19. März 2024Präzisionsneurologie

ÖGN: Gentherapie als Gamechanger im klinischen Alltag

Gentherapeutische Ansätze ermöglichen heute die Behandlung hereditärer Erkrankungen, die bis vor kurzem kaum beeinflussbar waren. Dies betrifft nicht zuletzt Krankheiten des zentralen und/oder peripheren Nervensystems. Die klinischen Effekte sind zum Teil beeindruckend, die exorbitanten Kosten dieser Therapien werden jedoch zu einer erheblichen Belastung der Gesundheitssysteme führen.

The Gentleman/AdobeStock

„Präzisionsmedizin ist ein zutreffendes Konzept für etwas, das bereits stattfindet, aber in unserem Alltag vielleicht zu wenig wahrgenommen wird“, so Univ.-Prof. Dr. Fritz Zimprich, Leiter der Ambulanz für neuromuskuläre Erkrankungen und Myasthenia gravis an der Wiener Univ.-Klinik für Neurologie. Konkret betrifft das einerseits die Weiterentwicklung konventioneller zielgerichteter Therapien, darüber hinaus jedoch auch den Beginn der Ära der Gentherapie, die Zimprich als bahnbrechend bezeichnet und die aktuell in der Klinik angekommen ist. Grundsätzlich stehen in der Gentherapie 4 Strategien zur Verfügung, nämlich die mRNA-Regulierung und -Editierung, Small Molecules, die ein Genprodukt oder einen Signalweg beeinflussen, die Genersatztherapie oder die Gen-Editierung. Ein Review aus dem Jahr 2022 ergab, dass zu diesem Zeitpunkt 39 Gentherapien zugelassen und mehr als 2.000 Gentherapiestudien im Laufen waren, darunter auch Phase-3-Studien.1

Transkription durch Antisense-Nukleotide abschalten

Bei der mRNA-Regulierung kommen in erster Linie Antisense-Nukleotide zum Einsatz. Dabei handelt es sich um stabile einsträngige DNA-Moleküle mit langer Halbwertszeit, die spezifisch an die RNA-Targetsequenz binden. Mehrere Therapeutika, die auf diesem Prinzip beruhen, sind bereits im klinischen Einsatz. Als Beispiel führt Zimprich Nusinersen an, das bei der spinalen Muskelatrophie eingesetzt wird. Bei dieser Erkrankung führt die homozygote Deletion des SMN1-Gens zum Verlust der Motorneurone. Der klinische Phänotyp hängt von der Anzahl der Kopien des partiell defekten Ersatzgens SMN2 ab. Die Wirkung von Nusinersen beruht auf einer funktionellen Umwandlung des SMN2-Gens in ein SMN1-Gen, was zu einem Anstieg der SMN-Spiegel im ZNS und im peripheren Nervengewebe führt. Das funktioniert, so Zimprich, „in der Klinik sehr gut“. So zeigt die finale Auswertung der Phase-2-Studie ENDEAR, dass Patientinnen und Patienten unter dieser Therapie motorische Meilensteine und ein verbessertes Überleben erreichen.2 Nusinersen kann auch bei Erwachsenen eingesetzt werden und befindet sich bereits im routinemäßigen klinischen Einsatz.

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