3. Apr. 2014

Achtsamer mit Daten umgehen!

GRUNDLSEE – Ärzte und andere Gesundheitsberufe gehen manchmal zu sorglos mit patientenbezogenen Daten um. Das war der Sukkus einer spannenden Podiumsdiskussion zur Datenweitergabe auf dem 4. Interdisziplinären Symposium zur Suchterkrankung in Grundlsee, Steiermark. Natürlich durfte bei diesem Thema auch ein Schlagabtausch zu ELGA nicht fehlen.

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Vorsicht ist bei der Weitergabe patientenbezogener Daten dringend anzuraten.

Darf ein Arzt dem Partner eines Patienten die Diagnose der Partnerin mitteilen? Darf der Arzt den Fragebogen einer Lebensversicherung in Abwesenheit des Patienten ausfüllen? Darf der Arzt Fragen der Führerscheinbehörde nach einer allfälligen Suchterkrankung samt Therapie beantworten? Mit diesen und anderen Fragen stiegen zwei Juristen von der Johannes Kepler Uni Linz (JKU) gleich in die Diskussion zum Persönlichkeitsschutz psychiatrisch Kranker versus Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft ein. Die beiden Juristen waren Univ.-Prof. Dr. Nicolas Raschauer, Abteilungsleiter für Öffentliches Unternehmensrecht der Johannes Kepler Universität Linz, der andere Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer, Institut für Strafrechtswissenschaften in Linz.

Der Strafrechtler wies darauf hin, dass das Risiko, wegen einer „strafbaren Verletzung von Berufsgeheimnissen“ verfolgt zu werden, „gar nicht so gering“ sei. Es handle sich nämlich um ein „Privatanklagedelikt“, d.h. der Betroffene kann selbst Anklage vor Gericht erheben – ohne das Korrektiv der Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft. „Mitunter kann ein Patient ganz schön wütend sein auf die Person, die das Geheimnis verraten hat: Jetzt weiß die Frau von seiner Krebsdiagnose, das wollte er aber partout nicht sagen“, bringt Prof. Birklbauer ein Beispiel.

Vertrauen, dass Daten in der Praxis bleiben

Generell, so betonen die Juristen, könne der Patient davon ausgehen, dass keine Daten die Arztpraxis verlassen. Eine Weitergabe ohne „ausdrückliche“ Zustimmung des Patienten dürfe nur erfolgen aufgrund berechtigter öffentlicher Interessen, z.B. bei Strafverfahren, oder wenn jemand akut und gravierend gefährdet ist: So etwa der Partner im Falle einer HIV-Infektion. Im Zweifelsfall hat jedoch das Patienteninteresse Vorrang. „Dass jemand in einem Substitutionsprogramm drinnen ist, hat die Führerscheinbehörde nicht zu interessieren“, so Prof. Birklbauer, da dies nichts über die akute Fahrtauglichkeit sage.

Eine andere heikle Situation ist die Weitergabe von Daten an Versicherungen. Die Experten appellieren hier, Fragebögen für Privatversicherungen oder Lebensversicherungen immer gemeinsam mit dem Patienten auszufüllen – selbst bei einer anderslautenden Einverständniserklärung des Patienten. Diesen Punkt hebt auch Univ.-Prof. Dr. Gabriele Fischer, Zentrum für Public Health, Wiener Univ.-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, hervor: Sie habe einmal ein Zusatzversicherungsformular ohne den Patienten ausgefüllt, weil er damit einverstanden war, erzählt die Psychiaterin. Da sie eine Frage nach psychiatrischen Vorbehandlungen bejaht hatte, lehnte ihn die Krankenkasse prompt ab. Wäre der Patient dabei gewesen, hätte er immerhin sagen können, diese Frage wolle er nicht beantwortet haben. „Ich hätte mir gewünscht, dass ich damals anders gehandelt hätte“, bedauert sie.

Zu Unrecht Furcht vor ELGA?

Auch bei den Patienten herrscht viel Unkenntnis, berichtete Dr. Sigrid Pilz, Wiener Pflege- und Patientenanwältin: „Ich mache die Erfahrung, dass die Patienten sehr oft gar nicht wissen, dass die Gesundheitsinformationen geschützt sind.“ Was die Patienten in diesem Zusammenhang „leider und zu Unrecht“ besonders fürchten würden, sei ELGA, fährt sie fort. Denn gerade bei chronischen Krankheiten sei es ein Vorteil, seine Befunde „ordentlich aufgelistet“ und seine Krankengeschichte auch selbst zugänglich verfügbar zu haben. Zudem ist es bei heiklen Diagnosen wie psychiatrischen Erkrankungen oder HIV laut Dr. Pilz „die Pflicht“ des Gesundheitsdienstleisters, den Patienten darauf hinzuweisen, diese eventuell auszublenden.

Zu ELGA erhoben sich in Folge viele kritische Stimmen aus dem Auditorium, u.a. wegen des Datenschutzes. Dazu entgegnete Franz Bittner, Patientenombudsmann der Wiener Ärztekammer: „Dass ein System, wo Daten herumliegen, auch geknackt werden kann, wissen wir, das können wir nicht ausschließen. Aber wir gehen schon in eine medizinische Betreuung hinein, die für die Patientinnen und Patienten sinnvoll erscheint.“ So hätte er sich immer – und besonders angesichts des rezenten Masernausbruchs in Ostösterreich – einen elektronischen Impfpass gewünscht. Denn: „Ich weiß nicht, ob ich Masern gehabt habe oder ob ich je geimpft worden bin.“

ELGA beim Verfassungsgericht

Abschließend bekamen die ELGA-Kritiker Rückendeckung vom Verfassungsrechtler Prof. Raschauer. „Eines ist schon bemerkenswert: Dass der einzelne Bürger nicht mehr gefragt wird, ob er das will und man sich kompliziert abmelden muss. Das ist auch der Grund, warum die Volksanwaltschaft ein Prüfungsverfahren eingeleitet hat. Demnächst langt die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein“, informiert er. Dann werde man sehen, ob das verfassungskonform sei, „ich wage es zu bezweifeln“.

4. Interdisziplinäres Symposium zur Suchterkrankung – Medizinische, psychologische, psychosoziale und juristische Aspekte; Grundlsee, März 2014
Vorträge unter www.sucht-news.at

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune