23. Apr. 2015

Weniger Arzneimittelfälschungen 2014

PRODUKTPIRATERIEBERICHT – Im Vorjahr wurden vom Zoll erstmals weniger Arzneimittelfälschungen aufgegriffen. Der Grund dafür ist weniger erfreulich – ein Fälscherring vertrieb die Fakes von Österreich aus.

Die Produkte sehen den Originalen oft zum Verwechseln ähnlich, die Herstellungsmethoden sind mehr als fraglich. Fakt ist: Der Handel mit gefälschten Arzneimitteln boomt nach wie vor.
Die Produkte sehen den Originalen oft zum Verwechseln ähnlich, die Herstellungsmethoden sind mehr als fraglich. Fakt ist: Der Handel mit gefälschten Arzneimitteln boomt nach wie vor.

Beim Anblick dieser Sendung wurden die Zöllner am Flughafen Wien stutzig: Mehrere Kartons in unterschiedlichen Größen, kreuz und quer so verklebt, dass schon von Weitem erkennbar war, dass sie nicht leicht zu öffnen sein würden. Bei einer „intensiven Warenkontrolle“ erhärtete sich der Verdacht der Zöllner. In den 79 Kartons kamen 112.710 Stück Akkus, Ladegeräte, Kabel, Kopfhörer und anderes gefälschtes Handyzubehör zum Vorschein. Insgesamt griff der Zoll im Vorjahr 1293 Sendungen mit gefälschten Waren auf. Der Wert der beschlagnahmten 195.689 Produkte betrug – gemessen am Originalpreis – nahezu 5,5 Mio. Euro. Obwohl sich die Zahl der aufgegriffenen Sendungen verringert hat, wurden deutlich mehr gefälschte Artikel aufgegriffen (2013: 1894 Fälle mit 98.440 Fälschungen). Der Grund dafür ist die oben erwähnte Sendung mit gefälschten Zubehörteilen für Mobiltelefone.

Weniger gefälschte Medikamente aufgegriffen

Gefälschte Arzneimittel stellen laut den Experten des Finanzministeriums „eine der gefährlichsten Formen der Fälschungen dar“, heißt es im aktuellen Produktpirateriebericht* des Finanzministeriums. Der Vertrieb erfolgt über professionell gestaltete Online-Portale, „die den Konsumentinnen und Konsumenten Echtheit und Seriosität vortäuschen“. Trotz dieses professionellen Vorgehens stellten die Fahnder bereits Ende 2013 einen Rückgang bei den Medikamentenfälschungen, die per Post aus Drittstaaten geliefert wurden, fest. Dieser Trend setzte sich bis zum September 2014 fort. „Wenngleich die gegensteuernde Informations- und Aufklärungsarbeit des Bundesministeriums für Finanzen erfolgreich war, war dieser Rückgang doch höher als erwartet“, heißt es im Bericht.

Faelschungen

Die Erklärung folgte im September 2014, als dem Bundeskriminalamt ein erfolgreicher Schlag gegen den europaweiten Handel mit gefälschten Arzneimitteln gelang (siehe Kasten) und ein internationaler Fälscherring aufgedeckt wurde. Kaum war diese Tätergruppe zerschlagen, stellten die Zöllner wieder einen Anstieg bei den aus dem südostasiatischen Raum gelieferten Medikamentenfälschungen fest. Dabei zeigte sich, dass die Fälscher auf behördliche Maßnahmen reagieren. „Wenn in Europa ein funktionierendes Vertriebsnetz besteht, werden die gefälschten Medikamente im großen Stil in die EU geschmuggelt und von dort aus vertrieben“, so die Experten des Finanzministeriums.

„Bestehen in Europa keine Vertriebsmöglichkeiten, werden die gefälschten Medikamente wieder im Postverkehr geliefert.“ Insgesamt wurden 2014 bei 163 Aufgriffen 5404 Medikamentenplagiate beschlagnahmt. Der Großteil dieser Aufgriffe erfolgte nach dem Zerschlagen der Fälscherbande im 4. Quartal 2014 (siehe auch Tabelle). Um die Zahl der gefälschten Medikamente möglichst niedrig zu halten, wird die Apothekerkammer die Aufklärungskampagne „Auf der sicheren Seite“ im Frühjahr 2015 fortsetzen.

Potenzmittel als „Star“ bei Arzneimittelfälschungen

Die Hitliste der gefälschten Arzneimittel wird nach wie vor von Lifestylepräparaten angeführt, allen voran Potenzmittel, Diätpillen und Haarwuchspräparate. „Im Vergleich zu den Vorjahren steigt aber der Anteil der Potenzmittel und der Anteil der anderen Lifestylepräparate sinkt“, berichten die Experten. Singapur und Indien sind nach wie vor jene Länder, aus denen die meisten Arzneimittelfälschungen nach Österreich geliefert werden. Singapur dürfte allerdings nur eine Drehscheibe für den Handel mit Fälschungen sein und nicht Hersteller. Trotz Rückgängen braucht der österreichische Zoll den Vergleich mit anderen Ländern nicht zu scheuen. So wurde in den letzten Jahren nahezu ein Viertel aller in den 28 EU-Mitgliedstaaten aufgegriffenen Arzneimittelfälschungen in Österreich aufgegriffen, im Jahr 2013 waren es sogar 37 %.

*http://bit.ly/1CUW2vD

 

Operation Vigorali

Am 1. September 2014 schlugen Fahnder in Österreich, Ungarn und Großbritannien gleichzeitig zu: Alleine in Österreich stürmten 120 Polizisten 19 Häuser und Wohnungen in Wien sowie ein Haus in Niederösterreich. Dabei wurden zirka 20.000 Paketsendungen mit rund 30.000 gefälschten Arzneimitteln sichergestellt. Acht Personen wurden festgenommen. Gleichzeitig gab es in Großbritannien mehrere Hausdurchsuchungen und sieben Festnahmen. Die Tatverdächtigen hatten über Internet- Apotheken wie z.B. www.apotheke-austria. com vorwiegend gefälschte Potenzmittel als Originalpräparate ausgegeben und verkauft. Laut Innenministerium übernahm die von Österreich aus agierende Tätergruppe die gefälschten Arzneimittel von einer Spedition und war in weiterer Folge für die Verpackung und den weltweiten Versand via Slowakei, Deutschland und Österreich verantwortlich. Die gefälschten Arzneimittel waren in Südostasien und Indien hergestellt worden.

Autor: Mag. Tanja Beck