23. Nov. 2017

Echt fett: Leider keine Überraschung

ERNÄHRUNGSBERICHT – 41 Prozent der Österreicher sind übergewichtig – und fast jeder dritte Drittklässler. (Medical Tribune 46/17) 

30 Prozent der Buben in der dritten Schulstufe sind übergewichtig oder gar adipös. Bei den Mädchen ist die Rate etwas geringer und reicht von 21 Prozent im Westen und Süden Österreichs bis zu 29 Prozent im Osten. Das ergab eine in dieser Form erstmals durchgeführte Studie, die gemeinsam mit dem Ernährungsbericht 2017 im Gesundheitsministerium präsentiert wurde.

Ernüchternde Ergebnisse

Österreich hat erstmals an der „Childhood Obesity Surveillance Initiative“ (COSI) der WHO Europa teilgenommen. Diese Initiative erhebt in regelmäßigen Abständen Übergewicht und Adipositas bei Kindern einer bestimmten Altersgruppe. „Die Ergebnisse sind ernüchternd“, meint Univ.- Prof. Dr. Daniel Weghuber, Kinderarzt am Universitätsklinikum Salzburg und Vorstandsmitglied der Österreichischen Adipositas Gesellschaft. „Der Anteil der stark übergewichtigen Kinder nimmt zu“, warnt der Experte. In der Studie kristallisierten sich mehrere Faktoren heraus, die offenbar beeinflussen, ob Mädchen und Buben zu viel Speck auf den Rippen haben. „Für mich überraschend war, dass die Verfügbarkeit von Gemüse in der Schule einen Einfluss hat“, so Weghuber. Wo Gemüse angeboten wird, sind weniger Kinder übergewichtig.

„Und so banal es klingt: In Schulen ohne Turnsaal sind mehr Kinder übergewichtig“, erklärt der Mediziner. Außerdem macht es einen Unterschied, ob Kinder in der Stadt oder auf dem Land wohnen: Ein urbanes Lebensumfeld fördert die Entstehung von Übergewicht. Dr. Karin Schindler, Ernährungsexpertin im Ministerium, ergänzt: „Gezielte Ernährungs-, Bewegungs- und Gesundheitsförderung im schulischen Umfeld sind wesentliche Elemente eines präventiven Gesamtkonzeptes. Wir wissen auch aus anderen Studien, dass soziale Ungleichheit einen großen Einfluss auf die Entstehung von Übergewicht und Adipositas hat.“ An der Studie haben sich rund 2.500 Volksschulkinder der dritten Schulstufe aus ganz Österreich beteiligt. Dicke Kinder haben ein hohes Risiko, übergewichtige Erwachsene zu werden und vermeidbare gesundheitliche Probleme zu entwickeln: eine Vorstufe von Diabetes, Lebererkrankungen, orthopädische und nicht zuletzt psychische Probleme, wenn sie wegen ihres Übergewichts von anderen Kindern verspottet werden.

„Wir müssen mit unseren Präventionsmaßnahmen früh begonnen, schon bei den Kleinsten“, erklärt Weghuber und fordert einen nationalen Aktionsplan gegen Adipositas. Dass Maßnahmen funktionieren, erläuterte er am Beispiel einer Region in Finnland. Dort beschlossen alle Entscheidungsträger einen Aktionsplan, durch den die Rate an übergewichtigen Schulkindern von 17 auf zehn Prozent reduziert wurde. Eine der Maßnahmen: In den Schulstunden wird nicht mehr die meiste Zeit gesessen, sondern gestanden.

Viel zu viel Fleisch

Bereits zum fünften Mal liefert indes der Ernährungsbericht Einblicke in die Essgewohnheiten der österreichischen Gesamtbevölkerung. Hierfür hatten mehr als 2.000 Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren freiwillig Auskunft über ihr Ernährungsverhalten gegeben. Hinsichtlich Übergewicht hat sich im Vergleich zu 2012 wenig verändert. Allerdings sind 41 Prozent der untersuchten Erwachsenen übergewichtig bzw. adipös, Männer häufiger als Frauen. Univ.-Prof. Dr. Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften an der Uni Wien, rät zu mehr Qualität statt Quantität: „Erwachsene sind im Allgemeinen gut mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen versorgt. Es wird jedoch zu viel Energie, Fett, freier Zucker und Fleisch gegessen. „Vor allem Männer essen viel zu viel Fleisch“, sagt König.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune