2. Mai 2017

„ In kürzerer Zeit kommt oft mehr raus“

Dr. Aysegül Ilhan-Mutlu, PhD, Universitätsklinik für Innere Medizin I, setzt auf Dynamik, sowohl in der Forschung als auch im eigenen Lebenslauf. Sie macht vor, wie man in viereinhalb Jahren Medizin studiert und Kind mit Karriere in der Wissenschaft kombiniert. (krebs:hilfe! 4/17)

Ilhan-Mutlu: „Wissenschaft mit Präsentationen und Deadlines, das kann stressig und mühsam sein, aber es ist auch sehr dynamisch.“
Ilhan-Mutlu: „Wissenschaft mit Präsentationen und Deadlines, das kann stressig und mühsam sein, aber es ist auch sehr dynamisch.“

Die 32-jährige Ilhan-Mutlu ist derzeit in Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin im fünften Jahr. Sie blickt auf zahlreiche Publikationen auf dem Gebiet der Neuroonkologie zurück und erhielt dafür u.a. eines der begehrten ESMO Translational Research Fellowships für einen Aufenthalt am Deutschen Krebsforschungsinstitut in Heidelberg. Dabei entstand eine Publikation die zeigte, dass Bevacizumab die Entstehung von Hirnmetastasen bei Patienten mit Lungenkarzinom reduzieren kann (Ilhan-Mutlu et al., Mol Cancer Ther 2016).

Auf der Überholspur

2007 promovierte die gebürtige Türkin, die im Alter von 17 Jahren nach Wien kam, um Medizin zu studieren, nach nur viereinhalb Jahren Studium. „Ich habe in den Ferien immer famuliert und wollte mich so schnell wie möglich weiterentwickeln“, sagt sie. Nach dem Studium forschte Ilhan-Mutlu an der Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin III auf den Gebieten Endokrinologie und Nephrologie und charakterisierte das bis dahin unerforschte C20orf3-Gen, woraus später ihre PhD-Thesis entstand. Ab 2009 engagierte sie sich in der Arbeitsgruppe Neuroonkologie von Assoz.-Prof. PD Dr. Matthias Preusser und war an der Gründung einer Biobank für Patienten mit primären und sekundären Hirntumoren beteiligt. Aus den hier gesammelten Daten entstand u.a. die Arbeit „Comparison of microRNA expression levels between initial and recurrent glioblastoma specimen“ (Ilhan-Mutlu et al., J Neurooncol 2013), die mit dem Poster Award der European Associaton of Neuro-Oncology ausgezeichnet wurde.

Der Facharzt muss warten

Nachdem sie vier Jahre lang ihrer Forschungstätigkeit nachgegangen war, begann Ilhan-Mutlu 2011 mit der Facharztausbildung. Wissenschaftlich interessierten Absolventen empfiehlt sie, vor Beginn der Ausbildung zumindest zwei Jahre in die Forschung zu investieren um sich wirklich darauf konzentrieren zu können. In den letzten Jahren engagierte sich Ilhan- Mutlu insbesondere in der Gastrooesophageal Tumor Unit des CCC Vienna, Med- Uni Wien. „Unter der Leitung von Prof. Schoppmann haben wir ein sehr gut etabliertes Tumorboard mit allen Experten auf diesem Gebiet. Hier möchten wir gemeinsam mit Prof. Preusser die Anzahl der klinischen Studien deutlich erhöhen.“ Eines ihrer weiteren Ziele ist die Habilitation, wofür Ilhan-Mutlu bereits alle Leistungsnachweise erbracht hat und auf einen Termin zur Defensio wartet.

Wissenschaft als Trost

An der Wissenschaft mag Ilhan-Mutlu die ständige Erneuerung: „Man muss immer schauen, was rauskommt, es gibt Präsentationen, Deadlines, das kann stressig, mühsam und kompromissvoll sein, aber es ist auch sehr dynamisch.“ Sich nebenbei um ihren eineinhalb- jährigen Sohn zu kümmern ist eine Herausforderung, bei der Ilhan-Mutlu sehr viel Unterstützung von ihrer Familie bekommt: „Nur so, kann ich am Wochenende, nach dem Dienst oder abends etwas für meine Forschungsarbeit leisten.“ Dankbar ist sie auch über die Möglichkeit zur Teilzeitbeschäftigung während der letzten Monate – eine Option, die sich ihrer Meinung nach an der Klinik noch stärker etablieren sollte: „Wenn man nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung hat, kommt oft auch mehr raus.“

Als frustrierend erlebt Ilhan-Mutlu, wenn sie jungen Menschen mit metastasierten Karzinomen nicht langfristig helfen kann. Im Gespräch mit Patienten und deren Angehörigen versucht sie dann 100 Prozent empathisch zu sein und so gut wie möglich aufzuklären: „Wenn Menschen das Gefühl haben, dass sie sich auskennen, können sie mit der Erkrankung besser umgehen.“ Gleichzeitig in der Wissenschaft tätig zu sein ist für sie ein Trost: „Ich habe dann das Gefühl, dem Patienten alle Möglichkeiten, die derzeit existieren, anbieten zu können. Außerdem trage ich zur Weiterentwicklung der Therapien bei und kann zukünftige Patienten vielleicht besser behandeln.“

Weitere Vorschläge für Kandidaten dieser Serie richten Sie bitte an: krebshilfe@medizin-medien.at