20. Okt. 2021Covid-19 Update 20.10.2021

GB: neue Virusvariante Delta Plus (AY.4.2); gute Ergebnisse für Valneva-Vakzin in Phase III

+++ Britische Regierung beobachtet neue Untervariante des Virus – Valneva sieht ermutigende Phase-III-Ergebnisse – Gen-Mutationen könnten natürliche Immunität bedingen – ECDC: Ohne höhere Impfzahlen wird es nicht gehen – "Alles gurgelt!"-Tests knackten 10-Millionen-Grenze – WHO legt Covid-19-Hilfsprogramm für ärmere Länder auf +++

Coronavirus Warnung
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Britische Regierung beobachtet neue Untervariante des Virus

Die britische Regierung beobachtet derzeit eine neue Unterart der hochansteckenden Delta-Variante des Coronavirus. Wie ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson am Dienstag, 19.10., sagte, beobachte die Regierung die AY.4.2-Variante "sehr genau". Noch sei unklar, ob sich diese schneller verbreitet. Die Regierung werde aber "nicht zögern, Maßnahmen zu ergreifen, wenn es nötig ist.

Unterdessen haben die Infektionszahlen in Großbritannien stark zugenommen und die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit Covid ist auf den höchsten Stand seit März gestiegen: Die britische Statistikbehörde meldete am Dienstag 223 Todesfälle. Am Montag, 18.10., wurden fast 50.000 neue Infektionen registriert – ein Höchstwert in Europa. Als Gründe für den Anstieg führen Wissenschafter die niedrige Impfquote bei Jugendlichen sowie den nachlassenden Impfschutz bei Älteren an. Die Forscher schlugen deshalb vor, einige Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen in geschlossenen Räumen wieder einzuführen, das im Juli aufgehoben worden war. Knapp 79 Prozent der impfberechtigten Bürger ab zwölf Jahren sind vollständig geimpft.

Die neue Virusvariante „Delta Plus“ (AY.4.2) ist nach aktuellen Analysen des britischen Wellcome Sanger Institute für rund zehn Prozent aller Covid-19-Fälle verantwortlich – ob sie ansteckender ist als die ursprüngliche Delta-Variante, ist derzeit aber noch unklar. Die Subvariante wurde erstmals in Indien nachgewiesen und ist ein Abkömmling der seit vielen Monaten dominierenden Delta-Variante (B.1.167.2). Von ihr unterscheidet sie sich durch zwei Mutationen im Spike-Protein, mit dem das Virus in Körperzellen eindringt. Außerhalb Großbritanniens ist AY.4.2. noch sehr selten, im Inselstaat selbst könnte sie aber zum Anstieg der Infektionszahlen in den vergangenen Tagen beigetragen haben. (APA/dpa/red)

Valneva sieht ermutigende Phase-III-Ergebnisse

Der österreichisch-französische Impfstoffhersteller Valneva gab am Montag, 18.10., ermutigende Ergebnisse seiner in Großbritannien durchgeführten Phase-III-Studie des Covid-Vakzins VLA2001 bekannt. Der Impfstoffkandidat habe im Schnitt zur Bildung von mehr neutralisierenden Antikörpern gegen das SARS-CoV-2-Virus geführt, als das beim Vergleichsimpfstoff von AstraZeneca der Fall war. VLA2001 habe sich zudem "im Allgemeinen gut verträglich" präsentiert, heißt es in einer Aussendung.

Valneva verfolgt mit seinem Covid-19-Vakzin einen klassischen Ansatz mit inaktivierten Viren. Diese Herangehensweise ist seit vielen Jahrzehnten erprobt. Dabei wird dem Körper das gesamte abgetötete Virus präsentiert. Somit muss sich das Immunsystem mit allen Erreger-Teilen auseinandersetzen. Es handle sich laut Valneva um den einzigen derartigen Impfstoffkandidaten in Europa.

An der Phase-III-Studie nahmen 4.012 Erwachsene und 660 Jugendliche teil. Verabreicht wurde der Valneva-Impfstoff in zwei Dosen im Abstand von vier Wochen. Bei Erwachsenen über 30 Jahren wurde ein Vergleich mit dem Wirkstoff von AstraZeneca (AZD1222) durchgeführt. Der Titer der neutralisierenden Antikörper lag demnach im Durchschnitt über jenem der Teilnehmer, die AZD1222 erhielten.

Die Antworten von Immunzellen (T-Zellen) richteten sich gegen verschiedene Teile des Virus. Am stärksten fiel die Reaktion auf das Spike-Protein des Erregers aus. Im Rahmen der Studie meldeten weniger als ein Prozent der Teilnehmer "ein unerwünschtes Ereignis von besonderem Interesse", so das Unternehmen. Es stellte sich kein schwerer Fall einer Covid-19-Erkrankung ein, egal welchen Impfstoff die Studienteilnehmer erhielten.

Das deute darauf hin, dass beide Vakzine schwere Erkrankungen gegen die aktuell zirkulierenden Viren-Varianten, also vor allem die Delta-Variante, verhindern. Der Leiter der Studie, Adam Finn von der Universität Bristol, UK, sieht die "geringe Reaktogenität, die starke funktionelle Antikörperantwort und die breiten T-Zell-Reaktionen" als "beeindruckend und äußerst ermutigend" an.

Für Valneva-Chef Thomas Lingelbach bestätigen die Ergebnisse "die Vorteile, die häufig mit inaktivierten Ganzvirusimpfstoffen in Verbindung gebracht werden". Man werde weiter daran arbeiten, den Impfstoffkandidaten schnellstmöglich zur Zulassung zu bringen. Im September hatte das Unternehmen allerdings mitgeteilt, dass Großbritannien den Vertrag über eine Lieferung von VLA2001 beendet hat. Man glaube aber "weiterhin, dass wir einen wichtigen Beitrag zum weltweiten Kampf gegen die COVID-19-Pandemie leisten können", so Lingelbach. Man wolle Menschen, die bis dato noch nicht geimpft sind, "eine alternative Impfstofflösung" anbieten.

Der Wirkstoff befindet sich in einem sogenannten rollierenden Zulassungsverfahren ("Rolling Review") bei der britischen Gesundheitsbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency). Man bereite sich überdies auf eine ebensolche Einreichung bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) vor, so das Unternehmen. (APA)

Gen-Mutationen könnten natürliche Immunität bedingen

Das weltweit größte Covid-Forschungskonsortium, der "COVID human genetic effort" (COVIDhge), ist Genen auf der Spur, die eine natürliche Immunität gegen das SARS-CoV-2 Virus bedingen könnten. Der Tiroler Lungenfacharzt Ivan Tancevski ist Teil des Verbundes und führt auch an der Med-Uni Innsbruck eigene Studien dazu durch. Nun zielen die Forschenden auf die Entwicklung einer Therapie zur Behandlung Infizierter ab, führte Tancevski im APA-Gespräch aus.

"Genetische Veranlagungen können einen gewissen Schutz vor Infektionskrankheiten hervorrufen", erklärte Tancevski, der an der von Günter Weiss geleiteten Universitätsklinik für Innere Medizin II tätig ist. So schütze etwa eine Mutation in der Struktur von roten Blutkörperchen, die zur sogenannten Sichelzellenanämie führt, vor Malaria tropica. Eine genetisch bedingte Resistenz wurde auch bei HIV gefunden – hier wurde bereits eine Therapie entwickelt, die auf diesen Erkenntnissen fußt, wie Tancevski berichtete.

Im Zusammenhang mit Covid-19 sei immer wieder die vermeintliche Resistenz von Personen mit Blutgruppe 0 diskutiert worden – 40 Prozent der Bevölkerung zählen zu dieser Gruppe, so der Wissenschafter. Es habe sich jedoch herausgestellt, dass jene lediglich in einem geringen Ausmaß vor einer Covid-Infektion geschützt seien.

Des Weiteren stehe das Enzym ACE2 in der Membran von Körperzellen immer wieder im Fokus der Forscher, denn das Coronavirus SARS-CoV-2 nutzt es zum Andocken an die menschliche Zelle. Das Forschungskonsortium habe natürlich auch mutierte Varianten dieses Enzyms im Visier, zitierte Tancevski Erkenntnisse des Verbundes, die in einem am Montag, 18.10., im Fachjournal "Nature Immunology" publizierten Aufsatz beschrieben werden (https://doi.org/10.1038/s41590-021-01030-z).

Um davon mögliche Therapieansätze abzuleiten, würden weltweit Haushalte gesucht, in denen eine Person nachweislich an Corona erkrankt war, enge Kontaktpersonen aber nicht infiziert wurden. "Die Suche gestaltet sich als schwierig", so Tancevski, "denn die Gründe hierfür sind vielfältig. So kann die Virenanzahl zu klein oder die Kontaktdauer zu kurz gewesen sein. Ebenso ist es denkbar, dass die nicht infizierte Person durch eine vorhergegangene Infektion – etwa einem Schnupfen durch ein herkömmliches Coronavirus – eine Teilimmunität aufwies."

Weil sich die Suche nach Probanden als kompliziert erweise, gehe man in Innsbruck "einen zusätzlichen Weg", berichtete der Mediziner: "Wir suchen Mutationen im Rahmen des COVIDhge in Entzündungsgenen und testen diese dann zunächst in Zellkulturen, die wir mit dem SARS-CoV-2 Virus infizieren."

Ziel sei es, Gene zu finden, auf deren Basis man eine Therapie gegen das Coronavirus entwickeln könne, so Tancevski – ähnlich wie für HIV. "Es geht auch darum, jetzt Therapien für die Zukunft zu entwickeln." Er wolle nicht "pessimistisch" sein, doch "Tatsache ist, dass es zuletzt alle zehn bis 15 Jahre schwere Epidemien mit Coronaviren gegeben hat", erinnerte Tancevski an MERS (2012/13) und SARS (2002/3).

Tancevski und Weiss sind seit Herbst vergangenen Jahres Teil einer rund 120 internationale Experten großen Gruppe, die sich im Rahmen des COVIDhge-Konsortiums wöchentlich über den aktuellen Forschungsstand austauscht. Der Forschungsverbund, der von Jean-Laurent Casanova von der Rockefeller University in New York geleitet wird, treibt derzeit rund 15 Projekte voran. (APA)

ECDC: Ohne höhere Impfzahlen wird es nicht gehen

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC (Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten) hält eine hohe Impfquote weiter für besonders wichtig vor der Lockerung von Corona-Maßnahmen. "Solange nicht über 80 Prozent der Menschen voll geimpft sind, besteht einfach die Möglichkeit, dass der Rest der Bevölkerung von dem Virus noch befallen wird", sagte ECDC-Direktorin Andrea Ammon in einem Interview des vom AOK-Bundesverband herausgegebenen Magazins "Gesundheit und Gesellschaft" (G+G).

Eine Impfpflicht betrachtet die deutsche Medizinerin dennoch mit Skepsis. Viele Länder hätten auch ohne eine solche Pflicht hohe Impfquoten erreicht. "Eine Impfpflicht, etwa für bestimmte Berufe, ist eine Möglichkeit. Aber sie ist kein Zauberstab."

Die Lockdowns hätten die Fallzahlen stark gesenkt, jedoch auch wirtschaftliche, soziale und psychische Folgen gehabt, sagte Ammon. Auch deshalb seien sie kein Allheilmittel. "Meiner Ansicht nach gibt es für die Zukunft weniger eingreifende Möglichkeiten, Barrieren für das Virus zu schaffen und Distanz aufzubauen, die zuerst in Betracht gezogen werden sollten", sagte die ECDC-Chefin. "Dazu gehören der Gebrauch von Masken, das Abstandhalten und die Reduzierung der Anzahl der Menschen in Innenräumen."

Ob Europa aufgrund der Corona-Krise für künftige Pandemien besser gerüstet sei, lasse sich schwer sagen. "Klar ist: Unsere Vorbereitung war nicht optimal. Da muss jetzt genau hingeschaut werden, damit es beim nächsten Mal besser läuft."

Die Menschheit werde auf Dauer mit dem Coronavirus leben müssen. "Ich glaube schon, dass Corona nicht verschwinden wird. Wir müssen daher einen Weg finden, wie wir dieses Virus in den Ablauf des täglichen Lebens integrieren", sagte Ammon. Die Zahl der Geimpften müsse dazu europaweit gesteigert werden, "anders wird es nicht gehen". (APA/dpa)

"Alles gurgelt!"-Tests knackten 10-Millionen-Grenze

Die Initiative "Alles gurgelt!" von Stadt Wien und Wirtschaftskammer Wien hat die Marke von zehn Millionen Corona-Tests übersprungen. Bis Samstag, 16.10., wurden 10.053.061 PCR-Proben ausgewertet, wie die Stadt Wien mitteilte. Davon waren 0,49 Prozent positiv, es wurden also 49.673 Corona-Infektionen erkannt. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker lobte die Testaktion als "Grundpfeiler der Pandemiebekämpfung in Wien" und als wesentlichen Faktor, um die Inzidenz in Wien zu senken.

Wöchentlich werden derzeit fast 600.000 kostenlose PCR-Tests von "Alles gurgelt!" durchgeführt. Deutlich gestiegen ist die Zahl der durchgeführten Tests seit Anfang September, nachdem die Tests auch in den Wiener Schulen ab der 5. Schulstufe zum Einsatz kommen. Am bisherigen Spitzentag, dem 20. September, wurden mehr als 147.000 Tests absolviert. Insgesamt haben sich seit der Ausrollung des Programms im März bereits mehr als 1,2 Mio. Personen für das Testsystem registriert.

Der Präsident der Wirtschaftskammer Wien, Walter Ruck, bezeichnete die gemeinsame "Alles gurgelt!"-Initiative als internationales Vorzeigeprojekt. "Diesen Weg müssen wir weitergehen, um Lockdowns in Zukunft zu vermeiden und das wirtschaftliche wie auch das gesellschaftliche Leben zu normalisieren", so Ruck in einer Aussendung.

Täglich werden für das Wiener Test-Programm bis zu 2.000 Abholungen in ganz Wien durchgeführt, wie Michael Havel, der Geschäftsführer des Unternehmens Lifebrain, das die Tests auswertet, erläuterte. Der überwiegende Teil der durchgeführten Gratis-PCR-Tests wird bereits vor 14 Uhr im Labor abgeliefert, die Befunde stehen noch am selben Tag zur Verfügung. Aktuell beträgt die Dauer vom Gurgeln bis zum via E-Mail verschickten Befund laut Lifebrain rund 16 Stunden, die Durchlaufzeit im Labor liegt im Schnitt bei rund sieben Stunden. (APA)

WHO legt Covid-19-Hilfsprogramm für ärmere Länder auf

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will ärmeren Ländern den Zugang zu Covid-19-Impfstoffen, Tests und Behandlungen gegen Infektionen mit dem Coronavirus durch erschwingliche Preise ermöglichen. Die WHO hat der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Dokumenten zufolge dazu ein Programm aufgelegt, um eine Milliarde Corona-Tests an Drittländer zu liefern wie auch Medikamente zur Behandlung von Menschen mit leichteren Krankheitsverläufen.

Ein Sprecher der WHO-Initiative „Access to Covid-19 Tools Accelerator“ (ACT-A) erklärte, das Dokument vom 13. Oktober sei noch ein Entwurf in der Beratungsphase. Zum Inhalt wolle er bis zur endgültigen Fassung keine Angaben machen. Das Dokument soll vor dem Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in Rom Ende Oktober an die Staats- und Regierungschefs weltweit verschickt werden. Die WHO-Initiative ACT-A bittet die G20 und andere Geber demnach um zusätzliche Mittel in Höhe von 22,8 Milliarden Dollar bis September 2022. Ziel sei es, die riesigen Versorgungslücken zwischen wohlhabenden und ärmeren Ländern zu schließen. Das Programm erhielt bisher Zusagen über 18,5 Milliarden Dollar. Eine Einigung soll bis Ende November stehen.

Eine Covid-19-Arznei könnte Molnupiravir vom US-Pharmakonzern Merck sein, das zum Preis von zehn Dollar für eine Therapie abgegeben werden soll. Das wäre sehr günstig verglichen mit dem üblichen Handelspreis von 700 Dollar. Experten der Harvard Universität schätzen allerdings, dass das Medikament für 20 Euro zu haben sein könnte, würde es bei Generika-Firmen hergestellt. Merck hat Lizenzverträge mit acht indischen Generika-Herstellern abgeschlossen. Andere Medikamente zur Behandlung leichter Krankheitsverläufe sind noch in der Entwicklung, während Molnupiravir bisher das einzige ist, das in Studien im Spätstadium positive Ergebnisse gezeigt hat. (APA/Reuters)