Wie der Klimawandel Lungenerkrankungen beeinflusst
Im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) wurde kürzlich ein neues Positionspapier präsentiert, das die Komplexität des Klimawandels in Bezug auf Lungenerkrankungen skizziert. Es werden dabei auch praktische Maßnahmen zur Anpassung, Prävention und Umsetzung einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung in der Pneumologie aufzeigt.

Die Auswirkungen des Klimawandels treffen Patientinnen und Patienten mit Lungenerkrankungen in besonderem Maße. Klimatische Veränderungen sind eng mit der Gesundheit und dem Überleben verknüpft, wie der jährlich erscheinende Bericht „Lancet Countdown“ aufzeigt. (1)
Klimabedingte Faktoren wie steigende Temperaturen, veränderte Aeroallergene, Inhalationen von Luftschadstoffen und gehäufte Extremwetterereignisse sind wesentliche Trigger für die Zunahme und Verschlechterung von Lungenerkrankungen wie Asthma bronchiale oder COPD.
Ältere Menschen, Kinder und chronisch kranke Personen sind von diesen Entwicklungen besonders betroffen. (2)
In Bezug auf die aktuellen klimatischen Veränderungen sind Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen eine besonders vulnerable Patientengruppe (3): „sowohl Veränderungen der Lufttemperatur und Feuchtigkeit als auch Luftschadstoffe und modifizierte Allergene können die mukoziliäre Reinigungsfunktion, die Integrität der epithelialen Barriere als auch die angeborene und erworbene Immunität, lokal und systemisch, beeinträchtigen“, schreiben die Autorinnen und Autoren. „Außerdem verursachen viele bekannte Luftschadstoffe die Entstehung von reaktiven Sauerstoffspezies, oxidativem Stress und begleitende inflammatorische Reaktion im Bronchialsystem.“
Klimawandel als Treiber für Atemwegserkrankungen
Folgende Aspekte werden besonders hervorgehoben:
- COPD: Hitzeperioden und erhöhte Feinstaub- und Ozonkonzentrationen führen zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion, erhöhtem Exazerbationsrisiko und erhöhter Mortalität.
- Asthma und Allergien: Eine langfristige Exposition gegenüber Luftschadstoffen ist eine relevante Ursache für die Entwicklung von Asthma bronchiale. Denn erhöhte Luftschadstoffexpositionen führen zu Verschlechterungen von Symptomen, vermehrter Einnahme von Notfallmedikamenten, Fehlzeiten in Schule und Arbeit, Krankenhausaufenthalten, Defiziten der Lungenfunktion und Verstärkung der bronchialen Hyperreagibilität. Steigende Temperaturen, zunehmende Luftfeuchtigkeit sowie höhere Pollenkonzentrationen erhöhen das Risiko für Exazerbationen bei Patienten mit allergischem Asthma bronchiale (z.B. Gewitterasthma) und ferner die Schwere und Dauer von Atemwegssymptomen.
- Lungenkarzinome: Feinstaubbelastung und Luftschadstoffe sind zunehmende Risikofaktoren für Lungenkarzinome. Das postoperative Outcome nach onkologischen Lungenteilresektionen kann durch die Exposition gegenüber Luftschadstoffen verschlechtert werden.
- Infektionserkrankungen: Aggravierte Hitzewellen und Kälteperioden erhöhen das Risiko für bakterielle und virale Lungenentzündungen in allen Altersgruppen. Das Auftreten vieler infektiologischer Atemwegserkrankungen (z. B. Aspergillose, vektorübertragene Krankheiten) wird durch das veränderte Klima sowie schlechte Luftqualität und Umweltkatastrophen begünstigt. Auf warme Winter folgen in der Regel schwerere Grippeepidemien und extreme Niederschlagsereignisse wurden mit einem erhöhten Risiko für Atemwegsinfektionen in Verbindung gebracht.
- Interstitielle Lungenerkrankungen: Luftschadstoffe führen zu einer Reduktion der Lungenfunktion von Fibrosepatientinnen und -patienten und stehen im Zusammenhang mit Exazerbationen und erhöhter Mortalität.
Klimasensible Gesundheitsberatung
Maßnahmen und Strategien können helfen, die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und der damit assoziierten Lungenerkrankungen abzumildern. Die Forschenden empfehlen z.B. das Meiden von Zonen mit hoher Schadstoffbelastung bei Vegetationsbränden und anderen Extremereignissen.
Die Anwendung von Schutzmaßnahmen wie das Tragen einer Atemschutzmaske bei hoher Staubbelastung oder das konsequente Peak-Flow-Messen zuhause mit frühzeitiger Anpassung der Basismedikation kann Asthma-Exazerbationen verhindern.
Monitoring der Luftqualität, niederschwellige und einheitliche Informations- und Warnsysteme vor Extremwetterereignissen (Hitzewellen, Waldbrände, Starkregen) bzw. Verhaltensempfehlungen während dieser Ereignisse sind für vulnerable Personen entscheidend.
Weitere Empfehlungen sind Hitzeschutzkonzepte wie klimatisierte Räume in Krankenhäusern und Arztpraxen, Anpassung der Sprechstundenzeiten und bestmögliche Reduktion diagnostischer oder therapeutischer Eingriffe während Hitzewellen.
Durch hohe Temperaturen und Hitze ändern sich Pharmakodynamik und Wirksamkeit von Medikamenten, wodurch Dosisanpassungen oder Medikamentenwechsel erforderlich werden können. Zudem funktionieren viele mobile Sauerstoffkonzentratoren bei Temperaturen von über 36°C nicht mehr zuverlässig.
Der Gesundheitssektor spielt mit einem Beitrag von mehr als 5% an den gesamten Treibhausgasemissionen des globalen Nordens eine wesentliche Rolle. Deshalb sind Maßnahmen wie Abfallvermeidung und -recycling oder ein optimiertes Beschaffungswesen wesentlich. Dabei kann eine verbesserte Planung von Abläufen mobilitätsbedingte Emissionen vermindern.
Außerdem tragen folgende Faktoren ebenfalls zur Verminderung von Treibhausgasemissionen bei:
- Umweltfreundliche Medizinprodukte und Arzneimittel,
- die Umrüstungen im Fuhrpark,
- Anreizsysteme zur Nutzung von Öffis und Fahrrädern,
- eine Umstellung auf erneuerbare Energien,
- energieeffiziente Gebäude und Energiesparmaßnahmen.
Expertenstatement
"Klima wird heißer, feuchter und die Vegetationsdauer länger"
In den letzten Jahren haben sich in Österreich drei deutliche Veränderungen des Klimas gezeigt: mehr Hitzetage, mehr Niederschläge und eine längere Vegetationsdauer (siehe auch Daten von GeoSphere Austria, www.geosphere.at).
So war beispielsweise das Jahr 2024 mit Abstand das wärmste Jahr der Messgeschichte. Das sind Fakten mit klar belegbaren Daten, die auf vulnerable Patientengruppen Einfluss haben können.

Prim. Priv.-Doz. Dr. Christopher Lambers, Ordensklinikum Elisabethinen, Linz
Weitere Faktoren wie z.B. verlängerter Pollenflug oder höhere Schadstoffbelastung in der Luft durch Hitze, die uns im klinischen Alltag begleiten werden, sollte daher eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen.
Obwohl es derzeit in Österreich noch keine konkreten Daten dazu gibt, könnte dennoch in naher Zukunft z.B. das Gewitterasthma – wie das in Melbourne 2016 dokumentierte Ereignis mit mehr als 3.300 Betroffenen an einem Tag – eine relevante Thematik bei Extremwetterereignissen in der klinischen Praxis werden.
Weitere wichtige Themen, über die wir uns Gedanken machen sollten, sind Hitzeschutzkonzepte, wie etwa klimatisierte Innenräume in Krankenhäusern, sowie die korrekte Medikamentenlagerung bei Hitze (z.B. Raumtemperaturen über 32°C).
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Abfallvermeidung, auf die im Positionspapier ebenfalls hingewiesen wird. Hier sollte das Bewusstsein jedenfalls gestärkt werden, aber solange es keinen klaren Recycling-Plan gibt, sehe ich den Einsatz von wiederverwendbaren Systemen, wie etwa wiederverwendbaren Bronchoskopen, kritisch.
Im Sinne von „umweltfreundlichen Arzneimitteln“ gilt es auch an einem umweltgerechten Antibiotika-Management zu arbeiten. Dies gelingt am besten durch das Umsetzen einer leitliniengerechten Antibiotikatherapie, wodurch eine Über-, Viel- oder Untertherapie tendenziell vermieden werden kann.
Die Implementierung eines Antibiotic Stewardship (ABS), wie es bei uns im Ordensklinikum Elisabethinen Linz praktiziert wird, ist wichtig und wertvoll im Hinblick auf die Übertherapie und die damit assoziierte Störung der Biodiversität.
Fazit:
Die ÖGP sieht das Positionspapier der DGP als wichtigen Beitrag an. Ob es für Österreich ein Pendant geben wird, ist derzeit noch Gegenstand interner Diskussionen.
*) Thien F et al., Lancet Planet Health 2018; 2(6):e255-e263
- Romanello M et al. The 2024 report of the Lancet Countdown on health and climate change: the imperative for a health-centred response. Lancet 2024; 404:1847–96. doi:10.1016/S0140-6736(24)01859-6
- Andersen ZJ et al. Climate change and respiratory disease: clinical guidance for healthcare professionals. Breathe (Sheff) 2023; 19:220222. doi:10.1183/20734735.0222-2022</a>&amp;amp;amp;amp;amp;amp;amp;amp;amp;lt;/a>
- &amp;lt;a href="https://journal.chestnet.org/article/S0012-3692(23)00505-6/pdf" target="_blank" rel="noopener">Balakrishnan B et al. Climate Change for the Pulmonologist A Focused Review. Chest 2023; 164:963–74. doi:10.1016/j.chest.2023.05.021