Studien-News bei (neuro)endokrinen Tumoren
Neue Ergebnisse vom ESMO in der Behandlung (neuro)endokriner Tumore betreffen die Radioembolisation bei hoher Tumorlast in der Leber sowie die Therapie mittels Somatostatin-Analogon, VEGF-/FGF-Inhibitor und einem RET-Inhibitor.
Prof. Dr. Philippe Ruszniewski, Universität Paris VII, Beaujon Hopital, spricht im Interview mit der European Society of Medical Oncology (ESMO) über seine Studienhighlights bei neuroendokrinen Tumoren: „Wir haben einige Therapien für diese sehr komplexen Tumore. Die hier präsentierten Studien geben uns Hinweise wie wir diese Therapien sinnvoll anwenden können und das Überleben bzw. zumindest das progressionsfreie Überleben verbessern.
Zusätzliche Radioembolisation erhöht Remissionsrate bei Leberherden
Bei HEPAR PLUS handelt es sich um eine nicht-randomisierte unizentrische einarmige und offene Phase-II-Studie die eine zusätzliche 166Ho-Embolisation der Leber bei 34 Patienten mit neuroendokrinen Tumoren nach Behandlung mit 177Lu-DOTATE prüfte (Braat AJ et al., Abstract 13800). Die zusätzliche Radioembolisation wurde innerhalb von weniger als 20 Wochen durchgeführt. 60 Prozent der Patienten hatten Grad-II-Tumore.
„Die Peptidrezeptor-vermittelte Radionuklid-Therapie (PRRT) ist ein effektives Konzept für die Behandlung metastasierter neuroendokriner Tumore. Aber es könnte verbessert werden indem eine Therapie ergänzt wird, die zielgerichteter auch Leberherde angreift“, erklärt Ruszniewski. In diesem Fall wurde in den Wochen nach der letzten PRRT zusätzlich eine Radioembolisation mit Holmium-166 (60 Gy Zielvolumen) durchgeführt.
„Es zeigte sich, dass diese Kombination bei Patienten die nach der PRRT eine große verbleibende Tumorlast aufwiesen mit über 40 Prozent gemäß RECIST-Kriterien eine sehr gute partielle Ansprechrate erzielte. Das ging auf Kosten nur weniger Nebenwirkungen. Allerdings kam es bei einem Patienten im Zusammenhang mit der Radioembolisation zu fatalem Leberversagen. Die Lebensqualität der Patienten wurde – mit Ausnahme der ersten drei Wochen infolge der Therapie – beibehalten“, kommentiert der Experte.
Somatostatin-Analogon: Doppelte Dosis bei NETs in Pankreas und Darm
Die randomisierte CLARINET-Studie prüfte Lanreotid Autogel 120mg alle 28 Tage im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit gut differenzierten, fortgeschrittenen neuroendokrinen Tumoren des Pankreas oder Mitteldarms. Die Therapie hatte sich als wirksam in der Verzögerung eines Tumorprogresses erwiesen. In der nun beim ESMO präsentierten Studie CLARINET FORTE erhielten Patienten der CLARINET-Studie, deren Tumore progredient waren, die doppelte Dosis – nämlich Lanreotid alle 14 Tage (Ruszniewski P et al., Abstract 1388P). Bei pankreatischem Ursprung (n=48) handelte es sich mehrheitlich um Grad-2-Tumore (77%), bei Primärerkrankung im Mitteldarm (n=51) fanden sich mehr Grad-1- (55%) als Grad-2-Tumore (45%). Alle Tumore exprimierten Somatostatin-Rezeptoren.
„Wir sind sehr gespannt und erwarten die finalen Ergebnisse dieser Studie im ersten Quartal 2020. Wir hoffen das PFS zu verlängern indem wir die Dosis dieses Somatostatin-Analogons verdoppeln. Ein solches Resultat könnte einer zu frühen Anwendung aggressiver Therapien in diesem Setting vorbeugen.“
Ruszniewski präsentiert die CLARINET-FORTE-Studie und kommentiert weitere NET-News am ESMO.
VEGF-/FGF-Inhibitor ist effektiv bei extra-pankreatischen NETs
Die SANET-ep-Studie ist eine 2:1-randomisierte placebokontrollierte Phase-III-Studie bei nicht-pankreatischen neuroendokrinen Tumoren mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Surufatinib, der sich gegen VEGF- und FGF-Rezeptoren richtet (Jianming X et al. Abstract LBA76). Der primäre Endpunkt, das progressionsfreie Überleben belief sich auf 9,2 vs. 3,8 Monate mit Surufatinib vs. Placebo (HR 0,334; p<0,0001). An relevanten Nebenwirkungen nennt Ruszniewski insbesondere Hypertension und Proteinurie.
Basierend auf der Interimsanalyse wurde diese Studie durch das unabhängige Daten-Monitoring-Komitee beendet. Eine Parallel-Studie mit dem Wirkstoff bei pankreatischen neuroendokrinen Tumoren läuft derzeit.
Ruszniewski zufolge handele es sich um „eine sehr gut gemachte randomisierte Phase-III-Studie. Das PFS ist signifikant länger mit diesem Tyrosinkinase-Inhibitor. Der Platz dieses neuen Wirkstoffs im Therapie-Armamentarium bleibt in weiteren Studien zu definieren.“
RET-Kinase-Inhibitor punktet bei Schilddrüsentumoren
Ein weiterer Late-Breaking-Abstract zeigte deutliche Anti-Tumoraktivität von Selpercatinib (LOXO-292) bei RET-alterierten Schilddrüsentumoren (Wirth LJ et al., Abstract LBA93). Die globale Phase-I/II-Studie LIBRETTO-001 inkludierte (neben anderen Entitäten) 226 Patienten mit RET-mutiertem medullärem Schilddrüsenkarzinom (MTC) und 27 mit RET-Fusions-positivem Schilddrüsenkarzinom. Davon hatten 124 Patienten zuvor Cabozantinib und/oder Vandetanib erhalten.
In der primären Analyse waren die ersten 55 Patienten mit RET-mutiertem MTC enthalten die entweder Cabozantinib und/oder Vandetanib erhalten hatten. In dieser Gruppe wurde eine Gesamtansprechrate von 56 Prozent erreicht. Die mediane Therapiedauer und das PFS waren noch nicht erreicht. Es kam zu signifikanten und stabilen Reduktionen von Calcitonin und CEA bei den meisten Patienten.
Bei Cabozantinib-/Vandetanib-naiven Patienten (n=76) betrug die Gesamtansprechrate 59 Prozent. Die Gruppe der Patienten mit RET-Fusions-positivem Schilddrüsenkarzinom hatte eine Gesamtansprechrate von 62 Prozent. Auch in diesen Populationen waren mediane Ansprechdauer und PFS nicht erreicht.
Nur 1,7 Prozent der Gesamtpopulation (n=531) brach die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Die meisten Nebenwirkungen waren geringgradig und nicht mit Selpercatinib assoziiert. Laut Autoren sei das Outcome mit Selpercatinib nach Behandlung mit zugelassenen Multikinase-Inhibitoren (MKIs) vergleichbar mit der Wirkung von MKIs in der Erstlinie, aber weniger toxisch.
„Die Ergebnisse bilden die Basis für den Zulassungsantrag bei der FDA, Ende 2019“, so die Autoren.
Geplant ist eine randomisierte Phase-III-Studie mit Selpercatinib vs. Cabozantinib oder Vandetanib in Kinase-Inhibitor-naiven RET-mutationspositiven MTC.
Quelle
ESMO Congress 2019