So beruhigt man die überaktive Blase
Frauen mit überaktiver Blase suchen oft erst spät ärztliche Hilfe. Viele meinen, die Symptomatik gehöre schlicht zum Alter dazu. Dabei ist eine rasche therapeutische Hilfe möglich.
Charakteristisch für die hyperaktive Blase ist das Zusammentreffen von plötzlichem Harndrang mit erhöhter Miktionsfrequenz, Nykturie sowie eventuell Dranginkontinenz. Für eine sichere Diagnose müssen aber zunächst andere Ursachen ausgeschlossen werden, schreibt ein Autorenteam um Daniel Beder vom Royal Free Hospital London. So führt auch eine Herzinsuffizienz häufig zu nächtlichen Entleerungen. Dysurie, Hämaturie und suprapubische Schmerzen zählen nicht zu den typischen Zeichen einer Reizblase. Ihr Auftreten spricht eher für eine Harnwegs- oder Genitalinfektion bzw. interstitielle Zystitis.
Nach blasenschädigenden Lebensstilfaktoren fragen
Eine relativ kurze Anamnese (Wochen bis Monate) passt besser zu einem Blasenkarzinom, das sich im symptomatischen Stadium in der Regel auch mit einer Hämaturie bemerkbar macht. Eine vermehrte Restharnbildung (Ultraschall) kann ebenfalls Symptome einer vesikalen Hyperaktivität auslösen. Gleiches gilt für gynäkologische Erkrankungen (Myom, Prolaps) und neurologische Schäden (Schlaganfall, Morbus Parkinson etc.).
Ausserdem sind potenziell blasenschädigende Lebensstilfaktoren zu eruieren. So sorgt ein erhöhtes Trinkvolumen für eine Polyurie und eine zu geringe Zufuhr reizt die vesikale Schleimhaut. In Zweifelsfällen erleichtert ein dreitägiges Trink- und Miktionsprotokoll die Einordnung. Bei der körperlichen Untersuchung kann eine palpable Blase auf eine Obstruktion hinweisen (Tumor, Cauda-Syndrom etc.), die umgehend abgeklärt werden muss.
Ein gewisser therapeutischer Effekt lässt sich eventuell schon mit Lebensstilveränderungen erreichen wie einer optimierten Flüssigkeitszufuhr (2–2,5 l/d) und dem Verzicht auf blasenreizende kohlensäure- oder koffeinhaltige Getränke. Adipösen Frauen kann eine Gewichtsreduktion helfen.
Drangsymptome um 5–15 Minuten aufschieben
Eine zentrale Bedeutung für den Therapieerfolg hat das Blasentraining. In den ersten Wochen soll die Patientin die Miktion bei Drangsymptomen um 5–15 Minuten aufschieben. Wenn dies gelingt, wird diese Zeitspanne in entsprechenden Schritten verlängert, bis die Entleerung zweieinhalb Stunden hinausgezögert werden kann. Auch Beckenbodenübungen empfehlen die Kollegen – entweder unter Anleitung eines Trainers oder mithilfe einer App.
Bei vielen Frauen lässt sich bereits mit diesen Massnahmen eine wesentliche Besserung erreichen. Falls dies innerhalb von sechs Wochen nicht gelingt, ist eine medikamentöse Therapie zu erwägen. Bei einer vaginalen Atrophie in der Postmenopause genügt eventuell schon die Applikation eines topischen Östrogens. Zur systemischen Therapie eignen sich Parasympatholytika wie Oxybutynin und Tolterodin. Allerdings ist deren Anwendung mit störenden Begleiteffekten wie Mundtrockenheit, Obstipation, Sehstörungen, Harnretention und eventuell kognitiver Beeinträchtigung verbunden. Selektive Anticholinergika wie Solifenacin und Darifenacin sind besser verträglich.
Eine weitere Option bietet der Beta-3-Adrenozeptoragonist Mirabegron. Er kontrolliert die Symptome ebenso effektiv wie die Parasympatholytika, führt aber seltener zu einer Xerostomie. Die Anwendung kommt auch für Patientinnen mit Kontraindikationen für Anticholinergika (Engwinkelglaukom etc.) in Betracht. Frauen, die bereits andere Medikamente mit anticholinerger Wirkung (z.B. trizyklische Antidepressiva) einnehmen, und sturzgefährdete Menschen profitieren ebenfalls davon. Bei unzureichendem Ansprechen auf eine Monotherapie können Mirabegron und Solifenacin kombiniert werden, ohne vermehrte Nebenwirkungen zu riskieren. Allerdings sollte die Patientin wissen, dass eine optimale Besserung eventuell erst nach vier Wochen eintritt.