1. Aug. 2015

Sicherheitsrisiko CRISPR/Cas9-Verfahren

Mit dem CRISPR/Cas9-Verfahren ist die Gefahr verbunden, dass die gesamte weltweite Population einer bestimmten Art genetisch verändert wird. Nun tritt eine internationale Forschergruppe im Fachmagazin “Science” für entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ein, um Gene Drive-Experimente zu regulieren.

IMBA Scientist Jürgen Knoblich
IMBA Wissenschaftler Jürgen Knoblich

Die “mutagenic chain reaction” mittels des CRISPR/Cas9-Verfahrens eignet sich zur Veränderung von Erbgutveränderungen, die ganze Populationen von Organismen betreffen könnte. In der Online-Ausgabe des Fachmagazins Science vom 30. Juli 2015 plädiert eine internationale Gruppe von Genforschern unter Beteiligung der Wiener Wissenschaftler Jürgen Knoblich und Peter Duchek dafür, solche Experimente weltweit zu kontrollieren und nur unter sehr stringenten Sicherheitsvorkehrungen zuzugelassen.

Mit dem im Jahr 2012 von der US-Amerikanerin Jennifer Doudna und der Französin Emmanuelle Charpentier im Fachmagazin “Science” vorgestellten CRISPR/Cas-System kann DNA an einer bestimmbaren DNA-Sequenz geschnitten werden, wodurch sich andere DNA-Sequenzen an dieser Stelle einfügen lassen. Wird ein DNA-Oligonukleotid hinzugefügt, lässt sich mit dem CRISPR/Cas-System auch die DNA verändern.

Die Forscherinnen verwendeten den zum damaligen Zeitpunkt neu entdeckten RNA-Komplex (CRISPR), um ein Restriktionsenzym, die “DNA-Schere”, gezielt an Stellen von Erbgut zu steuern, wo sie dann schneiden sollten. Die Methode ermöglicht Forschern, Erbgut effizient künstlich zu verändern bzw. neue Erbinformationen einzuschleusen, wird aber seit ihrem Bekanntwerden bei bestimmten Anwendungen zunehmend kritisiert, da sie beispielsweise dafür eingesetzt werden kann, das Genom bestimmter Insekten so zu verändern, dass sich diese Veränderungen an alle Nachkommen weitervererben.

Gene-Drive stellt Gesetze der klassischen Vererbungslehre auf den Kopf

Ethan Bier von der University of California entwickelte mit seinen Kollegen eine Methode, die auf CRISPR/Cas9 basiert. Die Befürchtung, dass mittels “Gene-Drive” veränderte Organismen ihr Erbgut unkontrolliert an Wild-Typ-Insekten der gleichen Art weitergeben und damit die gesamte Wild-Population einer Art verändern könnten, wurde laut.

Einen solchen “Gene Drive” konnten Wissenschafter bereits vor vielen Jahrzehnten in der Natur beobachten. Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien, der gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Duchek an dem neuen Vorschlag für Sicherheitsvorkehrungen mitgearbeitet hat, erklärte, dass das “Gene Drive”-Phänomen bereits in den 1950er-Jahren bei der seit den 1920er-Jahren in Labors gezüchteten Fruchtfliege beobachtet wurde. Bereits in den 1950er- und 1960er-Jahren gelang es nicht mehr, die Labor-Drosophilas mit dem Wildtyp zu kreuzen. Beim “Gene Drive” überwuchert nämlich die neue Erbsubstanz binnen weniger Generationen die alte, auch wenn sie zu einem Nachteil führt.

Gene Drive gezielt einsetzen

Knoblich begrüßt, dass Wissenschafter ihre Verantwortung erkannt haben, lange bevor der Gesetzgeber in der lage ist, entsprechend zu handeln. Er tritt auch nicht dafür ein, “Gene Drive”-Experimente zu verbieten. Schließlich könnten diese beispielsweise dafür verwendet werden, Anopheles-Mücken so zu verändern, dass sie keine Malaria übertragen können.

Mehrfache Schutzbarrieren

Mit mehrfachen Sicherheitsbarrieren sollen “Unfälle” bei bestimmten Anwendungen der neuen Methode verhindert werden. Die Wissenschaftler fordern, dass sämtliche Arbeiten mit Verfahren, die zu einem “Gene Drive” führen könnten, in von dafür zuständigen Behörden überwachten Hochsicherheitslabors durchgeführt werden. Darüber hinaus sollten Experimente mit Organismen jeweils nur in Regionen durchführen werden, in denen (auch) die genetisch veränderten Organismen bei einem Entkommen aus dem Labor keine Überlebenschance hätten.

Entsprechende Arbeiten an Organismen sollten auch immer nur von einem Wissenschafter durchgeführt werden, um Fehler beim Handling durch viele Personen zu verhindern, lautet die Empfehlung. Schließlich könnte man die CRISPR/Cas9-Methode in einer Art anwenden, welche in sich schon die Gefahr eines “Gene Drive” minimiert: Durch Einfügen der “Gen-Schere” und des Steuerungselements an verschiedenen Orten des Erbguts des Zielorganismus. Am Dienstag fanden zu diesem Thema in den USA bereits Beratungen der Regulierungsbehörden statt.

Omar S. Akbari, Hugo J. Bellen, Ethan Bier, Simon L. Bullock, Austin Burt, George M. Church, Kevin R. Cook, Peter Duchek, Owain R. Edwards, Kevin M. Esvelt, Valentino M. Gantz, Kent G. Golic, Scott J. Gratz, Melissa M. Harrison, Keith R. Hayes, Anthony A. James, Thomas C. Kaufman, Juergen Knoblich, Harmit S. Malik, Kathy A. Matthews, Kate M. O’Connor-Giles, Annette L. Parks, Norbert Perrimon, Fillip Port, Steven Russell, Ryu Ueda, Jill Wildonger
Safeguarding gene drive experiments in the laboratory
Science, Published online 30 July 2015, DOI: 10.1126/science.aac7932

>> The CRISPR Revolution

>> Jennifer Doudna Wins 2015 Breakthrough Prize in Life Sciences

Joseph Gokcezade, Grzegorz Sienski, Peter Duchek
Efficient CRISPR/Cas9 Plasmids for Rapid and Versatile Genome Editing in Drosophila
G3: Genes, Genomes, Genetics, Early Online September 17, 2014, DOI: 10.1534/g3.114.014126

Jennifer A. Doudna, Emmanuelle Charpentier
The new frontier of genome engineering with CRISPR-Cas9
Science 28 November 2014: Vol. 346 no. 6213, DOI: 10.1126/science.1258096

Quelle: APA