31. Jän. 2024Arzneipflanze des Jahres 2024

Safran macht nicht nur den Kuchen gehl

Das „rote Gold“ ist die Arzneipflanze des Jahres 2024. Safran (Crocus sativus L.) wirkt antioxidativ und antientzündlich, begründete die Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) die Kür. Zudem soll es die Nerven schützen. Klinische Daten gibt es auch für ED, PMS, AMD und Diabetes. Und im Tiermodell zeigen sich noch andere überraschende Effekte.

Rohes organisches rotes Safrangewürz in einer Schüssel
Brent Hofacker/AdobeStock

Eines der Kriterien für die Wahl seien auch immer neue Indikationsgebiete, betont HMPPA-Präsident Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Hermann Stuppner, Institut für Pharmazie/Pharmakognosie, Universität Innsbruck, Centrum für Chemie und Biomedizin. Da könnten die handverlesenen Stempelfäden durchaus noch verblüffen, wie sich bei der Präsentation der „Arzneipflanze des Jahres 2024“ herausstellen sollte.

Auch der Bezug zu Österreich, ein weiteres Kriterium, ist da: Schon im Mittelalter wurde Safran hierzulande kultiviert, und zwar in Ostösterreich bzw. in der Gegend von Wien, fand HMPPA-Vizepräsident em. o. Univ.-Prof. DI Dr. Chlodwig Franz, AG Funktionelle Pflanzenstoffe, Veterinärmedizinische Universität Wien, heraus. Ursprünglich stamme Safran aus Attika, Griechenland, fährt Franz fort. Dies habe man erst vor wenigen Jahren (Nemati et al., 2019) genetisch nachweisen können.

Die Knollenpflanze aus der Familie der Schwertliliengewächse oder Iridaceen ist triploid. Das bedeute, erklärt der Arznei- und Gewürzpflanzen-Spezialist, sie könne sich nicht über Samen, sondern nur vegetativ über Tochter-Knollen vermehren. Safran blühe vorwiegend im Frühjahr, manchmal aber auch im Herbst. Eine Verwechslung mit der giftigen Herbstzeitlose ist jedoch nicht zu befürchten. Denn Safran sei „nicht wildwachsend“ und komme nur in der Kultur vor.

Anbau auch in Österreich: Wachau und Vulkanland

Heute sind die wichtigsten Anbaugebiete der Iran (über 90% der globalen Produktion), Türkei, Griechenland, Süditalien und Südspanien – und kleine Produktionsflächen u.a. in vielen mitteleuropäischen Ländern. Dazu gehört auch Österreich mit Kulturen vor allem in der Wachau, im Weinviertel, im pannonischen Raum und im steirischen Vulkanland. Die Ernte ist aufwendig: Die 3 sogenannten „Narbenschenkel“ müsse man entweder „direkt auf dem Feld“ aus den Blüten zupfen. Oder, die zweite Möglichkeit: die ganzen Blüten ernten, unter Dach bringen und die Narbenschenkel im noch frischen, nichtwelken Zustand gewinnen. Anschließend werden die roten Fäden vorsichtig getrocknet. Für 1kg Droge braucht es ca. 150.000–200.000 Blüten, was etwa 1ha Anbaufläche entspricht. Den Weltmarkt des „teuersten Gewürzes“ oder „roten Goldes“ beziffert Franz mit ca. 300–350 Tonnen jährlich. Zum Vergleich: Österreich produziert weniger als 5kg/Jahr.

Safran sei früher auch als „Opium für Kinder“ bezeichnet worden, geht HMPPA-Vizepräsident Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Rudolf Bauer, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, Karl-Franzens-Universität Graz, auf die wichtigsten Substanzen – Crocine, Picrocrocin und Safranal – ein. Für die stimmungsaufhellende Wirkung sei vermutlich Crocetin verantwortlich. Dieses entstehe, wenn von den Crocinen (wasserlösliche Carotinoidglykoside) die Zucker abgespalten werden.

Ätherisches Öl mit mehr als 150 Aromastoffen

Die Crocine seien auch für die gelbe Farbe des Safrans verantwortlich, sagt Bauer und erinnert an die Passage „Safran macht den Kuchen gehl“ im alten „Backe, backe Kuchen“-Kinderlied. Prominente Gerichte mit Safran sind die spanische Paella und das schwedische Safrangebäck Lussekatter. Für den charakteristischen Geruch des Safrans ist das flüchtige ätherische Öl verantwortlich – mit mehr als 150 verschiedenen Aromastoffen und Safranal als Hauptkomponente.

Safranal entstehe erst beim Trocknen von Safran aus dem bitter schmeckenden Picrocrocin, einem Abbauprodukt der „Muttersubstanz“ Zeaxanthin. Wegen der teuren Produktion werde Safran auch oft verfälscht, berichtet Bauer. Als Beispiele nennt er „Saflor“, die Färberdistel, Rotes Sandelholz oder die Gelbwurzel (Curcuma longa L.), auch als „Indischer Safran“ gehandelt. Mitunter werde auch Rohrzucker, Glycerol, Ziegelmehl oder Bariumsulfat zur Beschwerung genutzt, warnt Bauer.

Fälschungen mit Sandelholz und Ziegelmehl

Zum Schutz vor Verfälschungen gebe es eine ISO-Norm, mit der Safran auf der Basis des Crocin-, Picrocrocin- und Safranalgehalts in 4 Kategorien eingeteilt werde: Super Negin (höchste Qualität), Sargol, Pusahl, Bunch. Qualitativ hochwertiger Safran kann Bauer zufolge bis zu 30% Crocine, 15% Picrocrocin und mehr als 0,5% ätherisches Öl enthalten. Für die arzneiliche Verwendung sei die Qualität von Safran (Croci stigma) auch im Österreichischen Arzneibuch (ÖAB) definiert, mit einem Mindestgehalt von 5% Gesamtcrocinen.

Für die klinische Praxis gebe es jedoch keine zugelassenen oder registrierten Safran-Arzneimittel, bedauert Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie, Universität Münster. Lediglich Nahrungsmittel würden angeboten, weshalb die Grundlage aller wissenschaftlichen Untersuchungen die „Sicherstellung ordnungsgemäßer Qualität“ sei.

Crocetin entsteht im Dünndarm und ist ZNS-gängig

Als traditionelle Anwendungsgebiete nennt Hensel Depression, neurodegenerative Erkrankungen (Alzheimer, Parkinson, Alkoholabusus etc.), Krebs, Dysmenorrhoe und prämenstruelles Syndrom (PMS). Bei einer oralen Safrangabe werden die glykosylierten Crocine-1 bis -5 (hydrophil) im Dünndarmgewebe zu Crocetin abgebaut (lipophil). „Crocetin überwindet die Blut-Hirn-Schranke und kann in das ZNS gelangen“, berichtet Hensel.

Eine Beeinflussung zentraler synaptischer Vorgänge durch Crocetin im ZNS steht Hensel zufolge im Einklang mit der Bindung von Crocetin an die Phencyclidin-Bindungsstelle des NMDA-Rezeptors, einer Hemmung der NMDA-induzierten Membran-Depolarisation und einer ausgeprägten Interaktion mit dem Sigma1-Rezeptor. Hinsichtlich der klinischen Anwendung von Safran bei Depressionen liege eine Vielzahl randomisierter klinischer Studien (RCT) vor, die (gegenüber Placebo und Antidepressiva) die Wirksamkeit, aber auch gute Verträglichkeit von Safran zeigen.

Eine gezielte Arzneimittelentwicklung mit Zulassung/Registrierung hochwertiger und kontrollierter Produkte sollte angestrebt werden, resümiert Hensel.

Zahlreiche physiologische Wirkungen

Die Evidenz zur Safranforschung nimmt auch HMPPA-Vizepräsident Assoc.-Prof. Dr. Christian W. Gruber, Zentrum für Physiologie und Pharmakologie, Medizinische Universität Wien, genauer unter die Lupe. Demnach weist Safran eine antioxidative Aktivität durch Carotinoide und andere Verbindungen auf. Außerdem wurden entzündungshemmende Eigenschaften beobachtet. Im Speziellen könnten die aktiven Inhaltsstoffe mit bestimmten Neurotransmittersystemen und Hormonen interagieren bzw. die Enzymaktivität oder zelluläre Signalwege beeinflussen. Die physiologischen Wirkungen von Safran teilt Gruber in 6 Felder ein:

  1. Antidiabetische Wirkung: Erhöhung der zellulären Glukoseaufnahme, Schutz/Förderung von Pankreas-Betazellen, Hemmung der intestinalen Aufnahme von Glukose, antioxidative Wirkung
  2. Wirkung bei metabolischem Syndrom: HDL-Erhöhung, Senkung von Blutfett- und Blutzuckerwerten sowie der Insulinresistenz, Einfluss auf Acetylcholin, antioxidative Wirkung
  3. Wirkung auf Reproduktionsapparat: positive Wirkung auf NO-Produktion, Modulation von Ca2+-Transport (Muskelrelaxans, krampflösende Wirkung)
  4. Kardioprotektive Wirkung: positive Wirkung auf NO-Produktion (Vasodilation), Modulation von Ca2+-Transport, Reduktion Fetteinlagerung, Reduktion Lipaseaktivität (Magen und Pankreas), Reduzierung von bestimmten vaskulären Adhäsionsmolekülen
  5. Neuroprotektive Wirkung: Modulation von Neurotransmittern (Dopamin, Serotonin, Norepinephrin), Inhibierung der Monoamino-Oxidase (MAO), NMDA-Rezeptor-Antagonist, positiver Einfluss auf Proteinfaltung (Zellstress)
  6. Wirkung auf Sehvermögen und Augen: durchblutungsfördernd, antientzündlich

Was die neuroprotektiven Effekte betrifft, könnte Safran möglicherweise bei der Prävention von Krankheiten wie Alzheimer-Demenz und Parkinson hilfreich sein, betont auch Gruber. Klinische Daten liegen auch für die Behandlung der erektilen Dysfunktion (ED), des metabolischen und prämenstruellen Syndroms, Diabetes und der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) vor.

Jüngste Forschungen1 hätten zudem ergeben, dass Safran möglicherweise auch das Wachstum von Krebszellen hemmt und den programmierten Zelltod (Apoptose) bei bestimmten Krebsarten induziert. Dabei handle es sich aber um frühe experimentelle Studien mit Krebszellen und oft „nur“ mit einem isolierten Safran-Inhaltsstoff, dem Crocetin, informiert Gruber auf medonline-Nachfrage. Tiermodell-Studien gebe es seines Wissens nach bisher nur zu Tumoren in Magen2, Leber und Pankreas.

Krebsprävention durch zellprotektive Wirkung?

Möglicherweise habe die zellprotektive Wirkung – über die oben erläuterten Mechanismen – einen positiven Einfluss zur Krebsprävention. „Für eine mögliche Einschätzung zur Therapieaussicht einzelner Inhaltsstoffe des Safrans mittels der Apoptose-induzierenden Eigenschaften fehlen uns die Daten“, schränkt Gruber ein. Hier müssten noch viel mehr zellbasierte und diverse Tiermodelle auf Wirksamkeit untersucht werden. Daher seien aktuell für die Krebstherapie die onkologischen Leitlinien maßgeblich, wie klassische Chemotherapeutika, Antikörper und Signalinterzeptoren, unterstreicht Gruber.

Online-Pressekonferenz Arzneipflanze 2024, 30.1.2024