Wanted: PVE-Ärzte unter der Enns
Land NÖ und NÖGKK einigten sich auf eine neue Zielvereinbarung, um das Gesundheitswesen bis 2021 weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch der Start von Primärversorgungseinheiten – die Suche hat begonnen. (Medical Tribune 49/17)
Zu dritt präsentierten sie vergangene Woche das Arbeitsprogramm bis 2021, nicht ohne auf bisher Erreichtes zurückzublicken: Landesrat DI Ludwig Schleritzko, NÖGKK-Generaldirektor Jan Pazourek und Landeszielsteuerungskoordinator Dr. Thomas Gamsjäger, seines Zeichens auch Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums St. Pölten. Die gemeinsame Zielsteuerung seit 2014 habe etliche „Leuchtturmprojekte“ zuwege gebracht, darunter die telefonische Gesundheitsberatung 1450 oder ein eigenes Autismuszentrum in Niederösterreich. Mit bisher rund 12.000 Beratungen nehme die Bevölkerung 1450 gut an, freut sich Schleritzko, zuständig für den niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds NÖGUS.
65 neue Arztstellen
Kassen-Chef Pazourek hob seinerseits hervor, dass die Gesundheitsreform das Ziel verfolge, die Spitalsambulanzen zu entlasten: „Wir haben in den letzten vier Jahren 65 Arztstellen neu geschaffen, mit aktuell rund 111 Gruppenpraxen sind wir Spitzenreiter in Österreich.“ Das neue Arbeitsprogramm beinhaltet 35 Maßnahmen. Explizite „Meilensteine“ sind u.a.:
- mehr Behandlungen tagesklinisch, ambulant oder bei Hausärzten und niedergelassenen Fachärzten,
- Ausbau der Versorgung von Kindern und Jugendlichen (Psychiatrie, Psychotherapie, Palliativ-, Hospiz- und psychosoziale Versorgung),
- Ausbau integrierter Versorgungsprogramme,
- Ausbau Gesundheitsförderung: jährlich 3,2 Mio. Euro,
- mehr Ausbildung für (nicht-)ärztliche Gesundheitsberufe (Lehrpraxen, Unterstützung von Unis und Uni-Kliniken beim KPJ),
- Start der ersten Primärversorgungseinrichtungen (PVE) 2018.
Im Zusammenhang mit den PVEs erinnerte Gamsjäger daran, dass sich in den vergangenen 20 Jahren die Zahl der Patienten in den Spitalsambulanzen verdoppelt hat. „Dabei können bis zu zwei Drittel der Patienten von Hausärzten bzw. Fachärzten wohnortnäher und günstiger versorgt werden. Die Primärversorgungszentren tragen in Zukunft ganz wesentlich zur Entlastung der teuren Spitalsambulanzen bei“, ist der Spitalsdirektor überzeugt. Indes entwickelten Ärztekammer und NÖGKK gemeinsam ein Prozedere, um die Ärzte beim Aufbau der PVE-Piloten zu unterstützen. Grundlage ist ein „Basispapier“ zur Interessentensuche, das Kammer und Kasse vor rund drei Wochen unterzeichnet haben.* Darin finden sich konkrete Anforderungen und auch die Honorierungsmodalitäten. Begleitend dazu erging kürzlich ein Rundschreiben an alle Kassen-Allgemeinmediziner, zudem gibt es sechs Sprechtage bis Jahresende. „Die NÖGKK hat großes Interesse, dass der Modellversuch in Niederösterreich schnell umgesetzt wird“, heißt es dazu seitens der Kasse auf MT-Anfrage. Von diesen gemeinsam mit der Ärztekammer abgehaltenen Sprechtagen hätten bereits drei stattgefunden. „Die Informationssprechtage dienen ausschließlich zur Klärung offener Fragen zur Primärversorgung und zum Versorgungskonzept. Es werden dort keine Verhandlungen geführt oder verbindliche Zusagen zum Abschluss einer Pilotvereinbarung gemacht“, präzisiert die NÖGKK.
Sprechtage für Interessierte
Die Teilnahme sei unverbindlich, es gehe nur um die Vermittlung von „PVE-Basiswissen“. Die verbindliche Interessensbekundung erfolge erst durch das Einreichen des „vollständigen und schlüssigen Versorgungskonzepts“. Hilfestellung böten selbstverständlich auch die „üblichen Servicekanäle“ der NÖGKK. Haben sich schon Interessenten gemeldet? „Ja, es haben bereits einige Ärztinnen und Ärzte ihr Interesse bekundet. Wie viele es genau sind, kann man erst sagen, sobald die konkreten Versorgungskonzepte eingelangt sind.“ Bis zum Jahr 2021 seien jedenfalls 14 PVEs geplant. NÖÄK-Präsident Dr. Christoph Reisner bewertet gegenüber MT das Zielsteuerungsübereinkommen nicht gerade euphorisch: Die Ärztekammer sei in die Verhandlungen nicht eingebunden gewesen. „Ein Entwurf liegt uns nicht vor und die Beschlussfassung in der NÖ Gesundheitsplattform ist auch noch nicht erfolgt.“ Aber bereits die Zielsteuerung-Gesundheit vom Juli 2017 sehe die Schaffung von PVEs vor. Interessierte Ärzte würden natürlich unterstützt (siehe Kasten).
„Unbedingt Beratung nutzen“
Welche Hilfestellung es seitens der Kammer beim Einreichen eines PVE-Versorgungskonzeptes gibt, wie viele Ärzte sich schon gemeldet haben und was der Standesvertretung dazu besonders am Herzen liegt, beantwortet NÖÄK-Präsident Dr. Christoph Reisner auf MT-Anfrage: „Wir und die NÖGKK haben eigene Sprechtage eingerichtet, bei denen wir in persönlichen Gesprächen detailliert über die geplanten PVEs informieren und welche Inhalte ein Versorgungskonzept berücksichtigen sollte. Es haben sich bereits rund 20 Interessenten beziehungsweise Teams an Interessenten für die Beratungsgespräche gemeldet.
Aufgrund zahlreicher Anfragen und unseres Wunsches nach möglichst umfassender und individueller Information werden wir weitere Beratungstermine im Jänner 2018 anbieten und die Frist für die Einreichung des Versorgungskonzeptes auf den 28.02.2018 (laut Basispapier bisher bis 19.1.2018, Anm.) verlängern. Das Basispapier zur Interessentensuche für Primärversorgungseinrichtungen in der Form einer Gruppenpraxis enthält wie alle Vereinbarungen Rechte und Pflichten. Wir empfehlen unbedingt, die Beratungstermine zu nutzen, um dann für sich die Entscheidung treffen zu können, ob man eine verbindliche Interessensbekundung abgeben möchte. Und sollte sich das Pilotprojekt als nicht umsetzbar erweisen, gibt es ein Rückkehrrecht in den bisherigen Einzelvertrag.“