermark. Jetzt geht es darum, die Leute miteinander zu vernetzen, damit diese Projekte breiter ausgerollt werden können.
Inwiefern steht der Föderalismus in Österreichs Gesundheitssystem da im Weg?
Natürlich gibt es regionale Unterschiede, das haben wir auch ganz klar in unserer Erhebung gesehen. Aber es gibt die Bereitschaft, Dinge, die gut gelaufen sind, zu übernehmen. Das sehen wir auch als eine Aufgabe der OeGHO, dass wir die hämatologisch-onkologischen Kolleg:innen in ganz Österreich vernetzen und auf diese regionalen Unterschiede hinweisen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Österreichisches Onkologie Forum
Das Österreichische Onkologie Forum wurde vor rund einem Jahr von der OeGHO als interdisziplinäres Dialog- und Denkformat ins Leben gerufen.
Die Präsentation von Ergebnissen der ersten Erhebung zur onkologischen Versorgungssituation und Priorisierung von Krebspatienten fand am 9. September 2025 beim Jahresmeeting in Wien statt. Die nächste Erhebungsphase startet im November 2025.