19. März 2016Die Diabetesprävalenz in der Langzeitpflege

Den Diabetes bei Pflegebedürftigen kontrollieren

Die Diabetesprävalenz von Senioren in der Langzeitpflege (LZP) liegt bei 25 bis 34 %. Diese Patientengruppe ist heterogen und stellt die betreuenden Ärzte immer wieder vor Herausforderungen.

Krankenschwetser prüft Blutzucker von Seniorin
AlexRaths/gettyimages

Wie das Diabetes-Management bei betagten Menschen in der Langzeitpflege am besten gestaltet werden kann, hat die amerikanische Diabetesgesellschaft unter Federführung von Professor Dr. Medha N. Munshi, Harvard Medical School, Boston, in einem Positionspapier zusammengefasst.

Am Anfang steht immer eine sorgfältige Untersuchung des allgemeinen Gesundheitszustands und der Begleiterkrankungen, bevor man über Behandlungsziele und Therapiestrategien entscheidet. Wichtig sind zudem das Setting, in dem der Patient lebt, und auch die soziale und medizinische Unterstützung, die er erhält.

Manche Pflegeeinrichtungen sehen nur eine partielle Unterstützung beim medizinischen Management vor, andere übernehmen diese komplett.

Hypoglykämie-Prädiktoren unbedingt beachten!

Da ein Unterzucker gerade bei alten Menschen zu verheerenden Folgen führen kann, sollte das Hypoglyk­ämierisiko des Patienten eingeschätzt und auf allzu ehrgeizige Blutzucker-Zielwerte verzichtet werden. Als stärkste Hypoglykämie-Prädiktoren gelten:

  • Fortgeschrittenes Altern    
  • Kürzlich erfolgte Hospitalisation
  • Polypharmazie

Alle drei sind Charakteristika von LZP-Patienten, so die Autoren. Andererseits birgt auch eine persistierende Hyperglykämie Gefahren, da zu hohe Blutzuckerwerte das Risiko für Dehydratation, Elektrolytabweichungen, Harninkontinenz, Schwindel und Stürze erhöhen.

Patienten in der Langzeitpflege leiden häufig unter bestimmten Erkrankungen und Problemen wie kognitive Dysfunktion, Depression, körperliche Behinderung, Essprobleme oder wiederholte Infektionen. All diese Faktoren fließen in die Diabetestherapie mit ein.

Bei der Wahl der geeigneten Antidiabetika müssen daher auch Komorbiditäten und Komedikationen berücksichtigt werden, um Nebenwirkungen und Interaktionen zu vermeiden. Insulininjektionen bekommen Patienten in Pflegeeinrichtungen in der Regel vom Personal verabreicht. Dennoch ist das Hypoglykämierisiko in dieser Population hoch.

Die Experten sehen die Ursache dafür im unregelmäßigen Essverhalten der Bewohner und der häufig eingesetzten Sliding- Scale-Insulin(SSI)-Strategie – einer schrittweisen Anpassung der Gabe eines schnell wirksamen Insulins basierend auf den Blutzuckerwerten vor der Mahlzeit bzw. vor dem Schlafengehen.

Die Autoren raten von einer alleinigen SSI-Therapie ab: Diese führe zu starken Blutzuckerschwankungen und bedeute erheblichen pflegerischen Aufwand. Um einer Dehydratation, Unterernährung und unbeabsichtigter Gewichtsabnahme vorzubeugen, sollte auf restriktive Diäten eher verzichtet werden.

Liberale Ernährungspläne führen dazu, dass Patienten in Langzeitpflege mehr Nahrung und Flüssigkeit zu sich nehmen und so die kalorischen und Nährstoffanforderungen erfüllen. Körperliche Aktivität – unter Berücksichtigung der funktionellen Fähigkeiten – bleibt auch für betagte Menschen wichtig.

Kann dieser Patient noch Selbstmanagement leisten?

Den Wechsel vom Krankenhaus oder aus dem betreuten Wohnen in eine stationäre Pflegeeinrichtung bezeichnen die Experten als Transi­tion. Ein solches Ereignis sollte immer Anlass geben, die Diabetestherapie und Behandlungsziele zu überdenken und einzuschätzen, ob und in welchem Umfang der Patient noch ein Selbstmanagement leisten kann.

Beim Übergang vom einen Setting ins andere stellt die Dokumentation von vorherigen Laborwerten, Aktivitätslevels oder Hypoglykämieepisoden einen wichtigen Punkt dar. Am Lebensende stehen beim Diabetes-Management das Wohlbefinden und die Lebensqualität im Vordergrund.

Auf komplizierte Behandlungspläne und unnötige Diagnostik sollte man verzichten. Auch gilt es, das Recht des Patienten auf eine Verweigerung der antidiabetischen Therapie zu respektieren.

Quelle: Medha N. Munshi et al., Diabetes Care 2016; 39: 308-318