2. Okt. 2023Fortschritte in der Alzheimer-Therapie

Hoffnung durch neue Antikörpertherapien gegen Alzheimer

Nach 20 Jahren gibt es nun neue Medikamente für die Behandlung der Alzheimer-Demenz. Phase-II-Daten zu einer neuartigen Immuntherapie zeigen vielversprechende Ergebnisse.

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Mit 60–80% ist Alzheimer die vorherrschende Form der Demenzerkrankungen. Bei der Entstehung spielen Beta-Amyloid, das sich außerhalb der Zellen befindet, und Tau, das sich im Zellinneren sammelt, eine zentrale Rolle. Diese Proteine führen zu Ablagerungen und krankmachenden Verklumpungen im Gehirn. Diabetes mellitus, Gefäßerkrankungen sowie Alkohol- und Nikotinabusus erhöhen das Risiko, an Morbus Alzheimer zu erkranken.

Auch ein Zusammenhang zwischen Herpes-Viren und der Entstehung von Alzheimer konnte vergangenes Jahr in einer Studie des Oxford Institute of Population Ageing, der University of Manchester und der Tufts University in Massachusetts belegt werden.1 Wurde Herpes simplex Viren Typ 1 durch das Varizella Zoster Virus reaktiviert, können Prozesse in Gang gesetzt werden, die zu Morbus Alzheimer führen. Auch direkt durch VZV verursachte Schäden wurden in der Arbeit diskutiert. „Die Ergebnisse dieser experimentellen Studie erweitern unsere Sicht auf die Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung um eine bislang eher vernachlässigte, aber absolut mögliche neue Ursache – chronische Viruserkrankungen", betonte der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin Dr. med. Michael A. Überall in einer Presseaussendung anlässlich Welt-Alzheimer-Tag am 21. September. „Sollte sich der Zusammenhang auch in klinischen Studien bestätigen, könnte sich über das VZV eine Möglichkeit ergeben, den Weg der Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung vorbeugend zu beeinflussen bzw. ihn vielleicht sogar weitgehend zu verhindern, nämlich durch eine Impfung mit dem Lebendimpfstoff im Kindesalter zur Vermeidung der Erstinfektion mit VZV und mit Impfung Erwachsener mit dem Totimpfstoff zur Stärkung des Immunsystems und Verhinderung der Reaktivierung bereits im Körper befindlicher VZV."

Antikörper gegen Alzheimer

20 Jahre ist es her, dass das letzte Medikament für die Alzheimer-Erkrankung zugelassen wurde. Seitdem schwand die Zuversicht in eine baldige Besserung der Situation für Betroffene und deren Angehörige. „Nun gibt es allerdings gleich mehrere Innovationen“, berichtet der Demenzexperte Prim. Dr. Andreas Winkler, Leiter des Forschungsinstituts Neuromed. Denn Fortschritte in der Diagnostik gehen zurzeit mit der Erforschung neuer Medikamente einher. Gleich zwei Antikörper, die sich gegen das Protein Beta-Amyloid richten, zeigen eine Erfolg versprechende Wirkung bei Betroffenen im Frühstadium. Die Zulassung eines drittes Antikörper-Medikaments (Aducanumab) wurde bereits 2021 von der EMA – anders als von der FDA in den USA – abgelehnt, da die Wirksamkeit nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist und teils schwere Nebenwirkungen auftreten.

Die Wirkstoffe Lecanemab und Donanemab könnten hingegen die Zulassung in Europa erhalten. Lecanemab bindet an lösliche Amyloid-beta-Protofibrillen. In der doppelblinden, placebokontrollierten Multicenter-Studie Clarity AD erhielten 1.795 Personen in einem frühen Alzheimer-Stadium alle 2 Wochen 10 mg/kgKG i.v. Nach 18 Monaten wurde bestätigt, dass der Antikörper die Progression der Erkrankung im Vergleich zu Placebo signifikant verlangsamen kann. Allerdings traten unter der Antikörper-Therapie häufiger schwere Nebenwirkungen ein.

Die Daten der Phase-III-Studie Trailbalzer-Alz 2 mit 1.700 Teilnehmenden zeigten, dass es unter Donanemab bei knapp der Hälfte der Patientinnen und Patienten zu keiner klinischen Verschlechterung der Alzheimer-Erkrankung kam. Auch nach Absetzen profitierten die Probandinnen und Probanden noch von der Wirkung der Substanz. Allerdings traten auch hier gravierende Nebenwirkungen auf.

Einschränkend ist auch, dass sowohl Lecanemab als auch Donanemab in frühen Stadien der Erkrankung verabreicht werden müssen, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Außerdem sind die jährlichen Kosten einer solchen Antikörpertherapie beträchtlich.

Vielversprechende Ergebnisse

Einen Ansatz, der das Kostenproblem lösen soll und auch nicht mit den zum Teil erheblichen unerwünschten Wirkungen einhergeht, gibt es jedoch bereits. Eine neuartige Immuntherapie für Alzheimer im Frühstadium basiert auf einem Wirkstoff (AD04®), der das Immunsystem reguliert und somit die Entzündung im Gehirn reduziert. In Tiermodellen wurde das kontextuelle Gedächtnis bei Mäusen mit Alzheimer erhalten. Daten einer Phase-II-Studie2 zeigen eine signifikant langsamere Verschlechterung der Kognition und Lebensqualität sowie eine langsamere Schrumpfung des Hippocampus-Volumens der Betroffenen als in den anderen 4 Gruppen der Untersuchung.

Am 21. September war Welt-Alzheimertag

Jeder 4. Mensch über 80 Jahren und fast jeder 2. über 90 Jahren ist in Österreich von Demenz betroffen. Insgesamt leben hierzulande derzeit mehr als 130.000 mit demenziellen Beeinträchtigungen, wobei Morbus Alzheimer die häufigste Form darstellt. Anlässlich des Welt-Alzheimertages erinnert das Hilfswerk Österreich daran, dass sich Gesellschaft und Gesundheitssystem müssen sich darauf einstellen müssen, dass sich diese Zahl bis 2030 aufgrund der demographischen Entwicklungen verdoppeln wird. Angesichts dieser Aussichten brauche es dringend bessere und bedarfsgerechte Unterstützungsangebote für Betroffene und Angehörige, fordert Othmar Karas, Präsident des Hilfswerk Österreich.

Pressekonferenz „Alzheimer – vom Schicksal zur behandelbaren Erkrankung“, Wien, 18.9.2023
Presseaussendung anlässlich des Welt-Alzheimer-Tags am 21.9.2023: „Studie belegt Zusammenhang zwischen Herpes-Viren und Alzheimer-Risiko“