13. Juni 2017

Rekord bei Arzneimittelfälschungen

PRODUKTPIRATERIE – 2016 verzeichnete der österreichische Zoll einen traurigen Höchstwert: Noch nie waren so viele gefälschte Arzneimittel aufgegriffen worden. Die Betrüger setzen dabei auf neue professionelle Vertriebswege. (Pharmaceutical Tribune 10/2017)

Gerhard Marosi (links) warnt vor Fälschungen.
Gerhard Marosi (links) warnt vor Fälschungen.

Noch nie war die Zahl der vom Zoll aufgeriffenen Arzneimittel so hoch wie im Jahr 2016. „Bei 900 Aufgriffen wurden insgesamt 53.389 Medikamentenplagiate beschlagnahmt“, heißt es im vor Kurzem vom Finanzministerium veröffentlichten Produktpirateriereport (siehe auch Tabelle). Der Wert dieser Arzneimittelfälschungen betrug – gemessen am Preis der entsprechenden Originalpräparate – 1.071.540 Euro. „Medikamente werden von skrupellosen Geschäftemachern gefälscht, die nahezu vollständig im Untergrund agieren.

Entwicklung

Diese Fälschungen werden unter Bedingungen produziert, gelagert und transportiert, die nicht annähernd den geltenden Standards der Pharmaindustrie entsprechen“, so Gerhard Marosi, verantwortlich für den Kampf gegen Produktpiraterie im Bundesministerium für Finanzen in einer Aussendung. Marosi warnt: „Von diesen Plagiaten geht eine große Bedrohung für die Gesundheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger aus!“ Die Hitliste der gefälschten Arzneimittel wird nach wie vor von Lifestyle-Präparaten angeführt – hier allen voran Potenzmittel, Diätpillen und Haarwuchspräparate. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Anteil der Potenzmittel während das Quantum der anderen Lifestylepräparate sank.

Fälscher entdecken neue Vertriebswege

Bei der Einfuhr der gefälschten Arzneimittel gibt es schon seit Jahrzehnten ein Katzund MausSpiel zwischen Zollfahndern und Fälschern. Gelingt Ersteren ein Aufgriffserfolg, weichen Letztere auf neue Routen und Wege aus. Eine relativ neue Methode ist es, die gefälschten Medikamente in großen Mengen nach Europa zu schmuggeln und hier über eigens aufgebaute Vertriebsnetze zu verteilen. Da die Sendungen dann innerhalb der EU per Post versandt werden, unterliegen sie nicht mehr den Zollkontrollen. Dass sich dieser Schmuggelweg auch professionell aufziehen lässt, bewiesen die Fälscher 2016. So wurden in Deutschland ansässige „Fulfillment Center“ als Verteiler verwendet. Diese spezialisierten Logistikdienstleister, die mit dem Abschluss des Vertrages zwischen Käufer und Verkäufer nichts zu tun haben, übernehmen Aufgaben wie insbesondere Lagerhaltung und Versand, die nach dem Tätigen der Online-Bestellung erfolgen.

Plagiate werden in der Müllverbrennungsanlage Pfaffenau (Wien) entsorgt.
Plagiate werden in der Müllverbrennungsanlage Pfaffenau (Wien) entsorgt.

So wurden von den insgesamt 900 im Vorjahr aufgegriffenen Sendungen mit gefälschten Arzneimitteln 595 „Pakete“ (mit insgesamt 33.039 Medikamentenplagiaten) über solche Logistikzentren aus Deutschland geliefert. Das sind mehr als zwei Drittel der vom österreichischen Zoll aufgegriffenen Arzneimittelfälschungen! Die Experten des Finanzministeriums betonen, dass die deutsche Zollverwaltung bereits über diesen Vertriebsweg informiert und ersucht wurde, entsprechende rechtliche Maßnahmen dagegen zu setzen. Dass das versendende Land nichts mit dem Ursprungsland zu tun haben muss, konnten die Zollfahnder ebenfalls dokumentieren. So stammen 98,78 Prozent der aufgegriffenen Arzneimittelfälschungen aus Indien (Singapur: 0,86 Prozent, Unbekannt: 0,33 Prozent).

Wirtschaftliche Auswirkungen

Gefälschte Arzneimittel haben auch deutliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. So ließ das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum im Vorjahr eine Studie erstellen, die die wirtschaftlichen Auswirkungen gefälschter Arzneimittel untersucht. Demnach gehen der österreichischen Arzneimittelbranche 109 Mio. Euro durch gefälschte Arzneimittel verloren. 37.700 Arbeitsplätze werden jedes Jahr alleine in Österreich durch die Fakes eingebüßt. Durch nicht geleistete Steuern und Abgaben verliert der österreichische Staat jedes Jahr 1,7 Mrd. Euro. Wohlgemerkt: Da sich die Preise von Arzneimitteln für die Endverbraucher von EU-Land zu EU-Land unter scheiden, wurde diese Studie in Großhandelspreisen gerechnet. Die Auswirkungen auf den Endverbrauchermarkt sind daher noch gar nicht mit eingerechnet.

Mitgezählt
113 Mio. Euro beträgt der Überschuss, den die Krankenkassen im Vorjahr erzielten. Mit Ausnahme der Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten (minus 26 Mio. Euro) erzielten alle Kassen eine Null oder ein positives Ergebnis.
160 Maßnahmen wurden anlässlich der Formulierung der Österreichischen Gesundheitsziele 2012 geplant. Anlässlich des 5-Jahres-Jubiläums im Mai konnte verkündet werden, dass viele davon bereits umgesetzt wurden.