22. Nov. 2023Keine Wirkstoffverschreibung und Einzelverträge

Gesundheitsreform: Ärztekammer erreichte noch Änderungen

Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) hat in den Endverhandlungen noch wesentliche Abstriche zu ihren Gunsten erwirkt, vor allem was Honorare, Gesamtvertrag und Wirkstoffverschreibung betrifft. ÖÄK und Gesundheitsminister Johannes Rauch zeigen sich weitgehend zufrieden. Bei Ambulatorien gebe es laut ÖÄK allerdings noch Gesprächsbedarf.

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Mit der am 21.11.2023 erfolgten Einigung beim Finanzausgleich ist auch die von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) angestrebte Gesundheitsreform paktiert. Dabei gibt es aber noch wesentliche Änderungen, wie die APA noch am selben Abend aus dem Gesundheitsministerium erfahren hatte.

Die geplanten Einschränkungen bei der Gesamtvertragshoheit der Ärztinnen und Ärzte (samt Einfrieren der Honorare ab 2025 bei Nichteinigung) fielen letztlich weg. Dass die Sozialversicherung künftig Einzelverträge mit Ärztinnen und Ärzten abschließen kann, wurde ebenfalls gestrichen. Die ÖÄK hatte von einer Aufkündigung der Sozialpartnerschaft gesprochen und mit einem vertragslosen Zustand gedroht (siehe auch medonline-Bericht hier).

Wirkstoffverschreibung kommt nicht

Gestrichen wurde auch, dass Ärztinnen und Ärzte künftig standardmäßig Wirkstoffe statt bestimmter Arzneimittel verordnen müssen. Nicht durchsetzen konnte sich die ÖÄK mit ihrem Wunsch, ihre Veto-Möglichkeiten beizubehalten. Gegen Stellenpläne und die Schaffung neuer Ambulatorien haben die Ärztekammern künftig keinerlei Einspruchsrechte.

Änderungen seitens des Gesundheitsministeriums gibt es zudem noch beim geplanten Bewertungsboard für teure neue Medikamente. Das Bewertungsboard, das Rauch zufolge den Einsatz neuer Medikamente nach sachlichen und wissenschaftlichen Kriterien evaluieren soll, kommt zwar, jedoch sollen darin mehr Expertinnen und Experten als ursprünglich geplant vertreten sein.

Rund 300 Millionen jährlich für niedergelassenen Bereich

Abgesehen davon hätten die Eckpunkte der Reform aber gehalten, hieß es im Ressort Rauchs gegenüber der APA. Rund 300 Millionen Euro pro Jahr fließen zusätzlich in den niedergelassenen Bereich, rund 600 Millionen Euro sind im Finanzausgleich für Spitalsambulanzen sowie für Strukturreformen vorgesehen.

Eine forcierte Digitalisierung und Neuerungen in den Bereichen Gesundheitsförderung, beim Impfen, der Medikamentenversorgung und nicht zuletzt in der Pflege (mit einer Aufstockung des Pflegefonds von 455 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro pro Jahr) gehören ebenfalls dazu.

Bund, Länder und Sozialversicherung hätten sich nach langen Verhandlungen auf eine große Gesundheitsreform geeinigt, erklärte das Gesundheitsministerium in einer Aussendung am nächsten Tag, dem 22.11.2023: „Das erforderliche Gesetzespaket wird heute im Nationalrat eingebracht.“ Dieser soll das Reformpaket Mitte Dezember beschließen.

„Mehrere 100 zusätzliche Kassenstellen“

Demnach werden rund 14 Milliarden Euro für Gesundheit und Pflege zur Verfügung gestellt, durchschnittlich 2,8 Milliarden Euro pro Jahr. Den weitaus größten Anteil daran von knapp 11 Milliarden Euro trägt der Bund. Mit dem Geld schaffe man „mehrere 100 zusätzliche Kassenstellen“ und finanziere „Strukturreformen in den Spitälern und digitale Angebote für Patientinnen und Patienten“.

Außerdem würden in der Pflege Gehaltserhöhungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, finanzielle Unterstützungen für Auszubildende und die Förderung der 24-Stunden-Betreuung langfristig gesichert. Der Gesundheitsminister spricht von „Gesundheit für alle in hoher Qualität – und zwar mit der e-Card statt der Kreditkarte“.

Rauch: „Größte Gesundheitsreform“

Um die Qualität in Österreichs Gesundheitssystem zu sichern, brauche es tiefgreifende Strukturreformen: raus aus den Spitälern, rein in den niedergelassenen Bereich, viel stärker in die Digitalisierung. Genau das habe man mit der Einigung geschafft. Und Rauch bleibt dabei: „Die größte Gesundheitsreform der vergangenen Jahrzehnte bringt Verbesserungen sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und alle weiteren Mitarbeitenden im Gesundheitsbereich.“

Kurz nach Rauchs Aussendung folgte eine von der ÖÄK. Mit dem Ergebnis könne man „weitgehend zufrieden“ sein, alle Beteiligten hätten gemeinsam ein Paket zustande gebracht, das die „gröbsten Fehlentwicklungen“ verhindern werde, fasst ÖÄK-Präsident Dr. Johannes Steinhart den Verhandlungsmarathon der vergangenen Tage zusammen: „Das ist nicht nur für die Patientinnen und Patienten erfreulich, sondern auch für die Ärztinnen und Ärzte.“

ÖÄK: Bei Ambulatorien & Co noch „Gesprächsbedarf“

ÖÄK-Vizepräsident Dr. Edgar Wutscher, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, ergänzt: „Dieser Kompromiss ist aus unserer Sicht völlig zurecht und im Sinne der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten zustande gekommen.“ Bei den ärztlichen Stellenplänen und vor allem bei den Ambulatorien gebe es aber noch Gesprächsbedarf.

Hier sei die Bedrohung vor allem für Großstädte noch lange nicht vom Tisch. „Wir warnen weiterhin vor Entwicklungen wie in Deutschland, wo internationale gewinnorientierte Konzerne durch die Gründung von medizinischen Einrichtungen die Existenz der unabhängigen, freien Ärztinnen und Ärzte, die zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger tätig sind, massiv infrage stellen“, so Steinhart.

Lenkung der Patientenströme fehle noch

ÖÄK-Vizepräsident Dr. Harald Mayer, Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, sieht die vereinbarten Pläne als „begrüßenswertes Bekenntnis“ zur Entlastung der Spitäler. Damit komme man einer langjährigen Forderung der Bundeskurie nach: „Was mir jetzt aber noch fehlt, wäre eine verbindliche, objektive und funktionierende Lenkung der Patientenströme.“

Alle 3 Ärzte-Vertreter versichern, den „positiven Geist der vergangenen Wochen“ mitzunehmen und sich „mit noch mehr Einsatz“ für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems stark zu machen. Steinhart, Wutscher und Mayer bedankten sich auch ausdrücklich bei den Ärztinnen und Ärzten für die große Unterstützung in den vergangenen Tagen und Wochen. Sie hoffen, bewiesen zu haben, „wie wichtig eine starke Standesvertretung“ sei und was sie im Interesse von Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten gleichermaßen erreichen könne. (APA/RED)