WHO warnt vor schnellen Lockerungen; Risiko für Lungenveränderungen bei Männern über 60
+++ WHO warnt vor schnellen Lockerungen: Pandemie nicht vorbei – Risiko für Lungenveränderungen bei Männern über 60 – Vierte Impfung nur für Risikogruppen empfohlen – IHS-Forscher für Langzeitstrategie zur Covid-19-Immunisierung – Experten kritisieren schlechte Datenlage zu Long-Covid – In Österreich bisher 300.000 Impfdosen abgelaufen +++
WHO warnt vor schnellen Lockerungen: Pandemie nicht vorbei
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ruft Länder nach dem Lockern von Corona-Schutzmaßnahmen dazu auf, weiterhin rigoros Menschen auf das Virus zu testen. "Die Pandemie ist sicherlich noch nicht vorbei", sagte Kate O'Brien, Direktorin der WHO-Abteilung für Impfungen, am Montag, 11.4., in Genf. Es könnten sich weiterhin neue Virusvarianten entwickeln. Lockerungen führten zu neuen Infektionswellen, sagte O'Brien.
Das sei nicht immer gleich deutlich, weil in vielen Ländern inzwischen deutlich weniger getestet werde. Sie rief Regierungen dazu auf, die Schutzmaßnahmen vorsichtig zu lockern und dabei zu überwachen, wie sich die Todeszahlen entwickeln. In 20 Ländern weltweit sind weniger als zehn Prozent der Einwohner gegen das Coronavirus geimpft. Die meisten davon lägen in Afrika, sagte O'Brien nach einem Treffen des unabhängigen Expertenrats, der die WHO in Impffragen berät. Das liege nicht mehr am knappen Angebot von Impfstoffen. Die Länder arbeiteten daran, ihre Impfprogramme auszuweiten. Im Jänner hatten noch 34 Länder weniger als zehn Prozent der Einwohner geimpft.
Der Rat befasst sich derzeit auch mit der Frage, wie groß der Nutzen einer zweiten Booster-Impfung gegen das Coronavirus ist. Die Daten reichten noch nicht aus, um eine Empfehlung abzugeben, teilte er mit. Die Länder sollten sich in erster Linie darauf konzentrieren, möglichst vielen Menschen eine Corona-Grundimpfung zu geben, bevor sie eine allgemeine Ausweitung von Boosterprogrammen ins Auge fassen. (APA/dpa)
Risiko für Lungenveränderungen bei Männern über 60
Über 60-jährige Männer mit kritischem Corona-Verlauf inklusive Beatmung – diese Personengruppe trägt das größte Risiko, auch ein Jahr nach der Erkrankung noch Lungenveränderungen im Zuge von Computertomographie-Untersuchungen (CT) zu zeigen. Zu diesem Schluss kommt eine Folgestudie von Radiologen der Medizinischen Universität Innsbruck, die im Fachjournal "Radiology" veröffentlicht wurde (https://doi.org/10.1148/radiol.211670).
Insgesamt wurden laut Med Uni vier CT-Verlaufskontrollen der Lunge durchgeführt, von anfangs 142 Probanden konnten nach einem Jahr noch 91 Teilnehmer in die Studie eingeschlossen werden. Bei mehr als der Hälfte der Teilnehmer waren auch noch ein Jahr nach Krankenhausentlassung subtile Veränderungen im CT nachweisbar. "Auch wenn eine Mehrheit dieses Anteils zumindest schwer erkrankt war, sind wir von diesem Ergebnis doch ein wenig überrascht", erklärte Radiologin und Erstautorin Anna Luger die Ergebnisse der Studie, die im Rahmen der Langzeitstudie "CovILD" durchgeführt worden war.
Es lasse sich noch nicht abschätzen, wie sich die festgestellten strukturellen Lungenveränderungen zeitlich weiter verhalten. Drei Szenarien sind laut Gerlig Widmann, Leiter der Radiologie in der interdisziplinären Studiengruppe, jedoch vorstellbar: "Die Veränderungen bilden sich langsam vollständig zurück, die Veränderungen halten an und es entwickeln sich stabile Vernarbungen, oder das Lungengewebe wird zunehmend fibrotisch (Bindegewebsvermehrung) und es kommt begleitend zu kontinuierlich zunehmenden klinischen Symptomen." Man werde den Verlauf jedenfalls weiter wissenschaftlich begleiten.
Aus Langzeitstudien zur SARS-Pandemie im Jahr 2003 mit SARS-CoV-1 sei bekannt, dass im CT auch noch 15 Jahre nach Erkrankung Veränderungen des Lungengewebes festzustellen sind. Angesichts der gesundheitspolitischen Relevanz einer Post-Covid-Erkrankung würden die Daten aus Innsbruck zeigen, dass eine langfristige klinische und radiologische Nachsorge von Patienten mit anhaltenden Lungenveränderungen im CT notwendig ist, um mehr über den klinischen Verlauf und potenzielle Folgeerscheinungen herauszufinden, betonten die Wissenschafter. Die Studie enthalte jedenfalls die erste systematisch wissenschaftlich untersuchte Covid-19-Kohorte in Österreich. (APA)
Vierte Impfung nur für Risikogruppen empfohlen
Das Nationale Impfgremium (NIG) empfiehlt in einer neuen Einschätzung die vierte Impfung nur für Risikogruppen. Dies gilt für Über-80-Jährige allgemein sowie für Über-65-jährige mit Vorerkrankungen. Sie sollen frühestens vier Monate, idealerweise ein halbes Jahr nach dem dritten Stich noch einmal immunisiert werden, geht aus dem der APA vorliegenden Papier des Gremiums vor. Allen anderen sollte eine Impfung jedoch auch nicht verwehrt werden.
Die Empfehlungen sind insofern von Bedeutung, als sie zwar nicht verbindlich sind, aber von der Politik im Regelfall übernommen werden. Dadurch, dass eine vierte Impfung für Personen unter 65 explizit nicht empfohlen wird, ist wohl auch die Basis dafür gelegt, dass der Gesundheitsminister die Gültigkeit des Grünen Pass jedenfalls auf ein Jahr verlängern wird. Zehntausende dieser Dokumente wären in den kommenden Monaten ausgelaufen.
Das NIG stellt fest, dass gemäß ersten Daten bei immunkompetenten Personen eine vierte Impfung nur vorübergehend und kurzfristig zu einer verbesserten Schutzwirkung gegen eine SARS-CoV-2 Infektion bzw. eine COVID-19-Erkrankung führt.
Auf persönlichen Wunsch kann jedoch eine dritte Auffrischungsimpfung nach Einschätzung des Gremiums frühestens ab vier Monaten, besser aber erst ab sechs Monaten nach der Grundimmunisierung, also der dritten Impfung verabreicht werden. Personen mit einem entsprechenden Impfwunsch sollte eine Immunisierung "nicht vorenthalten werden". Eine allgemeine Empfehlung für eine vierte Impfung sei nach aktuellem Wissensstand erst vor den voraussichtlich nächsten Infektionswellen im Spätsommer/Herbst 2022 zu erwarten.
Einen Spezialfall stellen immunsupprimierte zw. immunschwache Personen da, bei denen z.B. in Folge einer Chemotherapie oder einer Transplantation die Impfung nicht ausreichenden Schutz entfaltet. Sie sollten laut NIG altersunabhängig entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse versorgt werden. Der Einsatz von monoklonalen Antikörpern als Prophylaxe könne hier erwogen werden.
Das NIG orientiert sich mit ihren Empfehlungen auch an europäischen Gremien. Die Europäische Arzneimittelbehörde und die EU-Gesundheitsbehörde ECDC hatten Mitte vergangener Woche zwar keine Empfehlung für eine vierte Impfung für alle ausgesprochen. Allerdings könnte bei Menschen ab 80 Jahren eine solche verabreicht werden.
Indes teilten die niedergelassenen Ärzte datenschutzrechtliche Bedenken der ELGA GmbH, der Betreibergesellschaft der Elektronischen Gesundheitsakte, zur Impfpflicht. Diese hält die Maßnahme für nicht durchführbar und will eine Prüfung durch die Datenschutzbehörde. Die Bedenken müssten auf jeden Fall ernst genommen werden, betonte Johannes Steinhart, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, am Dienstag, 12.4., in einer Aussendung. (APA)
IHS-Forscher für Langzeitstrategie zur Covid-19-Immunisierung
In Österreich ebbt die Omikron-Welle ob der zuletzt hohen Durchseuchungsraten und steigender Temperaturen zwar ab, der nun durch Erkrankung und Impfungen relativ hohe Anteil an immunisierten Personen geht mit der Zeit aber ebenso zurück. In einer aktuellen Zusammenfassung des Wissensstandes zu der dominanten SARS-CoV-2-Variante plädieren Siegfried Eisenberg und Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) daher für eine längerfristige Strategie zur Immunisierung.
Dass Omikron die Infektionszahlen derart anschwellen ließ, lag daran, dass es die durch Impfung oder überstandene Krankheit aufgebaute Immunabwehr deutlich besser umgehen konnte als die Delta-Variante. Vereinfacht gesagt gab es für Omikron mehr potenzielle Opfer als für Delta, "wo die Impfungen effektiver waren", halten die beiden Forscher in ihrem "Policy Brief" fest (http://go.apa.at/0w5TmrlM).
So zeigte sich bald nach den ersten Nachweisen der neuen Variante im November 2021, dass der Impfschutz nach dem zweiten Stich nur zwischen 55 und 65 Prozent betrug und rasch abnimmt: Sechs Monate nach der zweiten Dosis beträgt er laut den von Eisenberg und Czypionka komprimierten Studienergebnissen nur 10 bis 25 Prozent. Wer die dritte Dosis erhalten hat, kann mit einer höheren Schutzwirkung rechnen, die aber ebenfalls im Zeitverlauf abzunehmen scheint. Genesene und geimpfte Personen scheinen relativ gut geschützt.
Zum Glück erwiesen sich erste Berichte als richtig, dass Omikron-Infektionen im Vergleich zu anderen Varianten im Schnitt zu deutlich weniger Hospitalisierungen und Todesfällen führen. Kaum Studien liegen zu Intensivbettenbelegungen oder Todesfällen von Menschen vor, die zumindest zwei Impfungen erhalten haben. Das liege daran, dass solche Fälle kaum auftraten, meinen die Wissenschafter. So erklärt sich auch, wie Länder wie Österreich mit sehr hohen Infektionszahlen durch die vergangenen Monate kommen konnten, ohne dass die Spitäler zumindest im Intensivbereich an die Belastungsgrenzen kamen.
Aufgrund der Befunde erscheint es für Eisenberg und Czypionka angebracht, erst nach Erhalt der dritten Impfdosis von "voller Impfung" zu sprechen. Für das Gesundheitssystem bleiben Immunisierungslücken in der bekannten Risikogruppe (Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen und ältere Personen) unter Omikron-Bedingungen insgesamt das größere Problem. Allerdings dürfe man nicht vergessen, wie sich die Wahrscheinlichkeit einer Infektion auch in Risikogruppen erhöht, wenn in der jüngeren Bevölkerung das Virus in hohem Ausmaß grassiert. Daher sei es weiter problematisch, wenn auch viele geimpfte Personen infiziert werden.
Daher sollten die Länder weiter genau im Auge behalten, wie hoch die Immunitätsraten über die Zeit hinweg sind. Die gleichzeitig international und auch hierzulande deutlich reduzierten Maßnahmen zur Eindämmung, wie Maskentragen oder die 3- bzw. 2G-Regeln, machen es laut den Autoren des Berichts weiter notwendig, die Omikron-Verbreitung und das Auftreten etwaiger neuer SARS-CoV-2-Varianten genau zu beobachten.
Mit Blick auf eine nächste Welle sollte der Anteil an Menschen, die für eine Infektion empfänglich sind, weiter möglichst gering gehalten werden. Da drei erhaltene Impfdosen sich bisher als guter Schutz gegenüber neuen Varianten erwiesen haben und die aufgebaute Immunität über die Sommermonate abnehmen wird, brauche es "eine Langzeit-Impfstrategie", heißt es. Immerhin können Impfstoffe an neue Varianten angepasst werden. Nicht gesagt sei überdies, dass neue Viren-Untertypen nicht gefährlicher als die aktuell dominante Variante sein können. (APA)
Experten kritisieren schlechte Datenlage zu Long-Covid
Weil die Hausärzte ihre Diagnosen nicht in die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) eintragen müssen, und die epidemiologischen Datenbanken nicht miteinander verknüpft werden können, sind in Österreich die Folgen von Long Covid kaum abschätzbar, sagten Wiener Experten Dienstag bei einer Online-Pressekonferenz. Sie fordern zudem Erleichterungen für die Betroffenen beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt und bei der Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit.
Ein Drittel der Menschen, die mit einer Covid-19 Erkrankung auf einer Intensivstation lagen, sind laut internationalen Daten dauerhaft wegen Long-Covid arbeitsunfähig, berichtete Wolfgang Panhölzl von der Arbeiterkammer (AK) Wien. Ebenso ein Drittel der Betroffenen könne ein Jahr nach der Infektion zumindest teilweise Tätigkeiten in der Arbeit oder im Privaten nicht allein bewältigen. "In Österreich wäre es nicht möglich, solche Dinge zu eruieren, weil die entsprechenden Datenbanken nicht miteinander verknüpft sind", erklärte er: "Deshalb wiederhole ich die lange gestellte Forderung, dass man die Sozialversicherungs- und Krankenanstaltsdaten mit dem epidemiologischen Meldesystem verknüpft". Die vernetzte Datenlandschaft solle für Forschungszwecke "natürlich nach den Richtlinien des Datenschutzes" zur Verfügung stehen, meint Panhölzl.
Bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) gab es in den vergangenen zwölf Monaten 46.000 Krankenstände wegen Long-Covid, sagte der ÖGK-Obmann Andreas Huss. Bei 133 Patienten dauern sie schon länger als ein halbes Jahr, zehn Menschen wären aktuell mehr als ein Jahr aufgrund von Long-Covid im Krankenstand. Wie viele Patienten deswegen ambulant behandelt werden, sei nicht bekannt. "Die schlechte Datensituation in Österreich erschwert uns das Arbeiten", so Huss.
Im Gegensatz zu den Spitalsärzten sind die niedergelassenen Mediziner hierzulande nicht verpflichtet, Diagnosen in das elektronische Meldesystem ELGA einzutragen, so Huss: "In Deutschland müssen die niedergelassenen Ärzte Long-Covid nach dem internationalen Codierungssystem melden, in Österreich herrscht hier Aufholbedarf". Die ÖGK habe einen Fragebogen zum Long-Covid Symptom-Screening entwickelt, der derzeit österreichweit an die Patienten verteilt wird. Damit wolle man besser erfassen, wie viele Menschen betroffen sind und unter welchen Symptomen sie leiden.
Die Experten forderten auch einen "Rechtsanspruch auf Wiedereingliederungszeit", um Betroffenen nach längeren Fehlzeiten den Wiedereinstieg am Arbeitsplatz und in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Außerdem sollten Covid-19 Erkrankungen rückwirkend, unbürokratisch und unabhängig von der Sparte als Berufskrankheiten anerkannt werden, wenn die Menschen am Arbeitsplatz den Kontakt mit Erkrankten oder kontaminiertem Material nicht vermeiden konnten, sagte Panhölzl. (APA)
In Österreich bisher 300.000 Impfdosen abgelaufen
306.203 Dosen Corona-Impfstoff sind bisher in Österreich über das Verfallsdatum hinaus abgelaufen (Stand 4. April). Demgegenüber stehen mehr als 18 Millionen verimpfte Dosen, teilte das Gesundheitsministerium am Montag, 11.4., auf APA-Anfrage mit. Zudem gebe es keine Hinweise auf einen "systematischen Verwurf". In Deutschland ging das dortige Gesundheitsministerium indes davon aus, dass Vakzine aus angebrochenen Mehrdosenbehältnissen "in nicht wenigen Fällen" vernichtet werden.
"Auch in Österreich kann es aufgrund der derzeit geringeren Anzahl an Impfungen, die dezentral durchgeführt werden, vereinzelt zu Verwurf kommen", erläuterte das Gesundheitsministerium. Die impfenden Stellen seien jedoch angehalten, die Mehrdosenampullen bestmöglich zu verwenden, betonte das Ministerium. Es habe aber "Vorrang, Interessierte so rasch wie möglich zu impfen", auch wenn es nicht für alle Impfdosen in der Ampulle sichere Abnehmer gibt. Impfungen sollten nicht aufgrund logistischer Überlegungen verweigert werden.
Der Ablauf von größeren Impfstoffmengen "konnte durch Spenden an andere Staaten und eine konsequente Anwendung des 'first-in-first-out'-Prinzips im Wesentlichen verhindert werden", hieß es aus dem Büro von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Der Großteil der verfallenen Dosen habe die Vektor-Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson betroffen, nur 18.140 Dosen stammten von den mRNA-Vakzinen von Biontech/Pfizer oder Moderna.
Die abgelaufenen Dosen werden "nicht vernichtet, sondern produktgerecht verwahrt, da teilweise mit einer rückwirkenden Verlängerung der Haltbarkeit seitens der Europäischen Arzneimittelagentur zu rechnen ist", wurde betont. Österreich sei weiterhin bereit, Impfstoffe an Drittstaaten zu spenden. Jedoch zeige sich, dass der Bedarf in anderen Staaten in den vergangenen Monaten rückläufig war, während das Angebot an Spenden stieg. Dies deute auf eine aktuelle Sättigung des Marktes hin, hieß es. (APA)