Morbus Gaucher: Auffällig großer Bauch, blaue Flecken und Müdigkeit
Morbus Gaucher ist eine autosomal vererbbare Stoffwechselerkrankung. Eine Mutation des Glukozerebrosidase-Gens verursacht einen Mangel des Enzyms Beta-Glukozerebrosidase, aufgrund dessen sich Stoffwechselprodukte, die Glukozerebroside, in der Leber, der Milz, dem Knochenmark, aber auch anderen Organen anlagern.

Morbus Gaucher wird meistens im Kindesalter diagnostiziert, wie bei Julia, die nach langem Diagnosemarathon im Alter von sechs Jahren endlich therapiert werden konnte. Je nach Restaktivität ist aber die Diagnose auch erst im Erwachsenenalter möglich. Eine exakte Diagnose ist über einen Bluttest einfach zu stellen.
Andrea Kavallar, Julias Mutter und Obfrau der Österreichischen Gesellschaft für Gaucher-Erkrankungen, erzählt vom langen Weg ihrer Tochter zur richtigen Diagnose. Nach einer unkomplizierten Schwangerschaft ist Julia als drittes Kind der Familie Kavallar auf die Welt gekommen.
Morbus Gaucher: Diagnose-Marathon
Erste Anzeichen, die im Alter von etwa zweieinhalb Jahren auftraten, wie häufige Infekte und die nicht altersentsprechende Körpergröße, wurden vom Kinderarzt nicht weiter hinterfragt. Durch die damals geltenden Covid-Maßnahmen fehlte der Vergleich zu anderen Kindern und auch Arzttermine waren schwer zu bekommen.
Im Laufe der Zeit verdichteten sich die Symptome, Julias Bauch wurde immer größer, das Mädchen fühlte sich abgeschlagen, war oft müde, hatte viele blaue Flecken und dunkle Ringe unter den Augen.
Ende 2020, Julia war zu dem Zeitpunkt bereits ein Schulkind, ist es den Eltern endlich gelungen, bei einer befreundeten Ärztin eine Blutuntersuchung zu veranlassen und dabei wurden erstmals starke Abweichungen der Blutwerte auffällig.
An Bluttest denken
„Allgemeine Symptome helfen oft nicht weiter“, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Stulnig, Vorstand der 3. Medizinischen Abteilung – Innere Medizin mit Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie in der Klinik Hietzing, „aber einem geschulten Auge hätte der große Bauch und die kleine Körpergröße durchaus auffallen können.“

Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Stulnig
Die Infektanfälligkeit, die kleine Körpergröße, der große Bauch, verursacht durch eine vergrößerte Milz und Leber, sowie Knochenschmerzen und die Neigung zu blauen Flecken sind deutliche Hinweise, die gerade bei Kindern aufhorchen lassen sollten.
Schwieriger ist es bei Erwachsenen, da diese allgemeinen Symptome wie die vergrößerte Leber oder Milz viele andere Ursachen haben können. Morbus Gaucher ist über einen Bluttest gut diagnostizierbar, es muss „nur“ daran gedacht werden.
Bluttest mit Folgen
Aufgrund ihrer auffälligen Testergebnisse wurde Julia schließlich ins St. Anna Kinderspital überwiesen, wo die Suche nach der Ursache für die stark vergrößerte Milz, der vergrößerten Leber und den stark abweichenden Blutwerten weiterging.
Als zunächst Leukämie ausgeschlossen werden konnte, wurde nach weiteren Untersuchungen und einer Knochenmarksbiopsie letztendlich Morbus Gaucher diagnostiziert.
Deutliche Verbesserung der Symptome bei entsprechender Therapie
Nach nun fast drei Jahren Therapie ist Julia gewachsen, die Milz hat wieder eine normale Größe und ihre Schmerzen in den Beinen lassen nach.
Stulnig erklärt, dass über die Gabe der fehlenden Enzyme ein Catch-up growth stattfindet. Julia bekommt ihre Enzymtherapie als Infusion alle zwei Wochen zuhause. Diese werden auf die Schwere der Symptome und das Körpergewicht individuell abgestimmt.
Im Rahmen einer Gesundenuntersuchung wird in der Stoffwechselambulanz der Kinderklinik im Wiener AKH jährlich eine Kontrolle durchgeführt.
Unterschiedliche Restaktivität erklärt spätere Diagnose
Aufgrund des Mangels an Glukozerebrosidase sammeln sich ungespaltene Stoffwechselprodukte in verschiedenen Organen. Eine Restaktivität ist aber in den allermeisten Fällen vorhanden. Typischerweise liegt diese bei etwa 20 Prozent.
Wann sich Symptome zeigen, hängt von dieser Restaktivität ab. Je größer sie ist, desto später werden Symptome sicht- und spürbar, die Diagnose verschiebt sich ins Erwachsenenalter, erklärt Stulnig.
Etwa zwei Drittel werden im Kindes- und Jugendalter alter diagnostiziert, die Diagnose ist im Erwachsenenalter schwieriger, da für die Symptomatik deutlich mehr andere Gründe vorliegen können.
Eine Ultraschall-Untersuchung, ein MRT auf Knochenveränderungen und jedenfalls ein Morbus-Gaucher-Bluttest bringen Klarheit.
Stulnig vermutet hohe Dunkelziffer
Zurzeit gibt es in Österreich etwa 35 Patientinnen und Patienten mit Morbus Gaucher. Die weltweite Inzidenz liegt bei einem Fall pro 70.000 Menschen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass auch in Österreich ungefähr 100 bis 120 Menschen betroffen sein könnten. Es gibt also offensichtlich eine hohe Dunkelziffer.
Um irreversible Schäden zu vermeiden und eine normale Entwicklung sowie ein normales Leben zu ermöglichen, ist eine frühzeitige Diagnose und Therapieintervention wichtig. Es stehen unterschiedliche Therapiemöglichkeiten bereits jetzt zur Verfügung. Einige vielversprechende Optionen sind zu erwarten, sodass individuell die geeignetste Therapie gefunden werden kann.
Österreichweite Expertisezentren und die internationale Vernetzung ermöglichen den Experten und Expertinnen engen Austausch und Wissenstransfer und damit eine gute und individuelle Versorgung für jede Patientin und jeden Patienten mit Morbus Gaucher. „Man muss halt ,nur' dran denken“, wie Professor Stulnig abschließend betont.
An Morbus Gaucher denken bei ...
- Abgeschlagenheit/Müdigkeit
- Infektanfälligkeit
- Kleinwuchs (bei Manifestation im Kleinkindesalter)
- Unspezifische Symptome
- Nasenbluten, blaue Flecken
- Großer Bauch (aufgrund vergrößerter Milz/Leber)
- Schmerzen in den Knochen, auch anfallsartig sehr starke Schmerzen (Gaucher-Krise)
- Auffälliges Blutbild: besonders erniedrigte Thrombozytenzahlen, Blutarmut (Anämie), („fälschlich“) erhöhtes Ferritin (Eisenspeicherprotein)