3. Mai 2022Reizender Schmetterling

Eichenprozessionsspinner – Ausschläge nach einem Sommertag im Freien

So manche vermutete Bettwanzenplage im Sommer könnte auf einen Ausflug ins Grüne zurückzuführen sein: Auch in der Schweiz kommt mittlerweile der Eichenprozessionsspinner vor. Das in seinen Brennhaaren enthaltene Thaumetopoein kann bei Hautkontakt allergische Reaktionen auslösen.

Eichenprozessionsspinner auf einem Grashalm
Andreas_Zerndl/gettyimages

Die unscheinbare Raupe rottet sich im Frühsommer oft zu Tausenden auf Eichen in Nestern zusammen. Dadurch verteilen sich die giftigen Brennhaare in der Luft.

Der Eichenprozessionsspinner ist von der Iberischen Halbinsel über Süd- und Mitteleuropa bis in den Süden Russlands und nach Vorderasien verbreitet. Der Name leitet sich von der Tatsache ab, dass die Raupen vorwiegend auf Eichen leben. Die Raupendermatitis, welche der Eichenprozessionsspinner auslösen kann, tritt nahezu ausschliesslich in den Sommermonaten auf.

Brennhaare lösen Kontaktallergie aus

Der Kontakt mit den Nesselhaaren dieser Raupen löst eine allergische Reaktion aus – es handelt sich um eine Kontaktallergie (Soforttyp vom Typ-I-Reaktion). Um an der Raupendermatitis zu erkranken, muss kein direkter Körperkontakt mit den Raupen selbst erfolgt sein. Es genügt bereits, mit den Haaren der Raupen in Berührung zu kommen. Der Eichenprozessionsspinner verliert während seiner Wanderung durch bewaldete Gebiete in grösseren Mengen seine Brennhaare; diese können noch über einen längeren Zeitraum in der Luft schweben oder sich auf dem Boden oder im Unterholz befinden. Die Brennhaare sind nahezu unsichtbar und haften durch ihre Widerhaken hartnäckig an Kleidung oder Haaren.

Quaddelbildung und Dermatitis bis hin zu Konjunktivitis und Atemwegsbeschwerden

Das klinische Bild zeigt sich als Kontakt-Urtikaria mit Quaddelbildung oder als toxische irritative Dermatitis. Oft kommt es auch zu urtikariellen Papeln. Betroffen sind meist alle Hautareale, die nicht durch Kleidung geschützt waren. In einer Analyse klagte fast jeder Betroffene (98 Prozent) über Juckreiz, bis 20 Prozent über eine Konjunktivitis, zwölf Prozent erlitten eine Entzündung der oberen Atemwege. Bei jedem dritten Patienten wurde eine Arbeitsunfähigkeit attestiert, eine stationäre Behandlung war aber äusserst selten (0,2–0,7 Prozent) (1). Bei höherer Belastung durch die Gifthaare oder wenn die betroffene Person empfindlich reagiert, können die Symptome wesentlich schwerwiegender sein: Allgemeinreaktionen wie Fieber und Malaise sowie anaphylaktoide Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock wurden beschrieben.

Die Raupendermatose sieht für den Laien manchmal nach dem Werk von Bettwanzen aus.
wikimedia commons/Daniel Ullrich, Threedots

Die Raupendermatose sieht für den Laien manchmal nach dem Werk von Bettwanzen aus.

Therapie und Vorsorge

Unbehandelt heilen die Hautreaktionen in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen von selbst wieder ab. Bei starkem Juckreiz wird mit lokalen Kortisonpräparaten und oralen Antihistaminika therapiert. Auch für Hunde stellen die Gifthaare eine Gefahrenquelle dar, besonders die empfindliche Nasen- und Mundschleimhaut kann geschädigt werden.

Nach Kontakt mit den Brennhaaren des Eichenprozessionsspinners empfehlen sich (2):

  • Sofortiger Kleiderwechsel und der Versuch, mit einem Klebeband vorhandene Brennhaare von der Haut abzunehmen.
  • Duschbad mit Haarwäsche.
  • Bei Augenbeteiligung das Spülen mit Wasser.
  • Hautreaktionen können lokal symptomatisch mit topischen Kortikosteroiden behandelt werden.
  • Bei Konjunktivitis ophthalmologische Externa, die auch ein Antiseptikum enthalten.
  • Gegen den meist stark ausgeprägten Juckreiz sind orale Antihistaminika hilfreich.
  • Bei respiratorischen Symptomen ist der Einsatz von Betasympathomimetika und/oder steroidhaltigen Dosieraerosolen indiziert.
  • Schwerere Verläufe können eine systemische Kortikosteroidtherapie notwendig machen.

Datenlage unklar, weitere Forschung ist nötig

Wie oft die Dermatose tatsächlich vorkommt, kann nur geschätzt werden, da Erkrankungsfälle nicht systematisch erfasst werden und es weder einen spezifischen ICD-10-Code noch eine Meldepflicht gibt. Dermatologische Untersuchungsmethoden fehlen, und auch die Einordnung des Krankheitsbildes sowie Kriterien der Diagnosestellung sind bisher nicht geklärt (3).

Referenzen
  1. Gloyna K. Der Eichenprozessionsspinner: Biologie, gesundheitliche Relevanz und Gegenmaßnahmen. Jahrestagung DGMEA, Basel 26.–28. 9. 2013, Abstract 10.
  2. Rahlenbeck S, Utikal J. Eichenprozessionsspinner-Allergie: Raupen mit reizenden Brennhaaren. Dtsch Aerztebl 2017; 114 (18): A-896/B-754/C-738 .
  3. Deutsches Umweltbundesamt. Eichenprozessionsspinner – Antworten auf häufig gestellte Fragen. Mai 2019. abgerufen am 28.04.02022).