29. März 2018

Fallstricke bei den DOAKs umgehen

Zwei Experten ordneten im Kardiologie-Podcast «Cardiovascular Update» der Medical Tribune ein, was die neuen ESC-Empfehlungen im Alltag bedeuten.
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MM FÜR ÄRZTE – Die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKS) sind in der Schlaganfallprävention nicht wegzudenken. Zwei ein sorgfältiges Medikationsmanagement bei Auswahl, Dosierung und Einnahmemodalitäten so wichtig ist. (Pharmaceutical Tribune 16/2017)

Die Leitlinie der Europäischen Kardiologengesellschaft zum Management von Vorhofflimmern (VHF)* spreche eine „eindeutige Präferenz“ zugunsten von DOAKs gegenüber Vitamin­K­Antagonisten (VKAs) aus, betonte Mag. Christina Labut, Klinische Pharmazeutin im AKH Wien, auf den Ärztetagen in Velden. „Dabei sollte ein hoher Blutungsrisiko­Score in der Regel nicht dazu führen, auf OAK zu verzichten.“ Vielmehr gelte es, behandelbare Blutungsrisikofaktoren zu identifizieren und zu korrigieren, wie etwa:

  • Hypertonie, v.a. bei > 160 mmHg
  • labile INR oder TTR < 60 % bei Patienten unter VKA
  • prädisponierende Medikamente wie NSAR
  • übermäßiger Alkoholkonsum

Vier DOAKs zur Wahl

Mittlerweile stehen vier DOAKs zur Schlaganfallprävention von Patienten mit nicht­valvulärem VHF und zur Therapie und Prävention von rezidivierenden tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien zur Verfügung: Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban (die ersten drei auch für die Prophylaxe venöser Thromboembolien nach Hüftoder Kniegelenksersatz). Pharmakokinetisch unterscheidet sich Dabigatran in puncto Wirkmechanismus, Bioverfügbarkeit, Ausscheidung über die Niere stark von den anderen DOAKs. Eine Untersuchung der Nieren funktion wird bei allen DOAKs vor und während der Behandlung empfohlen, wobei Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban erst ab einer Kreatinin­Clearance (CrCl) von 15 ml/min kontraindiziert sind. Alle DOAKs sind Substrate von P­Glykoprotein (Pgp), jedoch Dabigatran in besonders starker Weise.

Dabigatran darf daher nicht mit Ketoconazol, Ciclosporin, Itraconazol, Dronedaron, Johanniskraut sowie Rifampicin kombiniert werden (Inhibition bzw. Induktion von Pgp). Vorsicht ist geboten bei Amiodaron, Posaconazol, Chinidin, Verapamil und Ticagrelor. Allerdings wird Dabigatran nicht über die Cytochrome P450 (CYP) der Leber metabolisiert, auch Edoxaban kaum (< 10 %). Substrate von CYP3A4 sind hingegen Rivaroxaban, Apixaban und Cumarine. CYP3A4­Inhibitoren sind u.a. Erythromycin, Clarithromycin, ein Induktor ist Rifampicin.

Von VKAs auf DOAKs?

Labut, die gemeinsam mit Dr. Alexander Hartl die Medikationsmanagementkurse für Apotheker leitet, kann mittlerweile aus einem großen Fundus an Fallbeispielen schöpfen Eine Frage, die immer wieder auftaucht: Sollen VKA­Patienten besser auf DOAKs umgestellt werden? „Bei gut eingestellten Marcoumar®oder Sintrom®­Patienten besteht in der Regel keine Notwendigkeit, auf DOAKs umzustellen“, so Labut – im Gegensatz zu Patienten, bei denen unter VKA therapeutische INR-Werte trotz guter Adhärenz nicht erzielt oder erwartet werden können, relevante Nebenwirkungen bestehen oder ein INR­Monitoring nicht möglich ist. In diesen Fällen empfehlen die aktuellen Leitlinien sehr wohl, eine Umstellung auf DOAKs zu erwägen.

WW mit NEMs und Speisen?

Bei der Frage nach möglichen Interaktionen mit Nahrungsergänzungsmitteln sind nicht nur Grapefruit (Inhibitor von CYP3A4/ Pgp) und Johanniskraut (Induktor  von CYP3A4/Pgp) zu nennen. Auch Goji­Beere, Ginkgo, Pelargonium und Knoblauch erhöhen in höheren Dosierungen möglicherweise das Blutungsrisiko. Wichtig ist weiters, dass die orale Bioverfügbarkeit von Rivaroxaban in der Dosierung von 2,5 mg und 10 mg mit oder ohne Mahlzeit 80– 100 Prozent beträgt. „Aber bei höheren Dosen zeigt Rivaroxaban eine durch die Löslichkeit begrenzte Resorption mit verminderter Bioverfügbarkeit und verminderter Resorptionsrate“, informierte Labut, „Rivaroxaban 15 mg und 20 mg müssen daher mit einer Mahlzeit eingenommen werden!“ Apixaban, Dabigatran und Edoxaban hingegen können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden.

Adhärenz besonders wichtig

Im Gegensatz zu Phenprocoumon, das eine Plasmahalbwertszeit von 160 Stunden aufweist, bewegen sich die HWZ der DOAKs im Mittel nur um die 12–15 Stunden. Der Vorteil besteht in einer relativ guten Steuerbarkeit, auf der anderen Seite ist aber eine regelmäßige Einnahme der DOAKs besonders wichtig. Wird die Einnahme einer oder mehrerer Dosen vergessen, ist die Wirksamkeit sehr schnell nicht mehr vorhanden. Wie kniffelig so manche Interaktion sein kann, veranschaulicht Labut den Besuchern der Ärztetage in Velden an zwei (fiktiven, aber an der Praxis orientierten) Fallbeispielen (siehe Kästen). Die beiden MM­Kurs­Leiter Labut und Hartl freuen sich über das Interesse der Ärzte an Medikationsmanagement. Aufgrund der großen Nachfrage wurden sie bereits zum zweiten Mal als Vortragende zu den Ärztetagen in Velden eingeladen. MM­Kurse für Ärzte wären ein nächster spannender Schritt, sagen Labut und Hartl: „Unser Ziel ist es, die Zusammenarbeit der beiden Berufsgruppen zu stärken, denn wir können viel voneinander profitieren.“

Antidota für DOAKs

Derzeit gibt es drei Antidota für DOAKs, eines davon ist bereits auf dem Markt:

  • Idarucizumab (zugelassen; Phase III/Reverse): bindet Dabigatran.
  • Andexanet alfa (PRT064445, Phase III): kompetitive Bindung mit FXa­Inhibitoren.
  • Ciraparantag (Aripazine, PER977; Phase II): universelles Antidot, kann direkte FXaund FIIa­Inhibitoren, aber auch niedermolukulare und unfraktionierte Heparine und Fondaparinux abfangen und deren Wirkung unterbinden.

Tipps für die Praxis

  • Bereiten Sie die Patienten auf mögliche NW von Antikoagulanzien vor: bei DOAKs z.B. gastrointestinale Beschwerden; bei Rivaroxaban häufig Schwindel, gelegentlich Synkopen (Achtung beim Autofahren!); leichte Schleimhautblutungen.
  • Patient soll stärkere Blutungen mitteilen.
  • Dabigatran-Kapsel nicht öffnen: Bioverfügbarkeit kann sich dadurch bis 75 % erhöhen, damit steigt das Blutungsrisiko!
  • Dabigatran-Kapseln nicht aus dem Blister nehmen: Wirkstoff ist hygroskopisch und kann durch die Luftfeuchtigkeit beeinträchtigt werden.
  • Notfallkarte immer bei sich tragen.
  • Ein No-Go: Enoxaparin­NatriumSpritzampullen + DOAKs.
  • CAVE: OAK, Plättchenhemmer + NSAR, Kortikoide, Ginkgo (Hochdosis) + SSRI (erhöhtes Blutungsrisiko v.a. der Haut und des GI­Traktes, Nasenbluten).