9. Okt. 2019

Wien sagt Hepatitis C den Kampf an

Patienten in Wien sollen im Rahmen der Opioid-Substitutionstherapie auch Medikamente gegen Hepatitis C erhalten. So soll eine nahezu 100-prozentige Heilungsrate erreicht werden.

v.l.n.r.: Mag. Dr. Dominik Kaiser, Mag. Susanne Ergott-Badawi, Priv.-Doz. Mag. DDr. Philipp Saiko, Dr. Hans Haltmayer, Univ.-Doz. Dr. Michael Gschwantler, Patient und Peter Hacker bei der Präsentation des neuen Konzeptes in der Wiener Ludwigs-Apotheke.

Österreichweit sind zwischen 20.000 und 30.000 Menschen mit Hepatitis C infiziert. Eine besonders stark betroffene Gruppe sind Personen mit vergangenem oder aktuellem intravenösen Suchtgiftkonsum, hier liegt die Infektionsrate zwischen 60 und 80 Prozent. Warum es trotz der neuen zur Verfügung stehenden Medikamente, die eine Heilungsrate von nahezu 100 Prozent ermöglichen, so viele Betroffene gibt, erklärte Dr. Hans Haltmayer, ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien und Beauftragter für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, anlässlich der Präsentation des neuen Wiener Behandlungskonzeptes in einer Wiener Apotheke: „Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Medikamente regelmäßig und verlässlich eingenommen werden müssen. Das stellt eine Herausforderung für viele Patienten dar, insbesondere für schwer suchtkranke Menschen.“

Apotheker helfen mit

Da Substitutionspatienten eine hervorragende Therapietreue bei der Einnahme ihrer Opioid-Substitutionsmedikamente haben, sieht das neue Konzept nun vor, diese Therapietreue zu nutzen und die Hepatitis-C-Medikamente gemeinsam mit dieser in den Wiener Apotheken abzugeben. Die antivirale Therapie soll hier im Rahmen der in diesen Fällen üblichen „Einnahme unter Sicht“ in der Apotheke oder einer niederschwelligen Einrichtung gemeinsam mit der Substitutionsmedikation täglich verabreicht und eingenommen werden. Haltmayer: „Das Risiko der ,Nichteinhaltung‘ der Therapie kann auf diesem Weg vermieden werden. Dadurch können Patienten erfolgreich behandelt werden, die sonst große Schwierigkeiten hätten, den Anforderungen einer derartigen Therapie Folge leisten zu können.“ Der Wiener Apo­thekerkammerpräsident Priv.-Doz. DDr. Philipp Saiko ergänzt: „Als Pharmazeut weiß ich, wie schwierig es ist, bei bestimmten Patientengruppen eine regelmäßige Einnahme von Medikamenten sicherzustellen. Daher ist es mir eine große Freude, dass die Wiener Apotheken an diesem neuen Behandlungsansatz mitwirken können.“

Erste Ergebnisse

Bisher wurden rund 370 Menschen, die intravenös Drogen konsumieren, nach dem Konzept der „Einnahme unter Sicht“ behandelt. Die Heilungsrate beträgt 99,6 Prozent. Diese Erfolge sind auch der Grund, warum das Projekt bereits von mehreren nationalen und internationalen Organisationen als Best-Prac­tice-Modell ausgezeichnet wurde.

Früherkennung

Ein bekanntes Problem ist, dass viele infizierte Personen nichts von ihrer Hepatitis-C-Infektion wissen. Daher wurde zusätzlich auch ein neues Screeningprojekt entwickelt. So wird allen Patienten in Opioid-Substitutionstherapie die Möglichkeit geboten, ihren HCV-Antikörper-Status testen zu lassen. Dafür wird ein Team, bestehend aus diplomiertem Pflegepersonal, Psychologen und Sozialarbeitern, jeweils zwei Monate in einem der neun Wiener Bezirksgesundheitsämter vor Ort sein, um im Rahmen der regelmäßigen Rezeptvidierung aufzuklären, zu informieren und zu testen.
Die Träger des Projekts „Let’s End Hepatitis C in Vienna“ sind die Suchthilfe Wien und das Wilhelminenspital, die sich zum Wiener Hepatitis C Netzwerk zusammengeschlossen haben. Dafür wird zusätzlich zur Hepatitisambulanz im Wilhelminenspital (4. Med. Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie) eine zweite Hepatitis­ambulanz im Ambulatorium der Suchthilfe Wien eingerichtet.

Hepatitis C
Das Hepatitis-C-Virus ist weltweit verbreitet. Laut Schätzungen der WHO sind weltweit zwischen 130 und 150 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert, davon 15 Millionen in Europa. Jährlich sterben weltweit zwischen 350.000 und 500.000 Menschen an Hepatitis C und den Folgeerkrankungen. Risikofaktoren sind neben aktuellem oder vergangenem Drogenkonsum auch erhöhte Leberwerte, Piercings oder Tattoos, der Erhalt von Blutkonserven vor dem Jahr 1991, ein gemeinsamer Haushalt mit einer Person mit Hepatitis C oder längere Aufenthalte in Ländern, in denen Hepatitis C häufig vorkommt.