30. Okt. 2017ECTRIM 2017

Training verbessert Konnektivität im Gehirn

Magnetresonanztomografie von einem menschlichen Gehirn mit Multipler Sklerose
iStock/DeanAustinPhotography

Aerobes Ausdauertraining kann oxidativen Stress reduzieren und hat bei zahlreichen entzündlichen Erkrankungen günstige Wirkungen. Aktuelle, im Rahmen des ECTRIMS 2017 vorgestellte Daten legen nun nahe, dass Ausdauertraining bei MS Patienten auch die Konnektivität im Gehirn verbessern kann (1).

Ausgangspunkte der Studie waren einerseits die Erfahrung, dass aerobes Training sowohl bei gesunden Probanden als auch bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen neuroprotektive und neuroregenerative Mechanismen ankurbeln kann, andererseits aber auch Überlegungen im Hinblick auf die Organisation des Gehirns. „In den vergangenen zehn Jahren wurde verstärkt Netzwerk-Analyse auf die Untersuchung des Gehirns und von Erkrankungen des Gehirns angewandt. Das hat dazu geführt, dass man versucht, das Gehirn anhand von Modellen zu verstehen, die kein 1:1-Abbild des Gehirns sind, sondern rekonstruieren sollen, was im Gehirn geschieht“, sagt Dr. Jan-Patrick Stellmann vom Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und weist auch darauf hin, dass diese Modelle auf wichtigere und weniger wichtige Zentren im Gehirn hinweisen. Dafür wurde der Terminus des „Rich Club“ gewählt: Eine kleine Elite ausgezeichnet vernetzter Zentren, die weitgehend darüber bestimmen, was weniger wichtige Zentren zu tun haben. Es gibt, so Stellmann, Hinweise, dass gerade diese Schaltstellen im Gehirn bei MS abbauen und es zu spezifischen Veränderungen der Netzwerk-Topologie kommt.
Veränderungen in diesem Netzwerk des Gehirns können mittels MRT sichtbar gemacht werden. Die Topology ist im Ruhezustand (resting state MRI) sichtbar, während die strukturelle Konnektivität mit der diffusionsgewichteten MRT dargestellt werden kann. Auf Basis dieser Daten kann das Netzwerk für den individuellen Menschen rekonstruiert werden.

Rascher und signifikanter Effekt in der Trainingsgruppe

Aufbauend auf diesen Einsichten untersuchte die deutsche Gruppe in einer randomisierten Studie die Auswirkungen von aerobem Ausdauertraining auf die funktionelle und strukturelle Konnektivität in den Gehirnen von MS-Patienten. Stellmann: „Man könnte unsere Studie als frühe Phase II Studie bezeichnen. Untersucht wurde eine Trainings-Intervention über drei Monate. Die Probanden wurden mit einer nicht-trainierenden Vergleichsgruppe verglichen. Placebokontrolle ist bei Sport schwierig zu erreichen.“ Die Studienpopulation bestand aus 57 Patienten mit schubförmig verlaufender MS mit einem Durchschnittsalter von 39 Jahren und einem medianen EDSS von 1,5. Die Teilnehmer wurden 1:1 randomisiert in eine Vergleichsgruppe und eine Trainingsgruppe, die ein überwachtes und individualisiertes aerobes Trainingsprogramm erhielt. Zu Beginn der Studie und nach drei Wochen wurden MRT-Untersuchungen durchgeführt, aus denen funktionelle Netzwerke rekonstruiert wurden. Dies ergab individuelle Konnektome mit 160 Knoten, die mittels Graph-Theorie auf globaler und nodaler Ebene analysiert wurden. Die Analyse der topologischen Reorganisation erfolgte anhand des adaptierten Hub Disruption Index. Als Referenz dienten die Daten von 30 gematchten gesunden Kontrollen.
Zu Beginn der Studie zeigten beide Patientengruppen im Vergleich zu den gesunden Kontrollen eine höhere funktionelle Konnektivität während die strukturelle Konnektivität geringer war. Beide Effekte waren besonders ausgeprägt in hoch vernetzten Hub-Regionen. Nach drei Monaten war in der nicht trainierenden Gruppe die funktionelle Konnektivität zurückgegangen, während sie in der Trainingsgruppe angestiegen war (p=0.002). Stellmann: „Auf globaler Ebene wurden alle Verbindungen besser.” Auf strukturelle Konnektome wurde ein ähnlicher Effekt gefunden. Während es in der „Waiting Group” keine Veränderungen gab, zeigte die Trainings-Gruppe eine global erhöhte strukturelle Konnektivität (p = 0,002). Veränderungen klinischer Endpunkte wurden nicht beobachtet. Dies sei allerdings, so Stellmann, angesichts des Kollektivs von Patienten mit relativ benigner Erkrankung und der kurzen Beobachtungsdauer auch nicht zu erwarten gewesen.

Referenz:
1 Stellmann JP et al. Aerobic exercise induces functional and structural reorganisation of the brain network: Results from a randomized controlled trial in relapsing-remitting multiple sclerosis. Abstract 234