27. Apr. 2017

West-Ost-Gefälle bei Brust-Screenings

Der Evaluationsbericht zum Brustkrebs-Screening offenbart Unterschiede in den Ländern. MT hat nachgefragt, woran das liegt. (Medical Tribune 17/2017)

Mit einer Teilnahmerate von 31 % fällt Vorarlberg im Früherkennungsprogramm negativ auf, Experten warnen aber vor voreiligen Schlüssen.
Mit einer Teilnahmerate von 31 % fällt Vorarlberg im Früherkennungsprogramm negativ auf, Experten warnen aber vor voreiligen Schlüssen.

Seit 2014 läuft in Österreich das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm, kurz BKFP. Die Teilnahmerate für die Jahre 2014 und 2015 beträgt laut Evaluationsbericht* 36,8 %. Die Latte laut EU-Leitlinien liegt bei 70 % – allerdings in voll implementierten Programmen. Daher befände sich Österreich, verglichen mit den Teilnahmeraten der ersten Jahre von internationalen Programmen, in einem „akzeptablen“ Bereich. „Die Teilnahmerate der ersten beiden Programmjahre ist dennoch nicht zufriedenstellend“, betonte Eva-Maria Kernstock, MPH, Anfang April bei der Präsentation des Berichts. Die Geschäftsbereichsleiterin der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) ist eine der Mitarbeiterinnen der Analyse, die die GÖG im Auftrag des Gesundheitsministeriums durchgeführt hat.

Ein Blick in den Bericht zeigt signifikante regionale Unterschiede: Die Bandbreite reicht von 30,9 % in Vorarlberg bis 46,6 % in Salzburg. Mehr als zwei Fünftel Teilnahmequote haben noch Wien (42,9 %) und das Burgenland (40,8 %). Doch warum gehen die Vorarlbergerinnen weniger zum Screening als die Salzburgerinnen oder die Wienerinnen? Darauf weiß auch BKFP-Leiterin Mag. Romana Ruda keine Antwort, die mit „harten Fakten“ zu belegen ist. „Ich warne auch immer davor, den Erfolg eines Screenings nur an Teilnahmezahlen festzumachen“, betont Ruda, bevor sie zu einem Erklärungsversuch der „überraschend“ geringen Teilnahme von Vorarlberg ausholt: Eventuell seien die Frauen in Vorarlberg, das als vorsorgeaffin gelte, „schon dermaßen mit Vorsorge- und Screening-Themen vertraut, dass sie sich vielleicht ganz bewusst dagegen entschieden haben“. Viele Faktoren würden hineinspielen, bis zur Tatsache, wie aktiv in der jeweiligen Region die Gynäkologen das Programm bewerben.

Jedenfalls schaut sich die BKFP-Koordinationsstelle gemeinsam mit den Regionalstellen und den regional verantwortlichen Radiologen die Details genau an. Ruda geht zudem davon aus, dass auch jedes Bundesland im Sinne eines Benchmarkings selbst die Zahlen analysiert. Um die Teilnahmeraten zu erhöhen, sollte man „Geduld haben und den eingeschlagenen Weg konsequent gemeinsam weitergehen“, appelliert Ruda. Die Info-Kampagne, die bereits im dritten Jahr läuft, habe gewirkt: „Umfragen zeigen, dass die Frauen wirklich gut informiert sind.“ Nun könne man an den „Schräubchen“ weiterdrehen: Die Frauen sollen nicht nur Bescheid wissen, sondern sich aktiv mit dem Thema befassen, aber: „Ich werde keinen Druck ausüben und ich werde keine Frau dazu überreden, am Programm teilzunehmen.“

Daten zu Ergebnissen fehlen

Noch mehr klaffen die Dokumentationsraten der Folgeuntersuchungen auseinander: Tirol, Oberösterreich und Vorarlberg mit 74 %, 43 % und 40 % vs. Kärnten mit 4 % (siehe li.). Das bemängelt auch Univ.-Doz. Dr. Franz Frühwald, Ärztekammer-Vertreter im Steuerungsgremium des BKFP, in einer Aussendung: „Wir Radiologen erhalten keinerlei Informationen und Rückmeldungen über die durchgeführten Biopsien und Operationen. Dabei war gerade die Information der Radiologen über die Ergebnisse ihrer Befunde als ganz wesentliches, qualitätsverbesserndes Feedback geplant.“

Kernstock stößt ins gleiche Horn: „Diese Situation muss rasch in Richtung einer vollständigen Dokumentation von der ersten Screening-Untersuchung bis hin zu einer eventuellen Krebsdiagnose gelöst werden.“ Ruda gibt den beiden recht und erläutert, dass die Dokumentation dieser Folgeuntersuchungen vorwiegend im intramuralen Bereich stattfindet, also Zuständigkeit der Länder ist: „Wir – die Programmleitung gemeinsam mit der GÖG – kommunizieren diese Lücke seit mindestens über einem Jahr.“ Was sie da zu hören bekomme?

„Dass die Ressourcen nicht da sind, dass die IT-Technik nicht so optimal ist – und ganz ehrlich, diese Kritik verstehe ich schon: Es kann ja nicht sein, dass der Mediziner im Spital dazu angehalten ist, salopp gesagt, die gleichen Daten dreimal ins System hineinzuklopfen, damit sie an unterschiedliche Adressaten gehen.“ Hier müssten die Verantwortlichen – die Länder bzw. der jeweilige Spitalsverbund – dafür sorgen, dass die IT-Infrastruktur entsprechend adaptiert wird. Leider habe weder die Programmleitung, noch die Sozialversicherung eine Durchgriffsmöglichkeit auf die Länder, meint Ruda etwas resigniert.„Wir können nur weiter den Finger in die Wunde legen, wir machen uns damit eh nicht beliebt.“

Kärnten: „Regelung fehlt“

Da dürfte den BKFP-Verantwortlichen tatsächlich noch viel Arbeit bevorstehen, wie die Beantwortung einer MT-Anfrage an die Kärntner Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft KABEG zeigt: „Die Dokumentationsverpflichtung im Rahmen des BKFP ist nicht genau geregelt, weshalb hier auch nicht von mangelnden Dokumentationsraten in Kärnten gesprochen werden kann“, verteidigt sich eine KABEG-Sprecherin. Außerdem führe die KABEG bzw. das Land Kärnten „seit vielen Jahren“ im Rahmen eines Tumorregisters eine lückenlose und vollständige Dokumentation von Tumorpatienten: „Kärnten ist damit eines von nur vier Bundesländern in Österreich, welches ein Tumorregister betreibt. Eigens dafür eingesetzte Mitarbeiter sollen die Erfassung sichern und liefern so genaue und aussagekräftige Daten über die Krebspatienten in Kärnten.“

* Pressemeldung “Erste Evaluation: Brustkrebs-Früherkennungsprogramm steigerte Qualität der Untersuchungen”

 

Aus dem Bericht

Die erste Evaluierung* des Österreichischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramms, ein gemeinsames Programm von Bund, Ländern, Sozialversicherung und Österreichischer Ärztekammer, umfasst die Jahre 2014 und 2015 und wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums von der Gesundheit Österreich GmbH durchgeführt. Er bescheinigt dem Programm eine Steigerung der Qualität der Untersuchungen, bemängelt aber u.a. die teils niedrigen Dokumentationsraten der Folgeuntersuchungen (durchschnittlich 25,4 %):

  • Kärnten: 3,80 %,
  • Burgenland: 8,99 %,
  • Wien: 17,48 %,
  • NÖ: 21,46 %,
  • Steiermark: 22,52 %,
  • Salzburg: 33,28 %, ­
  • Vorarlberg: 40,49 %,
  • Oberösterreich: 43,10 %,
  • Tirol: 74,35 %.

Das Programm bietet erstmals systematische, qualitätsgesicherte Früherkennungsuntersuchungen an. Alle zwei Jahre können Frauen zwischen 45 und 69 (Opt-in für Frauen von 40 bis 44 bzw. ab 70) mit ihrer e-card zur Früherkennungsmammografie gehen. Zur Erinnerung bekommen sie einen Einladungsbrief der Sozialversicherung. Serviceline unter 0800 500 181 oder auf www.frueh-erkennen.at

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune