7. Dez. 2023Zum Geburtstag viel Forschung

St. Anna Kinderkrebsforschung wird 35 Jahre

1988 wurde die St. Anna Kinderkrebsforschung gegründet. Seitdem hat sie sich in Österreich als führendes Forschungsinstitut für Kinder mit Krebserkrankungen etabliert und ist auch international sehr hoch angesehen. Eine vor kurzem durchgeführte Evaluierung durch ein Scientific Research Board hob die St. Anna Kinderkrebsforschung als Leuchtturm hervor.

Wienwiki/Johann Werfring

Univ.-Prof. Dr. Kaan Boztug, Wissenschaftlicher Direktor der St. Anna Kinderkrebsforschung, ist jedoch nicht bereit, sich auf dem Erfolg auszuruhen. „Unser Ziel ist es, jeden Tag ein bisschen besser zu werden“, erklärt der Forscher. Besonders stolz ist Boztug, dass es regelmäßig gelingt, Top-Forscherinnen und -Forscher aus aller Welt an das Institut zu holen. „Es ist wie beim Fußball“, betont er, „nur eine Mischung aus nationalen und internationalen Spielern, die alle als Team zusammenarbeiten, wird Erfolg haben.“ Zudem ist die Verknüpfung verschiedener Disziplinen entscheidend. So forschen in der St. Anna Kinderkrebsforschung mehrere Gruppen mit unterschiedlichen Blickwinkeln an einer Erkrankung. Besonders das Feld der Bioinformatik wird, auch durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, in den nächsten Jahren weiterwachsen und die Forschung beschleunigen.

4 Visionen für die Zukunft

„Alle Kinderkrebsarten sind per Definition seltene Erkrankungen“, erklärt Boztug. Zudem ist Krebs bei Kindern und Jugendlichen oft nicht vergleichbar mit Krebs bei Erwachsenen. Denn während mit zunehmendem Alter eine Reihe von Mutationen entstehen können, sind bei Kindern häufig sehr wenige genetische Veränderungen feststellbar. „Das ist für uns eine große Herausforderung, da wir dadurch häufig auch weniger Ansatzpunkte haben, um den Krebs zielgerichtet zu therapieren“, so Boztug.

Die St. Anna Kinderkrebsforschung möchte mittels 4 aufeinander aufbauender Visionen die Versorgung der betroffenen Kinder verbessern. So soll Krebs bei Risikopatientinnen und -patienten künftig verhindert werden. Gelingt dies nicht, so soll dieser früher erkannt werden. Auch Rezidive sollten früher diagnostiziert werden. Und letztlich sollen auch die Therapien laufend verbessert werden.

Dosisanpassung, um Langzeitschäden zu minimieren

Als Beispiel für die Erforschung verbesserter Therapien nennt Boztug eine klinische Studie beim Hodgkin-Lymphom. Diese Krebsart ist inzwischen sehr gut therapierbar. Das Ziel der klinischen Studie ist nun zu untersuchen, ob eine niedrigere Dosierung dieselben Behandlungserfolge zeigt, bei gleichzeitiger Reduktion von toxischen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen für die Kinder.

Flüssigbiopsien zur Diagnostik und Therapieevaluierung

Das Neuroblastom hingegen ist noch nicht gut therapierbar. Besonders schlecht steht es bei Auftreten eines Rezidivs. Auch hieran wird in der St. Anna Kinderkrebsforschung intensiv geforscht. Die Zusammenarbeit mit der Labdia Labordiagnostik GmbH ermöglicht eine rasche und präzise molekulare Diagnostik. So kann innerhalb von 24 Stunden nach Probenentnahme eine Diagnose gestellt werden. Mit der derzeitigen Technik kann eine einzelne Tumorzelle unter einer Million Zellen im Knochenmark identifiziert werden.

Ziel ist es jedoch, die Probenentnahme für die erkrankten Kinder möglichst wenig invasiv zu gestalten. Hier könnte in Zukunft die Flüssigbiopsie zum Einsatz kommen. Für diese extrem sensitive Methode wird nur eine kleine Menge Blut benötigt. Durch den einfachen Eingriff und die reduzierte Belastung könnten die Kontrollintervalle verkürzt und ein Rezidiv somit rascher erkannt werden, was mit einem besseren Überleben einhergeht.

Die MONALISA-Studie, eine erste klinische Studie zum Einsatz von Flüssigbiopsien zur Überwachung von Rezidiven bei Kindern mit Neuroblastom, wird nun mittels EU-Finanzierung an der St. Anna Kinderkrebsforschung durchgeführt.

Organoide zur Metastasen-Untersuchung

Auch das Ewing-Sarkom wird seit 35 Jahren an der St. Anna Kinderkrebsforschung untersucht. Die meisten soliden Tumoren, so auch das Ewing-Sarkom, metastasieren in die Lunge, was die Sterblichkeit deutlich beeinflusst. Mittels Einsatz von Organoiden der Lunge, die aus Zellen von Patientinnen und Patienten gebildet werden und so die In-vivo-Situation simulieren, soll nun die Interaktion zwischen Tumorzellen und Zellen des Lungengewebes erforscht werden. Das System kann künftig auch für die Testung von medikamentösen Therapien eingesetzt werden.

Presserundgang in der St. Anna Kinderkrebsforschung, Wien, 5.12.2023