25. Sep. 2017

Vom Sport in die Knie gezwungen

TENDINOPATHIEN (TEIL 1) – So vielseitig die Ursachen einer Tendinopathie sein können, so vielseitig ist auch das Therapiespektrum. Doch bei einigen Behandlungsoptionen fehlt weiterhin die Evidenz. (Medical Tribune 38/2017)

Schmerzhafte Überlastungsreaktionen sind nicht so leicht zu behandeln. Oft sind nur Kurzzeiteffekte belegt.
Schmerzhafte Überlastungsreaktionen sind nicht so leicht zu behandeln. Oft sind nur Kurzzeiteffekte belegt.

Nicht nur Ältere leiden aufgrund chronischer Über- oder Fehlbelastungen schon mal an einer Tendinopathie. 14 Prozent der jungen Sportler erwischt es ebenfalls. Eine wirksame Therapie zu finden, ist nicht immer einfach, schreiben Dr. Hauke Horstmann von der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover und Kollegen.* Die Forscher berichten über häufige Entitäten und mögliche Therapien. Zum „jumpers knee“ zählen (schmerzhafte) Überlastungsreaktionen der Quadrizepssehne, des proximalen oder distalen Patellapols, der Patellasehne oder der Tuberositas tibiae. Die Tendinopathie des distalen Patellapols und der Patellasehne ist mit 60–70 Prozent die häufigste chronische Überlastungsreaktion des Streckapparats.

Behandlung sollte multimodal sein

Neben Sportarten mit starker Sprungbelastung können u.a. auch Gymnastik oder Kraftsport eine Tendinopathie auslösen. Bei der Pesanserinus-Tendinitis/ Bursitis ist der Ansatz der Adduktoren am medialen Tibiaplateau betroffen. Die Form tritt vor allem bei älteren Frauen mit Valgusdeformität am Kniegelenk auf, gelegentlich bei Männern. Die Diagnose erfolgt in erster Linie klinisch. Die Insertionstendinopathie des Tractus iliotibialis wird auch Läuferknie genannt und entsteht, wenn der distale Tractus iliotibialis über den lateralen Femurkondylus reibt. Oft tritt dies bei Langstreckenläufern oder Radfahrern auf. Prädisponierende Faktoren sind Genu varum und eine schwache Rumpfmuskulatur. Bei einer Tendinopathie empfehlen die Autoren grundsätzlich multimodale Behandlungsansätze.

  • NSAR kommen bei Sehnenproblemen häufig zum Einsatz. Frühere Studien sprachen sich eindeutig für deren Gebrauch aus. Doch in größeren Untersuchungen, die nicht nur das Kniegelenk umfassten, kam es vor allem bei chronischen Enthesiopathien zu keiner signifikanten Besserung der Beschwerden oder gar zu einer Art Remodelling der Sehne.
  • Die Kryotherapie gehört zu den Klassikern bei muskuloskelettalen Schmerzen. Man nimmt an, dass der Nutzen auf einer Reduktion von Blutfluss, Nervenleitgeschwindigkeit, Zellmetabolismus und Muskelaktivität beruht. Zusammen sollen diese Effekte analgetisch wirken. Ein Nachweis steht derzeit noch aus. Auch für Faszientechniken und Kinesiotaping fehlt die Evidenz.
  • Der Wirkmechanismus der Stoßwellentherapie ist noch nicht vollständig geklärt. Man vermutet einerseits eine Schmerzreduktion durch Überstimulation und andererseits eine Anregung der Geweberegeneration. Die Behandlung erfolgt radiär oder fokussiert, beide Therapieformen sind ähnlich erfolgreich. Für die Wirksamkeit bei Tendinopathie besteht Evidenz.
  • Kortisoninjektionen erzielten in Studien vorwiegend signifikant positive Kurzzeiteffekte von zirka vier Wochen. Doch besteht grundsätzlich das Risiko einer Sehnenruptur. Laut einer Metaanalyse tritt sie zwar lediglich bei 0,1 Prozent der Patienten auf, allerdings gibt es zahlreiche Einzelfallberichte, die einen höheren Prozentsatz vermuten lassen. Kollegen sollten dies mit ihren Patienten besprechen. Genauso wie den Aspekt, dass das Knie nach einer Kortisoninfiltration an der Patella- oder Quadrizepssehne nicht mehr so stark belastet werden darf.
  • Bisher war die Injektion von plättchenreichem Plasma aufgrund kontroverser Studienergebnisse umstritten. Nun ergab eine Metaanalyse aus 18 Untersuchungen eine Tendenz zur evidenzbasierten Wirksamkeit. Dabei scheint die Anwendung bestimmter Techniken und Produkte entscheidend zu sein: Als erfolgreich erwies sich leukozytenreiches Plasma, das unter Ultraschallkontrolle fächerförmig injiziert wurde.
  • Eine Sklerosierung durch Injektion von Alkoholen wie Polidocanol zielt auf die Neovaskularisation im paratendinösen Gewebe ab. Diese Methode verödet neu aufgetretene Gefäße und lindert dadurch die Beschwerden. Vier Monate nach der Behandlung zeigte sich in einer Studie eine signifikante Besserung von Kniefunktion und Schmerzen. Jedoch heilte die Tendinopathe im Follow-up nur in seltenen Fällen.

Lesen Sie hier Teil 2 der Serie: “Was der Schulter neben Schonung noch hilft”
Lesen Sie hier Teil 3 der Serie: “Achillodynie: Dehnen, dehnen, dehnen!”
Lesen Sie hier Teil 4 der Serie: “Hüftschmerzen: Sehnen ins Visier nehmen!”

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune