Migräne mit Aura oder Aura mit Migräne?
Bei rund 20–30% der Menschen mit Migräne geht dem Kopfschmerz eine sogenannte Aura voraus. Diese ist die Folge einer kortikalen Streudepolarisation, die sich wie eine Welle durch das Gehirn bewegt und unter anderem zu transienter Ischämie führen kann. Damit ist die Aura auch ein wichtiges Bindeglied zwischen der Migräne und dem bei Migräne-Betroffenen erhöhten Schlaganfallrisiko.
Unter den 5 führenden Ursachen für Lebensjahre mit Behinderung steht die Migräne auf Platz 2. Werden diese Ursachen nach Prävalenz gelistet, kommt Migräne auf Platz 6. Rund 20–30% der Menschen mit Migräne erleben in Zusammenhang mit ihren Attacken transiente fokale kortikale Symptome, genannt Aura.1 Häufige Manifestation sind Sehstörungen im Sinne von Flimmerskotomen, Fortifikationen (Figuren mit „tanzenden“ Zickzack-Linien im Gesichtsfeld), Verlust des räumlichen Sehens oder Unschärfe bis hin zu einem halbseitigen Visusverlust. Neben diesen visuellen kommen auch sensorische Manifestationen mit gestörter Sensibilität, beispielsweise rund um den Mund, sowie Sprachstörungen vor. Diese Symptome dauern maximal eine Stunde an. In sehr seltenen Fällen erreicht die CSD auch den Motor-Cortex, was zum Phänomen der hemiplegischen Migräne führt.
Eine Welle der Depolarisation und des Elektrolyt-Chaos
Die subjektiv wahrgenommene Aura hat ihre elektrophysiologische Ursache in einer sogenannten kortikalen Streudepolarisation (Cortical Spreading Depression, CSD), die u. a. mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) oder mittels eines Elektrokortikogramms (ECoG) registriert werden kann. „Die kortikale Streudepolarisation ist eine Welle anhaltender Depolarisierung, also neuronaler Inaktivierung, die sich durch gesundes Gehirngewebe bewegt und mit Ischämie, Migräneaura und Anfällen assoziiert ist. Die Welle schreitet mit rund 3mm pro Minute voran, die Depression hält rund 3 Minuten an. Auf die CSD folgt eine Refraktärperiode von rund einer Minute Dauer. Im Verlauf einer CSD kann es lokal zu abnormaler Gehirnaktivität kommen“, erläutert Prof. Dr. Dimos-Dimitrios Mitsikostas vom Aeginition Krankenhaus der Universität Athen.
- GBD 2016 Disease and Injury Incidence and Prevalence Collaborators. 2017 Sep 16; 390(10100):1211–1259.
- Pietrobon D, Moskowitz MA. Nat Rev Neurosci. 2014 Jun; 15(6):379–93.
- Ayata C et al. Ann Neurol. 2006 Apr; 59(4):652–61.
- Melo-Carrillo A et al. 2021 Sep 1; 162(9):2418–2427.
- Chalmer MA et al. Eur J Neurol. 2023 Jun; 30(6):1774–1784.
- Cao W et al. Brain Sci. 2022 Jul 18; 12(7):941.