Long Covid im Fokus; STIKO-Empfehlung zu Aspiration beim Impfen
+++ ÖGK fordert rasche Hilfe für Long-Covid-Betroffene – Experten: Grund für 200 Long-Covid-Symptome unbekannt – STIKO rät zu Aspiration bei Verabreichung der Covid-19-Impfung – Mückstein: Prophylaxe-Medikament Evusheld bald verfügbar – Österreich kaufte mehrere zehntausend Dosen Paxlovid – Gecko rechnet mit baldiger Impfung für Kleinkinder +++
ÖGK fordert rasche Hilfe für Long-Covid-Betroffene
Allein bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) sind schon rund 15.000 Krankenstände aufgrund von Long Covid dokumentiert. Dazu kommen Betroffene, die nicht bei der ÖGK versichert bzw. nicht berufstätig sind, und viele Patienten werden derzeit gar nicht als Long-Covid-Fälle, sondern nur mit ihren Krankheitssymptomen erfasst. Die ÖGK fordert von der Bundesregierung rasche Hilfe.
Die längsten Krankenstände dauern demnach bereits über ein Jahr. Viele der schon jetzt tausenden Betroffenen würden mangels Therapieplätzen keine adäquate Behandlung bekommen. Nötig seien kompetente Anlaufstellen, funktionierende Behandlungspfade und eine existenzsichernde finanzielle Absicherung.
ÖGK-ArbeitnehmerInnen-Obmann Andreas Huss erläuterte: "Bei Long Covid kommen viele verschiedene Symptome vor, die uns von anderen Krankheitsbildern bekannt sind, die aber jetzt durch die Pandemie gehäuft und zusammen auftreten. In der Versorgung muss diesem Umstand Rechnung getragen werden, indem integrierte Versorgungsmodelle mit multiprofessionellen Teams eingerichtet werden, an die HausärztInnen und KassenfachärztInnen verweisen können."
Werden Long-Covid-Patienten nicht rechtzeitig optimal behandelt, fallen sie möglicherweise für lange Zeit oder sogar auf Dauer aus dem Arbeitsleben. Das führe zu weiteren Folgeerkrankungen und zu existenziellen Problemen sowie für den Sozialstaat zu großen volkswirtschaftlichen Herausforderungen am Arbeitsmarkt und in der Versorgung Betroffener. Das chronische Fatigue Syndrom (ME/CFS) ist ein Beispiel, wie Menschen für lange Zeit oder gänzlich arbeitsunfähig werden.
Ziel müsse sein, Chronifizierungen der Erkrankungen unter allen Umständen zu vermeiden, appellierte Huss. Es brauche ausreichend Therapieangebote sowie ein abgestimmtes Rehabilitationsangebot, stationär und ambulant, mit einer engmaschigen Nachsorge.
Mit einem eigenen Long-Covid-Register in der elektronischen Gesundheitsakte ELGA könnten alle Betroffenen erfasst, Therapieverläufe überprüft und die Daten der Forschung zur Verfügung gestellt werden. "Um eine gute Datenbasis für die Versorgung zu schaffen, müssen wir endlich die verpflichtende Diagnosecodierung (ICPC-2) im niedergelassenen Bereich schaffen", urgierte Huss. Derzeit seien viele Long-Covid-Patienten nicht sichtbar, weil ihre Ärzte die Diagnose nicht dokumentieren. Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Anerkennung der Erkrankung und der Folgeerkrankungen als Berufskrankheiten und/oder als Arbeitsunfall. Dies müsse auf alle beruflichen Tätigkeiten angewendet werden. (APA)
Experten: Grund für 200 Long-Covid-Symptome unbekannt
Long Covid ist ein Rekordhalter, der Medizinern viele Rätsel aufgibt: Die Krankheit verursacht bis zu 200 Symptome im ganzen Körper, aber über die Ursachen des Ausbruchs ist kaum etwas bekannt, erklärten Mediziner am Dienstagabend (22.2.) bei einem Vortrag in Wien. Auch die Zahl der Betroffenen ist unklar: Schätzungen schwanken von drei bis 37 Prozent der ehemals akut an Covid-19 Erkrankten. Positiv zu vermerken sei hingegen, dass praktisch alle Patienten früher oder später genesen.
Für die Diagnose und die medizinische Behandlung der Patienten wäre es wichtig, dass es zunächst einmal eine klare Definition dieser Erkrankung gäbe, sagte Raimund Helbok von der Universitätsklinik für Neurologie der Med-Uni Innsbruck. Klar sei nur, dass es sich um eine anhaltende oder immer wiederkehrende Krankheit handelt, die den Patienten auch drei Monate nach einer überstandenen akuten SARS-CoV-2-Infektion gesundheitliche Probleme bereitet und dass es sich um einen bestimmten "Symptomenkomplex" handelt.
Die Zahl der berichteten Long-Covid-Symptome übersteigt bei weitem jene von akuten Erkrankungen, so Helbok. Es gibt derer nämlich bis zu 200. Sie betreffen sämtliche Körperfunktionen und menschliche Organe, erklärte Mariann Gyöngyösi vom wissenschaftlichen Register zu Long-Covid-Patient:innen am Wiener AKH und der MedUni Wien. Meistens treten neurologische Beschwerden auf, zweitens Atmungsprobleme und oft auch Herz-Kreislauf-Probleme sowie Autoimmunerkrankungen, sagte sie. Über 90 Prozent der Patienten klagen über Müdigkeit, viele über Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Atemnot, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufschwäche, Verdauungsprobleme, Niereninsuffizienz und rheumatische Erkrankungen.
Welche Personen nach einer akuten Erkrankung von Long Covid heimgesucht werden, sei unklar, so die Experten. Bekannt sei nur, dass das Risiko dafür mit der Schwere der Symptome in der Akutphase, der Viruslast und der Zahl der damals betroffenen Organe steigt. Weil die Covid-19-Impfung all diese Auswirkungen einer Infektion verhindern kann oder zumindest mildert, ist sie indirekt auch ein sehr wirksamer Schutz vor Long Covid, sagten sie.
Ansonsten kenne man keine Möglichkeit, Long Covid bei den Betroffenen zu verhindern. Auch die direkten Ursachen seien unbekannt. Mediziner spekulieren zum Beispiel über Langzeitfolgen des "Zytokinsturms" in der Akutphase, der eine überschießende Immunreaktion auslöst und möglicherweise Autoimmunerkrankungen begünstigt. Das Immunsystem könnte auch nach einer akuten Infektion fehlreguliert sein. Solche Thesen würden nun in der medizinischen Forschung überprüft.
Selbst die Zahl der Long Covid-Betroffenen ist nicht gut erfassbar: Daten von Patienten mit der Alpha- und Delta-Variante von SARS-CoV-2 ließen zunächst auf zehn bis 37 Prozent der Covid-19-Patienten schließen. Das wären aktuell 200.000 bis 700.000 Menschen in Österreich, rechnete Gyöngyösi vor. Andere Studien würden hingegen eher auf drei Prozent hinweisen, sagte Helbok. Außerdem könne der Omikron-Stamm mit seinem weniger heftigen Krankheitsverlauf vielleicht auch seltener Long Covid bedingen. Dies würde aber erst in Zukunft zu erkennen sein. Es seien jedenfalls so viele Menschen in Österreich betroffen, dass die Rehabilitationszentren für längere Zeit praktisch ausgebucht sind und Patienten teils erst im Herbst einen Termin bekommen, so Gyöngyösi.
Eine gute Nachricht sei, dass bisher bei allen Long Covid-Betroffenen mit der Zeit Besserung eintritt und die Symptome schwächer werden oder ganz verschwinden, sagten die Mediziner. Außerdem würde nur in Einzelfällen stationärer Aufenthalt nötig.
Wer nach einer akuten Infektion nach drei Monaten noch gesundheitliche Beschwerden hat, solle zunächst den Hausarzt aufsuchen, rieten sie. Dieser würde untersuchen, wo die Hauptlast der Probleme liegt und Betroffene bei Bedarf zu den entsprechenden Fachärzten schicken. Nur in ganz speziellen Fällen mit multiplen Symptomen müssten die Patienten kardiologische, internistische oder neurologische Ambulanzen aufsuchen, sagten sie bei dem vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) organisierten "Am Puls"-Vortrag. (APA)
STIKO rät zu Aspiration bei Verabreichung der Covid-19-Impfung
Die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland rät seit letzter Woche bei der intramuskulären Applikation eines Covid-19-Impfstoffs zur Aspiration, was bei anderen Impfungen bisher nicht empfohlen wurde. Damit sollen die Impfstoffsicherheit erhöht und schwere Nebenwirkungen vermieden werden.
In der 18. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung vom 15. Februar 2022 findet sich dazu folgender Passus: „Die Impfung ist strikt intramuskulär (i.m.) und keinesfalls intradermal, subkutan oder intravaskulär (i. v.) zu verabreichen. Im Tiermodell kam es nach direkter intravenöser Injektion eines mRNA-Impfstoffs zum Auftreten von Perimyokarditis (klinisch und histopathologisch).* Wenngleich akzidentielle intravasale Injektionen bei einer i.m.-Impfstoffapplikation nur selten auftreten, ist bei COVID-19-Impfungen eine Aspiration bei i.m.-Applikation zur weiteren Erhöhung der Impfstoffsicherheit sinnvoll.
* Li C, Chen Y, Zhao Y, Christopher Lung D, Ye Z, Song W, et al. Intravenous Injection of Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) mRNA Vaccine Can Induce Acute Myopericarditis in Mouse Model. Clin Infect Dis. 2021; 73(12): 2372-3“
Auch der Wiener Mikrobiologe Univ.-Prof. Dr. Michael Wagner hat auf Twitter auf diese neue Empfehlung hingewiesen, indem er auf einen entsprechenden Artikel im Deutschen Ärzteblatt vom 18.2. verwies (https://twitter.com/MichiWagner4/status/1495056714600693765?s=19).
In Österreich wird ohne Aspiration geimpft, es gibt (noch) keine anders lautende Empfehlung des Nationalen Impfgremiums (NIG). Doch der Kurier vom 23.2. berichtet über eine mögliche Änderung auch hierzulande: "Laut Impfexperten Herwig Kollaritsch, Mitglied des NIG, werde kommenden Freitag darüber beraten, ob die Empfehlung der STIKO auch in Österreich gelten soll." (red)
Mückstein: Prophylaxe-Medikament Evusheld bald verfügbar
Für Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können oder bei denen eine Impfung nicht wirkt, bietet sich das Prophylaxe-Medikament Evusheld als Alternative an. "Ich bin froh, dass wir nun auch dieser vulnerablen Gruppe eine Schutzmöglichkeit bieten können. Die Arzneimittel stellen eine wirksame Zusatzmaßnahme für Risikopatient:innen dar – nutzen wir sie", betonte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Mittwoch, 23.2.
Das Gesundheitsministerium hat kürzlich einen Vertrag mit AstraZeneca unterzeichnet, um künftig Evusheld als Prophylaxe von symptomatischen Covid-19 Erkrankungen zur Verfügung zu stellen. Es wird im Laufe des März in Österreich verfügbar sein. Die Antikörperkombination wurde vor allem für Hochrisikopatienten entwickelt, die entweder eine unzureichende Immunantwort auf einen Covid-19-Impfstoff aufweisen oder die nicht mit einem verfügbaren Covid-19Impfstoff geimpft werden können und somit ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. In Österreich wird es vorbeugend zum Einsatz kommen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Patienten noch nicht mit dem Virus in Kontakt gekommen sind.
Dazu gehören insbesondere Menschen mit Blutkrebs oder anderen Krebsarten unter aktiver Chemotherapie, Dialysepatienten, die immunsuppressive Medikamente nach einer Organtransplantation oder aufgrund von Krankheiten wie Multiple Sklerose und rheumatoide Arthritis einnehmen. Diese Menschen sind besonders anfällig für einen schweren Covid-19-Verlauf, konnten sich bisher aber nicht ausreichend dagegen schützen.
Evusheld kann laut Mückstein in Österreich im Rahmen eines sogenannten Compassionate Use Program bereits vor der Zulassung für Patienten mit besonders schweren chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankungen zur Verfügung gestellt werden. In den USA und weiteren Ländern wurde bereits eine Notfallzulassung für die Präexpositions-Prophylaxe von Covid-19 erteilt. Im Oktober 2021 startete die europäische Arzneimittelbehörde EMA ein laufendes Überprüfungsverfahren (Rolling Review). Sollten sich die Erwartungen und bisherigen Erkenntnisse bestätigen, ist daher bereits in wenigen Monaten mit einer Zulassung zu rechnen.
Daten aus der Phase-III-Präventionsstudie "PROVENT" zeigen eine robuste Wirksamkeit nach einer einmaligen intramuskulären Dosis (IM), so das Gesundheitsministerium. Im Vergleich zu Placebo verringerte Evusheld das Risiko, eine symptomatische Covid-19-Erkrankung zu entwickeln um 83 Prozent, einen schweren Verlauf sogar zu 100 Prozent. Durch die lange Halbwertszeit der Antikörperkombination von Tixagevimab und Cilgavimab hielt die Wirkung mindestens sechs Monate an. (APA)
Österreich kaufte mehrere zehntausend Dosen Paxlovid
Österreich erhält im März mehrere zehntausend Dosen des Covid-19-Medikaments Paxlovid. Ein entsprechender Vertrag mit dem Pharmakonzern Pfizer wurde am Freitag unterzeichnet, teilte das Gesundheitsministerium am Samstag mit. Weitere Tranchen-Lieferungen seien über das gesamte Jahr 2022 geplant. Erste Behandlungszyklen des aus zwei verschiedenen Tabletten bestehenden Kombinationspräparats würden Mitte März zur Verfügung stehen.
Paxlovid hemmt die Vermehrung des Coronavirus in den Körperzellen, erläuterte das Ministerium in einer Aussendung. Dafür muss die Therapie möglichst rasch nach bestätigter Infektion begonnen werden, jedenfalls aber innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn. Die Therapiedauer beträgt fünf Tage. Paxlovid ist zur Behandlung bei Erwachsenen zugelassen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. Entsprechend der Zulassungsstudie senkt es bei diesen Patienten das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes um 88 Prozent.
Das Arzneimittel stellt keine Alternative zur Corona-Schutzimpfung dar, warnte das Ministerium. Ob eine Behandlung im konkreten Fall notwendig ist und mit welchem Produkt die Behandlung erfolgt, werde von besonders geschulten Ärztinnen und Ärzten - je nach Bundesland auch von niedergelassenen Medizinern - entschieden. (APA)
Gecko rechnet mit baldiger Impfung für Kleinkinder
Die gesamtstaatliche Krisenkoordination Gecko rechnet in absehbarer Zeit mit einer Corona-Impfung für Kleinkinder. "Die Chancen stehen gut, dass schon bald die Zulassung der Covid-19-Schutzimpfung für Kinder unter fünf Jahre erfolgt", meinte Leiterin Katharina Reich am Samstag nach einer Sitzung des Gremiums am Freitag. "Klar ist, dass es für unsere Kleinsten sowohl ein anderes Schema als auch eine andere Dosierung braucht. Daran arbeiten nun die Expertinnen und Experten.“
Eine entsprechende Einreichung bereits abgeschlossener Studien bei der EU-Arzneimittelagentur EMA sei in Vorbereitung bzw. erfolgt, wurde nach der Gecko-Sitzung betont. Die zuständige US-Behörde FDA plane bereits eine Notfallzulassung. Das genaue Datum einer Zulassung ist noch nicht bekannt. Für Kinder unter fünf Jahren wird es sowohl eine andere Dosierung und Abfüllung als auch ein anderes Impfschema geben.
Zu Long Covid bei Kindern würden neue Daten aus einer britischen Studie im Fachblatt "The Lancet" vorliegen, "die noch dazu erfreulich sind", berichtete Reich in einer Pressemitteilung. "Long-Covid-Symptome klingen bei Kindern rasch ab und wir können dank der Impfung auch hier eine gute, vorbeugende Maßnahme treffen".
97 Prozent aller in der Studie beobachteten Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren hatten sich nach vier Wochen komplett von Covid-19 erholt. In der kleinen Gruppe von Kindern, die Symptome auch über die vier Wochen hinaus hatten (meist Geruchsverlust oder Müdigkeit), erholten sich die meisten von ihnen nach acht Wochen vollständig. In Summe werde daraus geschlossen, dass eine verlängerte Erkrankung zwar vorkommt, aber selten und jedenfalls weniger oft als bei Erwachsenen. (APA)