17. Dez. 2024European Headache Congress

EHC: Aura-Ikonographie zum Download im Internet

Aura ist ein häufiges Phänomen im Zusammenhang mit Migräne-Attacken. Eine standardisierte Katalogisierung und Phänotypisierung findet allerdings erst seit wenigen Jahren statt. Mittlerweile sind beispielsweise Sammlungen möglicher optischer Symptome verfügbar, die im klinischen Alltag die Diagnose vereinfachen können.

Migräneaura – Porträt einer jungen Frau, die an Kopfschmerzen, Epilepsie oder anderen Problemen leidet
Tunatura/AdobeStock

Migräne tritt bei 15–25 Prozent der Betroffenen mit Aura auf. Allerdings gibt es bislang keine standardisierte Definition des Phänomens Aura, wie Dr. Michele Viana von der Headache Group des Londoner King's College ausführt (1).

Diese würde allerdings sowohl für die klinische Praxis als auch für die Forschung benötigt. Die Migräne-Aura bestehe aus drei grundlegenden Clustern von Symptomen, die sich allerdings in einer Vielzahl unterschiedlicher Phänotypen und Kombinationen in unterschiedlichen zeitlichen Abläufen präsentieren können, so Viana.

Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass 98 Prozent der Betroffenen visuelle Symptome angaben, bei 32 Prozent kamen sensorische Symptome hinzu und 11 Prozent gaben eine transiente Dysphasie an. In mehr als der Hälfte der Fälle sind es nur visuelle Symptome, das Auftreten von sensorischen Symptomen und Dysphasie ohne visuelle Komponente ist möglich, jedoch selten.1

Aura beginnt häufig mit optischen Symptomen

Eine Studie anhand von Patiententagebüchern ergab, dass die Symptome einer Aura in unterschiedlichen zeitlichen Abfolgen auftreten können, wobei mehrheitlich die visuellen Symptome am Anfang stehen, fallweise gefolgt von sensorischen Symptomen und Dysphagie. Andere Abfolgen sind möglich, aber deutlich seltener. Die Symptome können dabei in direkter Abfolge, mit Pause dazwischen oder auch gleichzeitig auftreten.2

Die Symptome zeigen dabei eine typische zeitlichen Entwicklung. Die visuellen Sensationen wandern langsam durch das Gesichtsfeld und auch sensorische Symptome bewegen sich langsam, üblicherweise von der Peripherie weiter in Richtung Rumpf. Laut ICHD-3-Definition darf kein Symptom länger dauern als eine Stunde. Dies entspreche jedoch nicht der aktuellen Evidenz, führt Viana aus. In der zuvor genannten Tagebuchstudie gaben 15 Prozent der Teilnehmenden eine Symptomdauer von mehr als einer Stunde an, bei 5 Prozent waren es sogar mehr als vier Stunden. Die Daten zeigen auch, dass verlängerte Auren nicht selten sind. Zumindest gelegentlich verlängerte Auren von mehr als einer Stunde Dauer gaben 26 Prozent der Befragten an. Im Median dauert eine Aura 30 Minuten.

Symptome können nicht nur nach Typen eingeteilt, sondern auch genauer differenziert werden. Beispielsweise kommen sensorische Symptome als Positivsymptome (Parästhesien), Negativsymptome (Anästhesien, Hypästhesien) oder als gemischte Symptomatik vor. Positivsymptomatik ist dabei am häufigsten, reine Negativsymptomatik tritt nur in rund 10 Prozent der Fälle auf. Die häufigsten Lokalisationen sind Gesicht, Mund und Hand, aber auch andere Körperregionen können betroffen sein. Sprachstörungen äußern sich mehrheitlich (75%) in Paraphasien, fallweise jedoch auch in kompletter Aphasie oder Verständnisschwierigkeiten.

Katalogisierung elementarer visueller Symptome

Die größte Variabilität zeigen die visuellen Symptome. Es gibt Berichte über Hunderte unterschiedliche Phänotypen, so Viana, die sich auf elementare visuelle Symptome (EVS) zurückführen lassen. Unterschiedliche EVS können kombiniert auftreten. Eine Kollektion von EVS wurde vor wenigen Jahren, basierend auf einem systematischen Review, publiziert.3

Eine Liste sei jedoch für den klinischen Gebrauch unbefriedigend, erläutert Viana, da es den Patientinnen und Patienten oft schwerfällt, ihre Auren zu beschreiben. Auf Basis einer multizentrischen Studie mit mehr als 200 Teilnehmenden wurde eine standardisierte „Aura-Ikonographie“, also ein Bildkatalog von EVS erstellt. Als häufigste EVS wurden helles Licht, verschwommene Sicht, kleine helle Punkte, einzelnes Skotom, multiple Skotome und Zickzack-Linien identifiziert. Die Studie beschreibt auch ein bisher nicht bekanntes EVS, nämlich das „Vorhang-Phänomen“, eine beidseitige, symmetrische Einschränkung des Gesichtsfelds von rechts und von links.4 Die resultierenden Bildtafeln können von der Website der International Headache Society kostenlos heruntergeladen werden.5

Viana weist allerdings auch darauf hin, dass das Phänomen Aura über die beschriebenen visuellen und sensorischen Phänomene hinausgehen kann. Beschrieben wurden unter anderem Gedächtnisprobleme, visuelle Agnosie und Dyspraxie.6 Hier bestehe allerdings das Problem der fehlenden Systematisierung aufgrund einer sehr eingeschränkten Datenlage, erläutert Viana.

Quelle: EHC 2024, Invited Lecture „Deep phenotyping of the migraine aura: towards standardisation in research and routine clinical practice“ von Dr. Michele Viana; Rotterdam, 4.12.2024