Gläserne Decke: NÖ Ärztekammer plant Mentorinnen-Programm für Ärztinnen
Beim Medizin-Aufnahmetest MedAT bewarben sich fast doppelt so viele Frauen wie Männer. Bei den Berufsberechtigten sind es schon halbe-halbe und die Primariate sind zu 80 Prozent männlich. Angesichts des Ärztemangels sei das eine „Katastrophe“, meint Dr. Harald Schlögel, Präsident der NÖ Ärztekammer, man müsse gegensteuern. Die gläserne Decke erreichten Frauen anno dazumal zwar schon früher, aber noch heute sei sie da, betont Vizepräsidentin Dr. Martina Hasenhündl, Obfrau der Niedergelassenen-Kurie – die erste bundesweit, die von drei Frauen geleitet wird. Auch in der Angestellten-Kurie ist in NÖ eine Frau im Führungsteam: Dr. Johanna Zechmeister. Sie hatte sich bereits beim „Eklat“ anlässlich der ÖÄK-Wahl in Frauenfragen zu Wort gemeldet.
Für den MedAT am 08.07.2022 hatten sich österreichweit 10.037 Frauen und 5.751 Männer angemeldet, informierte die NÖ Ärztekammer in einer Aussendung anlässlich des Aufnahmetests zum Medizinstudium. Das entspricht beinahe einem Verhältnis von 2:1. Auch in der Ausbildung hätten die Frauen noch eine deutliche Mehrheit, betont Schlögel, aktuell gebe es in Niederösterreich an die 700 Turnusärztinnen, Turnusärzte hingegen nur etwa 500.
Rund 8.000 Berufsberechtigte, davon die Hälfte Frauen
Bei den berufsberechtigten Ärztinnen und Ärzten sei dann das Geschlechterverhältnis mit jeweils knapp über 4.000 ausgeglichen. „Wir verlieren also eine nicht geringe Anzahl an Ärztinnen bereits nach der Ausbildung. Im Hinblick auf den Ärztemangel ist das eine Katastrophe, der wir unbedingt gegensteuern müssen“, erklärt der Präsident.
Bei den Berufsberechtigten bestünden zudem „große Unterschiede bei der Aufteilung zwischen Allgemeinmediziner:innen und Fachärzt:innen“, ergänzt Kurienobfrau Hasenhündl. Rund 43 Prozent der Ärztinnen hätten eine Facharztausbildung absolviert, bei den Ärzten seien es aber rund 70 Prozent. „Mit dieser Feststellung wollen wir keineswegs die Allgemeinmedizin schlechtreden“, unterstreicht Hasenhündl, selbst Allgemeinmedizinerin und Hausärztin in Stetten im Bezirk Korneuburg.
Hasenhündl: „Frauen hatten früher keine Chance auf Facharztstelle“
„Aber früher war es leider so, dass Frauen nach der allgemeinmedizinischen Ausbildung keine Chance hatten, eine Facharztstelle zu bekommen, weil dafür fast immer Männer ausgewählt wurden“, erinnert die Vizepräsidentin. Heute sei das zum Glück anders, aber in der Vergangenheit hätten Frauen die gläserne Decke „noch viel früher“ erreicht als heute.
Die NÖ Ärztekammer will nun gegensteuern, einerseits mit Appellen, andererseits mit Forderungen, aber auch mit eigenen Plänen. „Abteilungsvorstände und Oberärzt:innen sollten Frauen ermuntern und darin bestärken, ihre Karriere zielstrebig zu verfolgen“, appelliert Schlögel. Auch die Gesellschaft sei in der Pflicht: Wenn Frauen Karriere machen wollen, dürfen sie nicht als Rabenmütter abgestempelt werden.
Vom Land NÖ fordert die Standesvertretung, die Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu optimieren, um Frauen bessere Chancen zu ermöglichen. Die bestehenden Betriebs- und Landeskindergärten reichen Hasenhündl zufolge nicht aus. Es müsse auch erschwingliche Betreuungsmöglichkeiten für die Nachtstunden und die Wochenenden geben: „Ärztinnen und Ärzte erfüllen keine ‚9 to 5 jobs‘ und brauchen daher bestmögliche Unterstützung, wenn es um die Versorgung ihrer Kinder oder auch anderer Familienmitglieder mit Betreuungsbedarf geht.“
Niederösterreich: 38 Primarärztinnen & 147 Primarärzte
Was die Primariate in den niederösterreichischen Spitälern betrifft, ist die gläserne Decke für Frauen noch kaum zu durchdringen. 38 Primarärztinnen stehen 147 Primarärzten gegenüber, das entspricht nur einem Fünftel Frauen. Schlögel, dem bereits Ende April als frischgebackener Präsident Ausbildung und Karriereplanung am Herzen lagen, hebt dazu hervor: „Ich habe vor, für junge Kolleginnen und Kollegen in der NÖ Ärztekammer ein Programm zur Karriereplanung aufzubauen. Speziell für Jungärztinnen könnte ich mir ein Mentorinnen-Programm als sehr hilfreich vorstellen.“ Dieses soll zeigen, dass es möglich sei, die gläserne Decke zu durchstoßen.
Dabei ging die NÖ Ärztekammer durchaus mit gutem Beispiel voran: Die Vollversammlung setzt sich seit der Wahl im Frühling aus 19 Frauen und 34 Männer zusammen, ein Anteil von rund 35 Prozent Frauen. „Besonders erfreulich ist aber, dass es in Niederösterreich die erste Kurienführung einer Ärztekammer österreichweit überhaupt gibt, die sich aus drei Frauen zusammensetzt“, freut sich Hasenhündl. Dass die Kurie der Niedergelassenen nur von Frauen geleitet werde, schaffe auch weibliche Rollenbilder und mache sichtbar, „was Frauen leisten können und wollen“, ergänzt die Kurienobfrau.
„Wir haben genug von einer Altherrenpartie, die …“
Die Allgemeinmedizinerin trat bei der Wahl am 2. April als Spitzenkandidatin der Liste „#RELOAD Hasenhündl/Wiltos/Zeitelberger/Frühwirth“ an. Grund für den Hashtag „Kammer neu laden“ sei die „breite Unzufriedenheit“ mit der Kammerführung gewesen: „Wir haben genug von einer Altherrenpartie, die sich durch Intransparenz, Basisferne, Frauenfeindlichkeit und das Schönreden vermeintlicher Erfolge ‚auszeichnet‘“, betonte Hasenhündl damals gegenüber medonline (siehe hier).
Nun ist sie nicht nur Kurienobfrau, sondern hat auch zwei Frauen als Stellvertreterinnen an ihrer Seite: Ihre 1. Stellvertreterin ist Dr. Krista Ainedter-Samide. Die Hautärztin in Tulln trat bei der Wahl für den „Ärzteverband NÖ – Team Dr. Andreas Stippler“ an. Ebenso wie die 2. stellvertretende Kurienobfrau, Dr. Dagmar Fredra-Machacek, Allgemeinmedizinerin in Perchtoldsdorf.
Auch in der Kurie der angestellten Ärzte ist eine Frau in Führungsposition, und zwar Dr. Johanna Zechmeister als 1. Stellvertreterin von Kurienobmann OA Dr. Wolfgang Walentich, MSc. Zechmeister ist Turnusärztin im LK Mödling und war Kandidatin für die Liste „ARGUS-Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Spitalsärzte“.
„Eklat“ vor der Wahl der Führung in der Bundeskurie der Angestellten
Bundesweit hat sie schon ihre ersten Sporen verdient. Im Vorfeld der Wahl des Obmanns der Bundeskurie der angestellten Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) sei es zu einem „Eklat“ wegen „Absprachen zu Postenbesetzungen und Machterhalt“ gekommen, berichtete die Ärztekammer Salzburg in einer Aussendung, in der Zechmeister zitiert wurde. Das kam so: Die Vertreter der Bundesländer Kärnten, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg forderten in einer Resolution mehr Vertreter der jungen Ärztegeneration, insbesondere Frauen und Ärzte in Ausbildung, in der Kurienführung und verließen vor Durchführung der Wahl geschlossen die Sitzung (Details und Resolution der JungärztInnen siehe Ärztekammer Salzburg, 23.06.2022).
Zechmeister kritisierte dabei vor allem die mangelnde Repräsentation von Frauen: „Mehr als die Hälfte der angestellten Ärzteschaft sind Frauen, trotzdem findet sich in der Kurienführung keine einzige. Ich fühle mich ausschließlich von Männern nicht vertreten.“ Dr. Petra Preiss, Präsidentin der Ärztekammer Kärnten, sowie Priv.-Doz. Dr. Jörg Hutter, Vizepräsident der Ärztekammer Salzburg, betonten außerdem: „Das Zustandekommen dieser Wahl muss rechtlich geprüft werden.“
Unterschiedliche Meinungen zur Gültigkeit der Wahl
Geholfen hat alles nichts, weder die Resolution noch der Auszug der vier Ärztekammern. Der bisherige und langjährige Bundeskurienobmann Dr. Harald Mayer wurde wiedergewählt und sieht auch keinen Grund für eine Wiederholung der Wahl. Als Stellvertreter kam Dr. Stefan Ferenci zum Zug. Dieser ist zwar als Turnusarzt in einer Lehrpraxis angestellt, führt aber auch schon länger eine eigene Praxis als niedergelassener Arzt. Die meisten jungen Ärzte seien im Spital, Vollzeit in Ausbildung und hätten keine Praxis, betont hingegen Zechmeister gegenüber Ö1, wie die APA am 27.06.2022 von einem „Streit“ um die Wahl in der Bundeskurie berichtet.
Die vier Bundesländer haben daraufhin dem APA-Bericht zufolge sogar überlegt, zu klagen. Die Wahl sei nämlich nicht rechtsgültig, unterstrich Priv.-Doz. Dr. Jörg Hutter, Vizepräsident der Ärztekammer Salzburg und deren Kurienobmann für angestellte Ärzte. Denn nach Rechtsmeinung von Experten aus den betreffenden Bundesländern müssten bei der Wahl mindestens sechs Bundesländer anwesend sein, was durch den Auszug der vier nicht der Fall gewesen sei.
Vertreter der vier Landesärztekammern warten „immer noch“ auf offizielles Gesprächsangebot
Ob geklagt werde oder nicht, könne erst entschieden werden, „wenn wir entsprechende rechtliche Beurteilungen durch unabhängige Juristen haben“, informiert Hutter auf medonline-Nachfrage, „aktuell wurde darüber noch nicht entschieden“. Grundsätzlich sollte eine Ärztekammer beziehungsweise deren Funktionäre nicht vor Gericht ziehen, da dies weder nach innen noch nach außen für die Ärztekammer und deren Ruf gut wäre. Nachsatz: „Worauf wir jedoch immer noch warten, ist ein entsprechendes offizielles Gesprächsangebot der Kammerführung.“