8. Mai 2024Fall der Woche

Abskopaler Effekt bei Kieferhöhlenkrebs

Primär wirkt die Strahlentherapie lokal. Abseits des Strahlenfeldes kann sie eine systemische Wirkung auslösen: den „abskopalen Effekt“, bei dem eine lokalisierte Strahlentherapie eine Tumorverkleinerung in nicht zielgerichteten Bereichen auslöst. Obwohl dieses Phänomen bei mehreren Krebsarten beobachtet wurde, tritt es selten ein und der Wirkmechanismus ist nicht vollständig geklärt. Berichtet wurde nun über zwei Fälle von Kieferhöhlenkrebs, bei denen ein abskopaler Effekt nach einer Behandlung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) und anschließender Strahlentherapie auftrat.

Inhaltsverzeichnis
Strahlentherapie von Krebs, konzeptuelles Bild. 3D-Darstellung
Dr_Microbe/AdobeStock

Es wird vermutet, dass eine abskopale Reaktion durch die Aktivierung des Immunsystems verursacht wird – etwa durch die Aktivierung von T-Zellen, der Freisetzung von Zytokinen, Immunreaktionen auf tumorassoziierte Antigene (TAA) oder immunogenen Zelltod. Seit der Einführung von ICIs wird dieses Phänomen vermehrt beobachtet.

Fallbericht 1

Bei einem 51-jährigen Patienten wurde im Januar 2022 mittels bildgebender Verfahren (CT, PET/CT) und Biopsie ein Plattenepithelkarzinom (SCC) des Stadiums T4N0M0 diagnostiziert, nachdem er sich aufgrund von Schmerzen im linken Wangenbereich in der Klinik vorstellte. Nach einer totalen Maxillektomie und zervikalen Dissektion links sowie einer maxillären Rekonstruktion mit einem Muskellappen des linken Rectus abdominis, erhielt der Patient im März 2022 postoperativ eine simultane Chemoradiotherapie (66 Gy: 2 Gy pro Fraktion, 33 Fraktionen und Cisplatin).
3 Monate nach der Behandlung wurden bei einer CT-Untersuchung gleich mehrere knotige Läsionen in der Lunge nachgewiesen, die als Metastasen diagnostiziert wurden. Nachdem der-PD-L1-Test der Primärläsion einen Combined Positive Score (CPS) von <1 ergab, wurde der Patient mit 5 Zyklen Nivolumab behandelt. Da sich die Lungenläsionen vergrößerten, zusätzliche Metastasen im Becken auftraten und der Patient unter starken Schmerzen litt, wurde im November 2022 eine palliative Strahlentherapie der Beckenmetastasen mit einer Gesamtdosis von 20 Gy (4 Gy, 5 Fraktionen) durchgeführt. Die Behandlung führte zu einer raschen Verbesserung der Symptomlast und der nachfolgende CT-Scan zeigte eine deutliche Verkleinerung aller Metastasen der Lunge und des Beckens. Der Patient wird seither weiterhin mit Nivolumab behandelt und zeigt durchgehend ein partielles Ansprechen (PR) ohne Anzeichen einer Krankheitsverschlechterung. 

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum onko