WHO-Warnung: Omikron nicht unterschätzen; wer die Corona-Maßnahmen am schlechtesten befolgt
+++ WHO warnt vor Verharmlosung der Omikron-Variante – Säuglinge stecken sich beim Stillen wohl nicht an – Risikobereite Junge befolgen Pandemie-Maßnahmen am schlechtesten – Infektiologe Wendtner: Vierte Impfung jetzt schon vorbereiten – Virologe Stöhr: Erst Durchseuchung, dann entspannter Sommer – Pfizer investiert in Produktion von Anti-Corona-Pille in Frankreich – Initiative "Wir Alle" ärgert sich und ruft zum Impfen auf +++
WHO warnt vor Verharmlosung der Omikron-Variante
Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, hat eindringlich vor einer Verharmlosung der Omikron-Variante des Coronavirus gewarnt. "Vertun Sie sich nicht, Omikron führt zu Krankenhauseinweisungen und Todesfällen, und selbst die weniger schweren Fälle überschwemmen die Gesundheitseinrichtungen", sagte Tedros am Dienstag, 18.1. Die Corona-Pandemie "ist noch lange nicht vorbei".
"Omikron mag im Durchschnitt weniger schwerwiegend sein, aber die Erzählung, dass es sich um eine harmlose Krankheit handelt, ist irreführend (...) und kostet mehr Leben", sagte der WHO-Chef. Wegen der starken Ausbreitung sei es außerdem wahrscheinlich, dass weitere Varianten entstehen.
Vergangene Woche hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) erklärt, die Ausbreitung der Omikron-Variante könne Covid-19 in eine endemische Krankheit verwandeln, mit der die Menschheit lernen kann, zu leben. Auch der Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset sagte, Omikron könnte "der Anfang vom Ende" der Pandemie sein.
Auch der WHO-Experte Michael Ryan warnte davor, die Gesundheitsrisiken durch Covid-19 zu unterschätzen. "Die Leute stellen Pandemie und Endemie einander gegenüber, aber endemische Malaria tötet hunderttausende Menschen, HIV ist endemisch, Gewalt in unseren Städten endemisch", sagte er bei einer Online-Veranstaltung des Weltwirtschaftsforum. "Endemisch heißt nicht gut, endemisch heißt nur, dass es für immer da ist."
"Wir werden das Virus in diesem Jahr nicht loswerden", sagte Ryan weiter. "Wir werden das Virus vielleicht nie ausrotten. Viren, die Pandemien auslösen, neigen dazu, Teil des Ökosystems zu werden." Aber der öffentliche Gesundheitsnotstand könne durch niedrige Inzidenzzahlen mit zugleich möglichst vielen Impfungen beendet werden, "damit niemand sterben muss". "Das wird das Ende der Pandemie sein", versicherte der Mediziner. (APA/AFP)
Säuglinge stecken sich beim Stillen wohl nicht an
Stillen ist wohl kein Risikofaktor für Neugeborene, so das Ergebnis einer aktuellen US-Studie (https://www.nature.com/articles/s41390-021-01902-y). Zwar ließ sich dabei genetisches Material des Coronavirus in der Brustmilch von infizierten Müttern auffinden, doch das Virus scheint nicht infektiös zu sein, wie aus einer Analyse von Muttermilchproben von 110 stillenden Frauen hervorgeht.
Von den Studienteilnehmerinnen wurden 65 positiv auf das Coronavirus getestet, neun wiesen Symptome auf, aber ein negatives Testergebnis. 36 Frauen berichteten von Symptomen, wurden aber nicht getestet.
Wie die Forscher um Paul Krogstad von der University of California im Fachmagazin "Pediatric Research" darlegen, fanden sie in der Muttermilch von sieben Frauen genetisches Material von Sars-CoV-2. Aber es gab demnach keinen Hinweis auf infektiöse Viren. So zeigten die Babys, die von diesen Müttern gestillt wurden, keine klinischen Anzeichen einer Infektion (getestet wurden sie allerdings nicht).
Es handelt sich den Forschenden zufolge um die bisher größte Studie zu Muttermilch und Sars-CoV-2. Obwohl die Fallzahl für eine Verallgemeinerbarkeit zu gering sei, könne man aus dieser und anderen Untersuchungen ableiten, dass eine Ansteckung auf diesem Weg "sehr, sehr unwahrscheinlich" sei, teilte André Kidszun, Abteilungsleiter Neonatologie am Inselspital Bern, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Stillen und Muttermilch berge starke Vorteile für das Neugeborene, weshalb man Eltern rate, dies auch zu tun. Die möglichen Übertragungswege sollten dem Mediziner zufolge weiterhin systematisch untersucht werden, an möglichst vielen Probandinnen.
Während eine Infektion über die Muttermilch offensichtlich nicht übertragen wird, gibt die Mutter ihren Impfschutz an ihr Kind weiter: Die Milch enthält nach der Verabreichung eines Corona-Impfstoffes Antikörper, was dabei helfen kann, das Baby vor einer Infektion zu schützen. Auch die WHO empfiehlt Müttern, ihre Neugeborenen im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus und nach einer Corona-Impfung weiter zu stillen. (APA/sda)
Risikobereite Junge befolgen Pandemie-Maßnahmen am schlechtesten
Risikobereite Jugendliche mit geringem Vertrauen in die Behörden befolgen Präventiv-Maßnahmen gegen Covid-19 am schlechtesten. Und von allen Maßnahmen wird die Maskenpflicht am häufigsten, das Social Distancing am seltensten eingehalten. Das ergab eine britische Studie im November und Dezember mit Querschnittsdaten von mehr als 20.000 Erwachsenen.
Studien über die Einhaltung von Präventivmaßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie hat es nach Angaben der beteiligten Forscher bisher noch kaum gegeben. Die Wissenschafter vom Department of Behavioural Science and Health am University College London erachten dies aber als wichtig, um die Befolgung von Maßnahmen zu verstärken und so die Pandemie abzuschwächen.
Untersucht wurden die Querschnittdaten von über 20.000 britischen Erwachsenen, die im Rahmen der Covid-19-Sozialstudie vom 17. November bis 23. Dezember 2020 erhoben wurden. Dabei standen sechs Maßnahmen im Fokus: Maskentragen, Händewaschen, Distanz zu Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern in Innenräumen und im Freien, soziale Distanzierung allgemein und Einhaltung anderer Richtlinien.
Dabei zeigte sich, dass sich die meisten Befragten an alle Maßnahmen gleichermaßen hielten. Wo einzelne Verhaltensweisen selektiv bevorzugt wurden, war das am häufigsten die Maskenpflicht, gefolgt von der Distanz in Innenräumen und derjenigen im Freien. Am seltensten befolgt wurden die soziale Distanzierung, gefolgt vom Händewaschen.
"Strategien zur Verbesserung der Maßnahme-Befolgung sollten sich darauf konzentrieren, die allgemeine Motivation zur Einhaltung zu erhöhen und gleichzeitig die soziale Distanzierung zu fördern". So lautet das Fazit der im "Journal of Epidemiology and Community Health" veröffentlichten Studie (https://jech.bmj.com/content/early/2022/01/16/jech-2021-216876). (APA/sda)
Infektiologe Wendtner: Vierte Impfung jetzt schon vorbereiten
Der Münchner Corona-Experte Clemens Wendtner mahnt zur zügigen Vorbereitung auf die vierte Corona-Impfung - mit den verfügbaren Impfstoffen. "Für mich wäre eine Viertimpfung vier bis sechs Monate nach der dritten Impfung eine adäquate Maßnahme", sagte der Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing der Deutschen Presse-Agentur, verwies zugleich jedoch darauf, dass es aufgrund mangelnder Daten noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Viertimpfung gibt.
Oft heiße es, man wolle auf den angepassten Omikron-Impfstoff warten. "Ich fürchte aber, das wird zu lange dauern", sagte Wendtner. Vor April sei nicht mit neuen Impfstoffen zu rechnen - die Omikron-Welle rolle aber jetzt heran. "Man muss eine Viertimpfungs-Kampagne jetzt schon vorbereiten, auch von der Verfügbarkeit der derzeit zugelassenen Impfstoffe her. Da dürfen wir nicht erst daran denken, wenn wir März oder April haben", sagte Wendtner.
Die Viertimpfung sei auch jetzt schon ein Thema - nämlich für "die Personen, die im Spätsommer einen Boost bekommen haben". Das könnten Beschäftigte im Gesundheitswesen ebenso sein wie besonders gefährdete Menschen etwa in Seniorenheimen. Allerdings gebe es bisher keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für die Viertimpfung. Man warte noch auf Daten aus Israel, wo bereits die vierte Impf-Kampagne läuft. Dort erhalten derzeit Menschen mit Immunschwäche, Menschen ab 60 Jahren und medizinisches sowie Pflegepersonal für Senioren den zweiten Booster.
Auch Sebastian Ulbert, Impfstoff-Forscher vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, unterscheidet bei der Frage der vierten Impfung zwischen immungesunden und immunschwachen Menschen. Das bedeutet: Die Gabe einer vierten Dosis kommt für Ulbert vorerst nicht für alle infrage, sondern wie in Israel primär für Ältere und Risikogruppen. Es sei noch unklar, ob und wie die Wirkung der dritten Impfung bei Immungesunden nachlässt.
Wendtner hatte in Schwabing Anfang 2020 die ersten Corona-Patienten in Deutschland behandelt. Seither wurden mehr als 1.600 Patienten in Schwabing betreut, insgesamt in der München Klinik mit ihren fünf Standorten waren es mehr als 3.600. (APA/dpa)
Virologe Stöhr: Erst Durchseuchung, dann entspannter Sommer
Angesichts der aktuellen Corona-Welle mit der hoch ansteckenden Omikron-Variante erwartet der deutsche Virologe Klaus Stöhr erst eine Durchseuchung in den kommenden Wochen, dann eine natürliche Immunisierung der Bevölkerung - und schließlich ein Auslaufen der Pandemie.
"In den nächsten zwei bis drei Wochen wird es eine Unsicherheit geben, wie hoch die Inzidenz steigen wird. Danach werden sich durch die sehr starke Durchseuchung, die dann leider einsetzen wird, die man nicht abwenden kann, sehr viele Menschen die natürliche Immunität holen", sagte er am Sonntagabend (16.1.) im TV-Sender Bild.
Diese Immunität werde "oben draufgepflanzt" auf die Immunisierung durch Impfungen, fuhr Stöhr fort. Beides zusammen werde zu einem anhaltenden Immunschutz führen, so dass man auch nicht das vierte, fünfte, sechste, oder siebente Mal boostern müsse. Im Herbst müsse man dann sehen, ob man den über 60-Jährigen noch einmal ein Impfangebot mache.
Angesichts der Millionen Ungeimpften oder zumindest nicht vollständig Geimpften ist Vorsicht nach den Worten Stöhrs zwar weiter ganz wichtig. Dennoch gibt er sich überzeugt: "Im Frühjahr, Sommer dann wird es sehr entspannt."
Auch der Virologe Christian Drosten sieht im häufig milderen Verlauf nach Ansteckung mit der Omikron-Variante eine "Chance", in den endemischen Zustand zu kommen - "breite Immunität vorausgesetzt", wie er dem "Tagesspiegel am Sonntag" sagte. Alle Menschen müssten sich früher oder später mit Sars-Cov-2 infizieren, meint er. "Ja, wir müssen in dieses Fahrwasser rein, es gibt keine Alternative", sagte Drosten. "Wir können nicht auf Dauer alle paar Monate über eine Booster-Impfung den Immunschutz der ganzen Bevölkerung erhalten." Das müsse das Virus machen. (APA/dpa)
Pfizer investiert in Produktion von Anti-Corona-Pille in Frankreich
Der US-Pharmakonzern Pfizer investiert in Frankreich mehr als eine halbe Milliarde Euro und will damit die Produktion seiner Anti-Corona-Pille beschleunigen. Unter anderem will das US-Unternehmen ab dem dritten Quartal in einer Fabrik des französischen Pharmakonzerns Novasep Wirkstoffe herstellen, die für die Anti-Covid-Pille verwendet werden, wie Pfizer mitteilte. Ein Teil der 520 Millionen Euro schweren Investition solle auch in Forschung und Entwicklung fließen.
Die Anti-Corona-Tablette zeigte in Studien eine Wirksamkeit von fast 90 Prozent bei der Vorbeugung von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen bei Hochrisiko-Patienten. In den USA hat Pfizer dafür bereits eine Notfallzulassung bekommen, in der EU wird dies gerade noch geprüft. (APA/Reuters)
Initiative "Wir Alle" ärgert sich und ruft zum Impfen auf
Die ursprünglich von Wissenschaftern gestartete Bürgerinitiative "Wir Alle" tritt für eine Erhöhung der Corona-Impfrate und eine Versachlichung der Pandemie-Debatte ein. Auf der neuen Website http://www.wiralle.at machen die Proponenten der Initiative in Statements ihrem Ärger u.a. über Verschwörungstheorien und "die oft undurchsichtige Corona-Politik der Bundesregierung" Luft, rufen aber auch zum Impfen auf. Zudem gibt es dort Videos und Links zur Covid-Diskussion.
Mitte Dezember haben die vier Wissenschafter Renée Schroeder, Ruth Wodak, Hannes Werthner und Herbert Weltler einen Appell veröffentlicht, dass in der Corona-Debatte "die Mehrheit - klug, solidarisch und geimpft - nicht länger schweigen" solle. Daraus hat sich die "Initiative besorgter BürgerInnen - Wir Alle" entwickelt, der sich weitere Proponentinnen und Proponenten, etwa der Impfexperte Herwig Kollaritsch oder die Journalistin Susanne Scholl angeschlossen haben. Mehr als 2.000 Personen haben bisher die Initiative auf dem Portal "change.org" mit ihrer Unterschrift unterstützt (zur Unterschriftenaktion: https://chng.it/5tdwWPHN6G).
In zehn neuen Statements wird nun Verständnis über den Ärger vieler Bürger über die Situation geäußert, gleichzeitig aber zum Impfen aufgerufen. Geärgert wird sich dabei etwa "über Versprechen und Ankündigungen der Regierung, die nicht eingehalten werden", darüber, dass Ärzte kaum noch Zeit haben, ausführlich mit den Patienten zu sprechen, oder dass zu wenig erklärt werde und daher vieles unverständlich bleibe, aber auch über "unsinnige Verschwörungstheorien" oder "Wurmmittel-Behandlungsversuche". Und bei allen Statements heißt es dann: "Wir Alle ärgern uns auch. Und Wir Alle lassen uns impfen". (APA)