ASH 2020 – Fortschritte an vorderster Front: Gen- und Zelltherapie
Drei Studien berichteten von vielversprechenden Ergebnissen zur Anwendung von innovativer Genom-Editierung und Zelltherapie bei schwer behandelbaren Bluterkrankungen und Krebs.
CRISPR-Gene Editing: Frühe Daten aus ersten klinischen Studien
Der Transkriptionsfaktor BCL11A unterdrückt die Produktion von fötalem Hämoglobin (Hb), was zur Expression von adultem Hb führt. Bei Erkrankungen, die auf Defekten der Hb-Produktion beruhen, könnte eine erhöhte Produktion von fötalem Hb die Anämie verbessern und im Falle der transfusionspflichtigen b-Thalassämie (TDT) die Notwendigkeit von Bluttransfusionen verringern bzw. bei der Sichelzellkrankheit (SCD) vaso-okklusiven Krisen (VOC) vorbeugen. Um potenziell kurative Spiegel von fötalem Hb zu erzielen, wird die erythroide Enhancer-Region des BCL11A-Gens in hämatopoetischen Stamm- und Vorläuferzellen der Patienten mittels CRISPR-Cas9 ex vivo editiert; die editierten Zellen (CTX001) werden nach Myeloablation reinfundiert.
Erste Daten von 7 Patienten einer Studie bei TDT, ca. 4-21 Monate nach Infusion von CTX001, liegen nun vor, sowie von 3 Patienten einer Studie bei SCD (nach ca. 4 bzw. 17 Monaten).1 Alle Patienten zeigten eine Zunahme von Gesamt-Hb und fötalem Hb über die Zeit. Die TDT -atienten benötigten vor der Transfusion alle 3-4 Wochen eine Transfusion, bald nach der Infusion jedoch keine mehr. Die SCD-Patienten hatten vor der Behandlung ca. 7 VOC pro Jahr, nach der CTX101-Therapie keine mehr.
Das Nebenwirkungsprofil der Behandlung war konsistent mit dem der Myeloablation. Schwerwiegende, möglicherweise mit CTX101 assoziierte Nebenwirkungen traten bei einem TDT-Patienten im Zusammenhang mit einer hämophagozytischen Lymphohistiozytose auf, von der sich der Patient mittlerweile erholte.
Diese frühen Daten zeigen das kurative Potential von CTX101 bei TDT und SCD. Sie machen darüber hinaus Hoffnung für die mögliche Behandlung anderer genetischer Erkrankungen mittels Genom-Editierung.
CAR-T-Cell-Therapie beim Non-Hodgkin-Lymphom (NHL)
Axicabtagene Ciloleucel (Axi-cel) ist eine adoptive CAR-T-Zell-Therapie, die für die Anwendung bei großzelligem B-Zell-Lymphom zugelassen ist. Für diese Immuntherapie werden autologe T-Zellen ex vivo genetisch verändert, sodass sie einen chimären Antigen-Rezeptor (CAR), der CD19 auf den B-Zellen erkennt, exprimieren. Jetzt wurde Axi-cel in der einarmigen Phase-II-Studie ZUMA-5 in den USA bei 146 Patienten mit indolentem NHL geprüft, die refraktär gegenüber verschiedenen Vortherapien waren.2
Während rund 18 Monaten der Nachverfolgung erreichten 92% der Studienteilnehmer ein objektives Ansprechen und 78% ein komplettes Ansprechen (CR). Nach dieser Zeit dauerte das Ansprechen noch bei 62% der Patienten an. Die Rate des progressionsfreien Überlebens nach 12 Monaten war ca. 74% und des Gesamtüberlebens 93%.
Bei fast allen Patienten traten Nebenwirkungen auf, bei 85% vom Grad ≥3, darunter Zytopenie (70%), neurologische Effekte (19%), Infektionen (16%) und Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS; 7%). Ein Patient starb aufgrund Multiorganversagens im Zusammenhang mit durch die Therapie ausgelöstem CRS. Die Ansprechraten waren etwas höher und die Nebenwirkungsraten etwas niedriger bei Patienten mit follikulärem Lymphom als bei solchen mit Marginalzonenlymphom.
Prof. Caron Jacobson (Dana-Farber Cancer Institute, Boston) zeigte sich von der Größe und der Dauer des Ansprechens beeindruckt; auch sei das Nebenwirkungsprofil beim NHL günstiger im Vergleich zu dem, was zuvor bei den schnellwachsenden großzelligen B-Zell-Lymphom beobachtet wurde.
CD58 ist essenziell für dauerhaftes Ansprechen auf CD19 CAR-T-Cell-Therapie
Mit der anti-CD19 CAR-T-Cell-Immuntherapie Axicabtagene Ciloleucel (Axi-cel) wird bei 40-50% der behandelten Patienten mit großzelligem B-Zell-Lymphom (LCBL) ein komplettes und nachhaltiges Ansprechen erzielt. Ein Teil der Patienten ist aber resistent gegen die Therapie. Als möglicher Mechanismus wird der Verlust von funktionellem CD58 in etwa 20% der Fälle von LCBL diskutiert; als Ligand für das auf T-Zellen exprimierte CD2 liefert CD58 Kostimulation für T-Zellen.
Nun wurden Tumoren von 51 mit Axi-cel behandelten LCBL-Patienten analysiert3; bei 12 Patienten fehlte eine voll funktionsfähige Version von CD58. Nur einer dieser 12 erreichte ein dauerhaftes komplettes Ansprechen, während die anderen 11 progredient waren, meist nach einer Phase initialen Ansprechens.
In CD58-Knockout-Mäusen zeigten drei verschiedene CAR-T-Zell-Therapien keine Wirksamkeit. Wenn aber CARs mit einem zusätzlichen CD2-Rezeptor in trans koexprimiert wurden, überwanden sie den Verlust von CD58 und zeigten signifikante anti-Tumoraktivität in vivo.
Prof. Robbie Majzner (Stanford University) sieht daher die Möglichkeit, modifizierte CAR-T-Zell-Therapien zu entwickeln, die diesen neuen Resistenzmechanismus überwinden. Schlussendlich würde man dann Patienten auf ihren CD58-Status untersuchen, bevor sie eine personalisierte Therapie erhalten.