4. Apr. 2024Debatte um HIV-Prophylaxe

HIV: Gratis-PrEP seit 1. April – aber nicht für alle Versicherten

Die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) wird seit 1. April rückerstattet – ein Meilenstein, wie viele betonen. Doch die Versicherten der KFA (Wien) und KFG (OÖ) sind bisher ausgenommen. Grüne, SPÖ und die younion-Gewerkschaft fordern unterschiedliche Lösungen.

Dame zeigt HIV- oder Aids-Bewusstseinssymbol und engagiert sich ehrenamtlich für wohltätige Zwecke
fizkes/AdobeStock

Seit wenigen Tagen gibt es für die rezeptpflichtigen PrEP-Medikamente zur HIV-Prophylaxe einen monatlichen Zuschuss bis zu 60 Euro – entsprechend den tatsächlichen Kosten. Zusätzlich werden die notwendigen ärztlichen Beratungsgespräche mit 25 Euro pro Quartal unterstützt. Der Bund stellt dafür 5 Millionen Euro zur Verfügung.

Für Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ist die Rückerstattung der PrEP eine „richtig gute Nachricht“, wie er am 1. April auf X (vormals Twitter) betont: „Damit machen wir einen Riesenschritt im Kampf gegen Aids & setzen eine jahrelange Forderung der LGTBIQ+-Community um.“ Er postete dazu ein Foto seines Besuchs in einer Wiener Apotheke, in der er sich höchstpersönlich über die Erfahrungen bei Beratung und Abgabe der PrEP informiert hat.

Gesundheitsminister besuchte Wiener Apotheke

Diese Wiener Apotheke stehe bereits seit vielen Jahren HIV-Betroffenen und ihren Partnerinnen und Partnern engagiert zur Seite, wie die Österreichische Apothekerkammer dazu berichtet. Die PrEP reduziere die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion bei richtiger Anwendung um mindestens 75%. Empfohlen werde sie für Personen mit erhöhtem HIV-Infektionsrisiko wie z.B. Partnerinnen und Partner von HIV-positiven Menschen, Personen mit häufig wechselnden Sexualkontakten oder Männer, die Sex mit Männern haben.

Die PrEP könne auf zwei verschiedene Arten eingenommen werden: anlassbezogen oder dauerhaft. In beiden Fällen würden die antiretroviralen Medikamente die HIV-Vermehrung verhindern. Die Apothekerkammer betont jedoch auch, dass die PrEP nur vor einer Ansteckung mit HIV schütze, jedoch nicht vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Chlamydien, Syphilis oder Gonorrhoe. Daher sei sie keinesfalls ein Ersatz für das Kondom.

PrEP-Rezepte dürfen zudem nur von HIV-kompetenten Ärztinnen und Ärzten sowie anerkannten HIV-Behandlungszentren (siehe Liste der Österreichischen Aidsgesellschaft)  ausgestellt und als solche von der Apotheke akzeptiert werden. Ein Blick auf die Website zeigt, dass es – wenig überraschend – in Wien mit Abstand die meisten verordnenden Stellen gibt.

In Wien mehr als 130.000 Personen bei KFA versichert

Doch just in der Bundeshauptstadt sei eine Rückerstattung der Kosten für die PrEP über die KFA Wien (Sozialversicherung für Wiener Gemeindebedienstete) noch nicht möglich, kritisierten Mag. Barbara Huemer, Gesundheitssprecherin der Grünen Wien, und Emir Dizdarević, MA, Sprecher von Grüne Andersrum Wien, bereits in einer Aussendung Anfang März. Mehr als 130.000 Personen seien über die KFA Wien versichert.

Huemer fordert die rasche Einführung der Gratis-PrEP, die ein „gesundheitspolitischer Meilenstein“ sei, auch für KFA-Wien-Versicherte: „Wien stehen zusätzliche Steuermittel vom Bund zur HIV-Prophylaxe als Ergebnis des Finanzausgleichs für diese Maßnahmen zur Verfügung.“ Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) müsse diese Mittel aus dem sogenannten Präventionstopf nur „abholen“.

Einen entsprechenden Antrag der Grünen in der letzten Gemeinderatssitzung habe die „rot-pinke Stadtregierung“ (SP/NEOS, Anm. d. Red.) allerdings abgelehnt. Die Gesundheit der Versicherten dürfe nicht „Opfer politischer Spielchen“ werden, unterstreichen Huemer und Dizdarević abschließend: „Wir wollen die Gratis-PrEP für alle in Wien und nicht nur für die, die es sich leisten können!“

Grüne Wien sehen Bundesländer zuständig

Auf Nachfrage der Redaktion bestätigen die Grünen Wien, dass sich in dieser Sache auch nach einem Monat nichts geändert habe. Das heißt, KFA-Versicherte bekommen die PrEP nicht rückerstattet. Der Bund könne aber nichts dafür, man sehe die Lösung wie bei vielen anderen Themen in der Umsetzung durch die einzelnen Bundesländer – im Fall von Wien eben das Abholen der Mittel aus dem Präventionsfonds.

Hingegen kritisierte die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, younion, in einer Aussendung Ende Februar schon den Bund, namentlich Gesundheitsminister Rauch. Dieser habe die Ungleichbehandlung der Versicherten der KFA und KFG (Landesbedienstete OÖ) in einer Beantwortung damit begründet, dass die Umsetzung über die Sozialversicherung erfolge: „Und es ist halt so, dass in Oberösterreich und Wien die Mitarbeiter nicht bei der Sozialversicherung versichert sind.“

Damit sei die Kostenerstattung nur „direkt über das Bundesland“ möglich, wird Rauch zitiert, „jetzt sage ich aber dazu, das sollte möglich sein, weil die Bundesländer im Zuge der Gesundheitsreform auch ausreichend Mittel bekommen haben“. Das lässt younion-Vorsitzender Christian Meidlinger nicht gelten. Denn damit könne man praktisch jede finanzielle Ungleichbehandlung argumentieren.

Younion bringt Beispiel zu Vorarlberger Zahnersatz

„So wär’s auch möglich zu sagen, dass alle Vorarlberger einen vollen Ersatz für Zahnkosten von der Bundesregierung bekommen“, spielt Meidlinger offensichtlich auf den Vorarlberger Rauch an, „alle anderen aber nicht. Die anderen mögen sich doch bitte an ihr Bundesland wenden.“ Der Gesundheitsminister müsse die Ungerechtigkeit sofort beenden. Die Lösung bezeichnet Meidlinger als „sehr leicht“.

Denn das Steuergeld müsse einfach nur gerecht aufgeteilt werden: „Das ist in einem Tag erledigt, ich kann gerne dabei helfen“, bietet Meidlinger an. Er finde es auch „sehr bedenklich, dass gerade bei einem Thema wie dem HIV-Schutz plötzlich Vorurteile rund um KFA- und KFG-Versicherte bedient werden. Das ist für einen Gesundheitsminister der Bundesrepublik Österreich unwürdig.“

4-Parteien-Antrag für die Gratis-PrEP

Auch von SPÖ-Gleichbehandlungssprecher und NR-Abg. Mario Lindner aus der Steiermark kam Kritik direkt am Gesundheitsminister – nicht nur wegen der KFA/KFG-Versicherten. Zunächst lobte Lindner in einer Aussendung am 1. April die kostenfreie HIV-PrEP als „echten Meilenstein für die sexuelle Gesundheit“. Der lange Druck, u.a. von der SPÖ, habe gewirkt. Er habe im Dezember 2023 einen 4-Parteien-Antrag mitinitiiert, in dem sich SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS „endlich gemeinsam“ für diese wichtige Maßnahme ausgesprochen haben.

Außerdem könne man durch die kostenlosen, aber verpflichtenden Check-up-Untersuchungen pro Quartal auch andere sexuell übertragbare Infektionen wirksam eindämmen und Infektionsketten unterbrechen. Lindner betont jedoch auch: „Generell sind und bleiben Safer Sex, die Verwendung von Kondomen und regelmäßige Testungen, beispielsweise bei den Aids Hilfen, zentral für die sexuelle Gesundheit jedes und jeder Einzelnen.“

SPÖ will „klassisches Rezept“ statt Rückerstattung

Klar ist allerdings für Lindner, dass die Rückerstattung nur „ein erster Schritt“ sei: „Es kann sich nicht jeder leisten, 60 Euro pro Monat vorauszuzahlen und dann auf die Krankenkasse zu warten.“ Es brauche daher eine Überführung ins Regelsystem und die Ausgabe der Gratis-PrEP über das „klassische Rezept“. Dann kommt auch die „massive Kritik“ daran, dass 190.000 Versicherte der KFA und KFG einfach von der Gratis-PrEP „ausgeschlossen“ werden.

„Niemand kann mir erklären, warum ich ab heute eine kostenfreie HIV-Prophylaxe bekomme, ein Mitarbeiter der MA48 in Wien oder ein oberösterreichischer Landeslehrer aber nicht“, sagt Lindner. Und weiter: „Ich fordere den Gesundheitsminister auf, diesen Fehler umgehend zu korrigieren und diese Diskriminierung zu beenden!“ Er werde gemeinsam mit den Ländern und der Zivilgesellschaft Druck machen, damit das Ministerium rasch eine Korrektur durchführe.

Vor allem aber appelliere er an die „ÖVP, die in vielen Ländern für den Gesundheitsbereich zuständig ist: Beheben wir diesen Fehler rasch und unkompliziert, lassen wir die Landesbediensteten nicht im Regen stehen!“ Der Nationalratsabgeordnete wolle in den kommenden Wochen daher mit weiteren parlamentarischen Initiativen auf dieses Thema aufmerksam machen.