13. Mai 2020Frustrane OP im Kepler Uniklinikum Linz

Der verlassene Patient: Land OÖ prüft nun Regeln für Privatpraxen

beschnittene Ansicht des männlichen Arztes, der Türgriff im Krankenhaus hält
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Der Fall sorgte für Entrüstung nicht nur unter Ärzten: Ein 77-jähriger Patient, den der Rettungshubschrauer wegen eines Aortarisses ins Linzer Kepler Uniklinikum (KUK) geflogen hatte, soll während des Eingriffs vom leitenden Operateur verlassen worden sein – in Richtung Privatpraxis. Es kam zu Komplikationen, der Patient starb noch am selben Tag. Eine interne Obduktion ergab einen Hinterwandinfarkt, die Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Obduktion sind noch ausständig. Das KUK entließ den Mediziner, das Land Oberösterreich lässt nun die Richtlinien für den Betrieb von Privatordinationen von Spitalsärzten überprüfen.

Die Entlassung des Oberarztes sei „unumgänglich“ gewesen, gab das KUK in einer Aussendung am 11.05.2020, sechs Tage nach den tragischen Geschehnissen, bekannt. „Im Laufe der auch am Wochenende durchgeführten internen Ermittlungen haben sich die Verdachtsmomente hinsichtlich der Verletzung der Dienstpflicht verdichtet“, begründet Univ.-Prof. DDr. Ferdinand Waldenberger, Ärztlicher Leiter des KUK, die Entlassung. Die KUK habe den Operateur, „der während einer Operation an einen assistierenden Arzt übergeben hat und das Haus verließ“, bereits vergangene Woche suspendiert.

Für Assistenzärzte schwierig, „Nein“ zu sagen

Das KUK arbeite auch „im Sinne der vollständigen Transparenz“ intensiv mit den Ermittlungsbehörden zusammen und habe bereits alle erforderlichen Dokumente für eine rechtliche Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft übergeben. Die Beauftragung an einen „externen Gutachter“ im Sinne der bestmöglichen Aufklärung bleibe darüber hinaus aufrecht. Waldenberger, der einer breiteren Öffentlichkeit als Mitautor des Ende Jänner erschienenen Buches „Im kranken Haus – Ärzte behandeln das Gesundheitssystem“ bekannt ist, sprach in einem Interview mit den „OÖNachrichten“ (OÖN, 11.05.2020) von einem „unethischen Verhalten“ des Operateurs, betonte aber auch, ein drohendes Berufsverbot wäre „schrecklich“, da der Oberarzt lange Jahre ein „hervorragender Chirurg“ gewesen sei.

Denn dem Oberarzt könnten neben der strafrechtlichen Seite – die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung – auch standesrechtliche Konsequenzen drohen, bis hin zum Entzug der Berufsberechtigung. Aber auch die Vorgangsweise des Assistenzarztes ist laut dem Ärztlichen Direktor „nicht richtig“ gewesen, auch wenn es schwierig sei, „Nein“ zu sagen, wenn ein erfahrener Oberarzt sage: „Ich gehe, übernimm‘ du“. In dem Interview sagt Waldenberger auch, dass der Oberarzt zwar letztendlich nach 30 bis 45 Minuten zurückgekommen sei und in der Zwischenzeit ein anderer Oberarzt von einer anderen OP eingesprungen sei, das gehe aber nicht. Es sei ein schwerer Imageschaden für das Klinikum, er habe mit mehreren Primaren gesprochen, sie seien alle erschüttert. Waldenberger geht aber davon aus, dass es sich um „einen bedauerlichen Einzelfall“ handle.

Politik fordert „effektive Kontrollmechanismen“

Dem dürfte das Land Oberösterreich, wo manche Spitalsärzte nachweislich gleich mehrere Privatordinationen nebenher betreiben, nicht so recht Glauben schenken. Gesundheitsreferentin LH-Stellvertreterin Mag. Christine Haberlander (VP) erteilte tags darauf, am 12.05.2020, der Geschäftsführung der Oberösterreichischen Gesundheitsholding (OÖG) den Auftrag, die Richtlinien für den Betrieb einer Privatordination neben der Tätigkeit am Krankenhaus „einer genauen Prüfung“ zu unterziehen und „effektive Kontrollmechanismen“ sicherzustellen: „Die Tätigkeit im Krankenhaus und der Betrieb einer privaten Ordination müssen strengstens getrennt werden. Jegliche Beeinträchtigungen der Tätigkeit im Krankenhaus sind absolut nicht zu tolerieren und müssen streng geahndet werden“, betont Haberlander in einer Aussendung.

Die von der OÖG einzusetzende Arbeitsgruppe habe sich daher sowohl mit der Überarbeitung der geltenden Richtlinien zu beschäftigen und sei auch aufgefordert, „entsprechende Kontroll-Instrumente“ anzuwenden. „Verstöße gegen diese Regelungen haben sofort dienstrechtliche Konsequenzen“, so Haberlander in ungewöhnlich scharfem Ton. Einen solchen ist man von Patientensprecher Dr. Gerald Bachinger bereits gewohnt. Er nannte es in der „ZiB2“ am Sonntag, den 10.05.2020, laut APA eine „Todsünde“ in einem öffentlich-rechtlichen solidarischen Gesundheitswesen, wenn man „seine Verpflichtung, die man für einen bestimmten Patienten hat, zur Seite schiebt und das Krankenhaus verlässt, um im privaten Bereich weiterzuarbeiten“.

„Kein eindeutiges Ergebnis der Obduktion“

Unterdessen wurde bekannt, dass nach einem OÖN-Online-Bericht vergangenen Samstagabend die kurzfristig von der Staatsanwaltschaft angeordnete gerichtsmedizinische Obduktion bereits am Montagvormittag erfolgen konnte. Das Ergebnis soll vorläufig nicht dem Ergebnis der spitalsinternen Obduktion entsprochen haben, wonach der Pensionist während der OP einen Hinterwandinfarkt erlitten habe: „Die Obduktion ergab kein eindeutiges Ergebnis. Zur Klärung der Todesursache werden deshalb noch Gewebeuntersuchungen durchgeführt“, bestätigt Mag. Ulrike Breiteneder, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Linz, gegenüber medonline einen entsprechenden OÖN-Bericht. Das Gutachten der Gerichtsmedizin werde mehrere Wochen dauern.