Paare mit Kinderwunsch: Belastende Behandlungen erleichtern
Die Fortschritte in der Reproduktionsmedizin bieten Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch viele Chancen. Doch Fruchtbarkeitsbehandlungen belasten oft körperlich und seelisch. Wie kann man diese Belastungen mindern?

Der lange Weg zum Wunschkind
Nach Jahren des unerfüllten Kinderwunsches erfuhr Barbara H., dass bei ihr eine Tubenfaktor-Infertilität vorliegt. Beide Eileiter waren vermutlich infolge einer früheren Beckenentzündung blockiert. Sie und ihr Mann Martin entschieden sich für eine In-Vitro-Fertilisation (IVF). Nach vier erfolglosen Versuchen, bei denen sich die Embryonen nicht einnisteten, kam 2020 ihr ersehnter Sohn Tim zur Welt.
Für die junge Mutter war dies ein Glücksmoment, trotz der psychischen Herausforderungen während der Behandlung: "Besonders belastend war die Wartezeit nach dem Embryotransfer. Du bekommst einen Embryo eingesetzt, aber hast keine Kontrolle darüber, ob er bleibt oder nicht. Und noch dazu sagt dir jeder, du sollst dich entspannen – aber das ist unmöglich."
Psychologische Unterstützung als wichtiger Faktor
Ein Rat der Klinikpsychologin half ihr: "Freude ist wie der Mantel des Lebens – du solltest dich freuen, auch wenn du nicht weißt, ob es klappt. Denn die Trauer ist dann so oder so da, aber die Freude kann dir vorher niemand nehmen."
Prof. Dr. Brigitte Leeners, Direktorin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich, betont die Bedeutung umfassender Betreuung: "Unsere gesamte Abteilung ist sehr ganzheitsmedizinisch geprägt. Wir begleiten Frauen nicht nur medizinisch, sondern auch psychologisch engmaschig durch den Prozess."

Prof. Dr. Brigitte Leeners, Direktorin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich, und ihr Team erforschen, welche Herausforderungen Paare mit unerfülltem Kinderwunsch besonders belasten.
Ein fester Bestandteil ihres Teams ist ein Psychologe, der sowohl Männer als auch Frauen über die gesamte Kinderwunsch-Reise unterstützt.
Die emotionale Belastung der Männer
Bei Behandlungen der Reproduktionsmedizin liegt der Fokus oft auf Frauen, doch auch Männer leiden emotional. Prof. Leeners erklärt: "Da der größte Teil der Behandlung auf Seiten der Frau liegt, fühlen sich Männer oft hilflos."
Diese Hilflosigkeit ist besonders groß, wenn die Ursache der Unfruchtbarkeit beim Mann liegt, die Frau aber die Hauptlast trägt. Eine einfühlsame Betreuung beider Partner ist essenziell, um die psychische Belastung für Männer zu reduzieren.
Die Beratung zielt darauf ab, dass Paare bewusst und informiert Entscheidungen treffen, sagt die Expertin: "Wir müssen sicherstellen, dass sich die Paare für diesen Weg bewusst entscheiden und ihn nicht als unausweichlich ansehen." Dabei werden individuelle Bedürfnisse berücksichtigt, um Patienten medizinisch und emotional optimal zu unterstützen.
Hormonbehandlungen: Eine besondere Herausforderung
Viele Frauen empfinden die Hormonbehandlungen im Rahmen der Kinderwunsch-Behandlung als besondere Herausforderung. Prof. Leeners erklärt, dass es zwei Phasen gibt:
In der zehn- bis 30-tägigen Vorbereitung mit Gestagenen können bei sensiblen Patientinnen Stimmungsschwankungen auftreten.
Die anschließende Stimulationsbehandlung dauert neun bis 13 Tage. In dieser Zeit werden täglich Gonadotropine injiziert, um das Wachstum der Follikel zu stimulieren. Diese Botenstoffe haben meist keine Nebenwirkungen, allenfalls spüren Frauen ein leichtes Druckgefühl durch die vergrößerten Eierstöcke, so Prof. Leeners.
Barbara H. erlitt ein ovarielles Hyperstimulationssyndrom (OHSS), verstärkt durch ihr Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS): "Ich musste gleich zweimal pro Woche in die Klinik, und bekam dort zwar die niedrigstmögliche Hormondosis, aber mein Körper reagierte extrem darauf. Nachts hatte ich Atemnot und bekam eine Notfallnummer an die Hand."
In-vitro-Maturation (IVM)
Ein Ansatz zur Reduktion der hormonellen Belastung bei Kinderwunsch ist die In-vitro-Maturation (IVM), die mit weniger oder ohne hormonelle Stimulation auskommt. Unreife Eizellen werden entnommen und außerhalb des Körpers zur Reife gebracht. Studien zeigen, dass IVM besonders für Patientinnen mit Risiko für OHSS, wie bei PCOS, eine Möglichkeit sein könnte.
Obwohl das erste IVM-Kind 1991 geboren wurde, ist die Methode noch nicht weit verbreitet, so die Expertin. "Die Schwangerschaftsraten sind derzeit noch nicht so überzeugend, dass man die Methode flächendeckend einsetzen würde."
Die Expertin verweist auf das Antagonistenprotokoll für PCOS-Patientinnen: "Mit diesem Behandlungsansatz können wir Frauen mit PCOS weitestgehend vor einer Überstimulation schützen. Wir haben hier die Möglichkeit, für die letzte Reifungsspritze Medikamente einzusetzen, die das Risiko für ein Überstimulationssyndrom deutlich oder sogar komplett reduzieren. Das verbessert die Sicherheit der Behandlung erheblich."
Bessere Planung zur Stressreduktion
Zusätzlich arbeitet das Team von Prof. Leeners stetig daran, die Belastung der Paare mit unerfülltem Kinderwunsch zu reduzieren. In einer Studie am eigenen Institut befragte sie Paare zu ihren Bedürfnissen während der Kinderwunschbehandlung.
Die Ergebnisse zeigten, dass sich Paare vor allem eine bessere Planung der Behandlungen, eine individuellere Behandlung und eine Verkürzung der Wartezeit wünschen.
Wie Barbara H. empfinden viele die Ungewissheit als das Schwierigste. "Klare Zeitpläne und realistische Erwartungen können den psychischen Stress erheblich reduzieren", erklärt Prof. Leeners. "Wir verbessern kontinuierlich die Struktur der Kinderwunschbehandlung, indem wir die Terminvergabe optimieren, damit Patientinnen etwa eine feste Bezugsperson haben und weniger Unsicherheit erleben."