29. Sep. 2021Covid-19 Update 29.09.2021

WHO empfiehlt erstmals vorbeugende Therapie; was Ungeimpfte motivieren kann

+++ Raucher haben höheres Risiko für schwere Covid-Verläufe – WHO empfiehlt Antikörper-Kombi als Vorbeugung gegen schwere Covid-Verläufe – Impfstoffwahl und Gutscheine können Ungeimpfte motivieren – Britischer Experte: Mehrheit der Kinder wird sich anstecken – Corona drückt Lebenserwartung ähnlich wie Zweiter Weltkrieg – Biontech/Pfizer reichte Impfstoffdaten für Kinder bei FDA ein +++

Coronavirus Warnung
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Raucher haben höheres Risiko für schwere Covid-Verläufe

Raucher haben Studien zufolge ein höheres Risiko für schwere Verläufe von Covid-19. Das bestätigen nun weitere Analysen, die britische Forscher in der Fachzeitschrift "Thorax" vorstellen (https://thorax.bmj.com/content/early/2021/09/12/thoraxjnl-2021-217080). Demnach liegt der Anteil der Infizierten, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden oder sogar sterben, bei Rauchern merklich höher als bei Nichtrauchern.

Die Wahrscheinlichkeit, wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, könnte den Ergebnissen zufolge bei Menschen, die aktuell Raucher sind, fast doppelt so groß sein wie bei lebenslangen Nichtrauchern. "Unsere Ergebnisse legen sehr stark nahe, dass Rauchen mit dem Risiko einer schweren Covid-Erkrankung zusammenhängt, genauso wie Rauchen das Risiko für Herzkrankheiten, verschiedene Arten von Krebs und andere Krankheiten beeinflusst", sagte die leitende Forscherin Ashley Clift von der Universität Oxford der Nachrichtenagentur PA zufolge.

Vereinzelt hatten Analysen gerade zu Beginn der Pandemie darauf hingewiesen, dass Raucher anteilig seltener an Covid-19 erkranken. So hatten sich bei einer Karnevalssitzung in Deutschland Raucher weniger oft infiziert, wie die Analyse eines Teams um den Bonner Virologen Hendrik Streeck zeigte. Der Mechanismus dahinter sei unklar, es gebe aber Spekulationen dazu, hatte der Direktor des Instituts für Virologie der Uni Bonn kürzlich der "Augsburger Allgemeinen" gesagt.

So sei der Rachen von Rauchern gereizter und es gebe dort deswegen auch mehr Immunaktivität, die es dem Virus schwerer mache, eine Infektion zu etablieren. "Eine andere Theorie ist ganz einfach: Raucher gehen zum Rauchen schlicht und ergreifend öfter vor die Tür ins Freie und verringern dadurch die Expositionshäufigkeit", sagte Streeck. Wenn sich ein Raucher erst einmal infiziert habe, habe er ein viel größeres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, betonte der Virologe.

Für die neue Analyse werteten die britischen Forscher mit zwei verschiedenen Methoden Daten und Befragungen aus der Medizindatenbank UK Biobank sowie Daten von Public Health England und andere Gesundheitswerte bzw. Totenscheine aus. Die Wissenschafter geben einschränkend zu bedenken, dass es bei beobachtenden Studien zu Verzerrungen kommen kann. (APA/dpa)

WHO empfiehlt Antikörper-Kombi als Vorbeugung gegen schwere Covid-Verläufe

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erstmals ein Medikament als Vorbeugung gegen eine schwere Covid-19-Erkrankung bei infizierten Risikopatienten empfohlen. Sie verweist auf Studien, wonach die Antikörper-Kombination aus Casirivimab und Imdevimab von der US-Firma Regeneron und dem Schweizer Unternehmen Roche deren Überlebenschancen verbessern kann. Die WHO veröffentlichte ihre neue Empfehlung am Freitag (24.9.) im "British Medical Journal".

In Deutschland wird diese Antikörper-Kombination bereits in speziellen Fällen für Corona-Patienten eingesetzt. Viele Länder, die selbst keine Risikobewertungen machen können, warten aber auf solche WHO-Empfehlungen. Auch Hilfsorganisationen setzen in der Regel nur von der WHO empfohlene Mittel ein.

Österreich, vertreten durch das Gesundheitsministerium, sei seit letztem Frühjahr am europäischen Beschaffungsverfahren für dieses Arzneimittel beteiligt und könne dieses daher sofort ab EMA-Zulassung auch beschaffen und an die entsprechenden Stellen verteilen, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Büro von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). "In Österreich gibt es allerdings keine rechtliche Grundlage, um nicht-zugelassene Arzneimittel in Verkehr zu bringen. Dementsprechend sind diese Produkte auch noch nicht in Verwendung", wurde betont. Das Ministerium sei "im laufenden Austausch mit diversen Unternehmen, um am aktuellen Stand betreffend Covid-19 Arzneimittel zu bleiben".

Die WHO empfiehlt nun die Gabe der Mittel bei Corona-Patienten mit Vorerkrankungen, die deshalb Gefahr laufen, schwer an Covid-19 zu erkranken und dann auf Intensivstationen behandelt werden müssten. Ebenso sollen bereits schwer Erkrankte damit behandelt werden, die keine Antikörper gegen Covid-19 haben.

Herausforderung seien die hohen Kosten und die knappe Produktion, so die WHO. Deshalb werde mit Roche über niedrigere Preise, eine mögliche Schenkung und eine faire Verteilung in aller Welt verhandelt. Die WHO setzte sich dafür ein, dass auch anderen Herstellern die Produktion ermöglicht wird, damit billigere Varianten der Mittel auf den Markt kommen.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete, Regeneron habe bereits in mindestens elf ärmeren Ländern Patentanträge gestellt. Sie forderte das Unternehmen auf, auf die Durchsetzung von Patenten in ärmeren Ländern zu verzichten. "Es ist einfach nicht fair, dass Menschen, die in ärmeren Ländern leben, keinen Zugang zu diesen Covid-19-Medikamenten, die das Todesrisiko senken, haben, nur weil Pharmafirmen das Monopol haben und hohe Renditen wollen", sagte Elin Hoffmann Dahl von Ärzte ohne Grenzen. Zudem habe Regeneron für die Entwicklung öffentliche Gelder erhalten. Nach Informationen der Organisation wird das Mittel etwa in Deutschland für 2.000 Dollar (1.700 Euro) und in Indien für 820 Dollar angeboten. (APA/dpa)

Impfstoffwahl und Gutscheine können Ungeimpfte motivieren

Die freie Wahl des Impfstoffs, Gutscheine oder auch eine Lotterie können zu einer Covid-Schutzimpfung motivieren. Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie unter Leitung der Epidemiologin Eva Schernhammer von der MedUni Wien in Kooperation mit der Donau-Universität Krems. In Österreich sind erst rund 64 Prozent zumindest einmal gegen das Virus geimpft. Um eine erneute Welle einzudämmen, müsse der ungeimpfte Teil der Bevölkerung motiviert werden, betonte die MedUni.

Insgesamt 3.067 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen im August 2021 an einer Online-Umfrage teil. Darunter waren 1.019 Österreicherinnen und Österreicher im Alter von 18 bis 90 Jahren. 18 Prozent der Teilnehmer in Österreich gaben an, nicht gegen das Coronavirus geimpft zu sein und sich noch nicht für eine Impfung angemeldet zu haben, wurde am Montag, 27.9.,  in der MedUni-Aussendung erläutert.

Aus den Antworten ergab sich, dass 23,5 Prozent dieser Personen sich eher impfen lassen würden, wenn sie sich den Impfstoff frei aussuchen könnten, 8,7 Prozent würden dies bei Erhalt eines Gutscheins und 6,6 Prozent bei der Teilnahme an einer Lotterie mit Gewinnen tun. Weitere motivierende Gründe waren: Impfung am Arbeitsplatz (3,8%), kostenloses Essen nach der Impfung (3,3%) und der Erhalt eines Stickers, der die Impfung sichtbar macht (1,6%). Des Weiteren wurden Geld, eine verfügbare Corona-Schluckimpfung und Langzeitstudien als Anreize genannt.

15,8 Prozent gaben an, sie wären bereit, sich eher impfen zu lassen, wenn die Impfung gratis wäre – genau das ist aber in den genannten Ländern der Fall, sprachen die Wissenschafter von einem "kuriosen Detail am Rande". Aus der Befragung sei nicht ersichtlich, ob wirklich alle Menschen wissen, dass die Impfung in Österreich kostenlos und der Impfstoff in den meisten Bundesländern frei wählbar ist. "Hier könnte es an ausreichend Information mangeln", sagte Schernhammer vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien.

Die Möglichkeit, sich den Impfstoff auszusuchen, schien besonders für Personen mit einem hohen Bildungsabschluss attraktiv zu sein, während der Erhalt eines Gutscheins und die Teilnahme an einer Lotterie für weniger gebildete Personen und jüngere Menschen (18 bis 35 Jahre alt) attraktiver war. "Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen deutlich, dass sich ein wesentlicher Anteil der derzeit noch ungeimpften Personen in Österreich durch entsprechende Anreize für eine Impfung motivieren lassen würde", betonte Schernhammer. In der Schweiz und in Deutschland waren die genannten motivierenden Anreize größtenteils ähnlich verteilt. (APA)

Britischer Experte: Mehrheit der Kinder wird sich anstecken

Angesichts hoher Corona-Fallzahlen in britischen Schulen geht ein Experte davon aus, dass sich die meisten Kinder im Winter mit dem Virus anstecken werden oder schon angesteckt waren. "Ich denke, dass sich in sechs Monaten die Mehrheit infiziert haben wird", sagte der Public-Health-Experte Azeem Majeed vom Imperial College London.

Seit Ende der Schulferien in England sind die Fallzahlen unter den Fünf- bis 14-Jährigen enorm gestiegen. Die Inzidenz liegt mehr als doppelt so hoch wie in anderen Altersgruppen, wie etwa in einer Auswertung der "Financial Times" zu erkennen ist. Großbritannien impft erst seit kurzem auch Zwölf- bis 15-Jährige. "Es wäre besser gewesen, damit früher zu beginnen", sagte Majeed. "Da waren wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern spät dran."

Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es bisher keine zugelassenen Corona-Impfstoffe, allerdings erkranken sie auch seltener schwer. Das Risiko sei eher, dass Kinder das Virus an Erwachsene weitergäben, die nicht oder weniger wirksam durch Impfstoffe geschützt seien, sagte der Mediziner.

Majeed hat keine großen Hoffnungen, dass die noch immer sehr hohen Corona-Fallzahlen in Großbritannien vor dem nächsten Frühjahr deutlich sinken werden. Die Inzidenz hat sich seit längerem um die 300 eingependelt. Pro Woche sterben im Schnitt etwa 1.000 Menschen an oder mit Covid-19. "Die Regierung scheint das akzeptiert zu haben", sagte der Experte. Dabei handle es sich um einen der höchsten Werte in Europa. (APA/dpa)

Corona drückt Lebenserwartung ähnlich wie Zweiter Weltkrieg

Im Zuge der Corona-Pandemie ist die Lebenserwartung in vielen Ländern einer Studie zufolge so stark gesunken wie seit dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa nicht mehr. In einigen Ländern sei der Fortschritt der vergangenen Jahre in kurzer Zeit zunichte gemacht worden, berichten Forscher des Leverhulme Centre for Demographic Science an der Universität Oxford im "International Journal of Epidemiology". Bei Männern war der Rückgang demnach größer als bei Frauen.

Für die Studie untersuchten die Wissenschafter Daten aus 29 Staaten, die meisten aus Europa, darunter Deutschland, sowie Chile und die USA. In 27 dieser Staaten sank demnach 2020 die Lebenserwartung, in 22 Ländern um mindestens ein halbes Jahr. "In westeuropäischen Ländern wie Spanien, England und Wales, Italien, Belgien wurde ein solcher Rückgang der Lebenserwartung in einem einzigen Jahr zum Zeitpunkt der Geburt zuletzt während des Zweiten Weltkriegs beobachtet", sagte Co-Autor José Manuel Aburto.

Am meisten sank die Lebenserwartung von Männern in den USA – um 2,2 Jahre im Vergleich zu 2019. In den USA sei vor allem die gestiegene Sterblichkeit im erwerbsfähigen Alter unter 60 Jahren bemerkenswert, sagte Co-Autorin Ridhi Kashyap. In den meisten europäischen Ländern hingegen habe vor allem die Sterblichkeit bei über 60-Jährigen zugelegt. Bereits im Juni hatte eine Studie im "British Medical Journal" auf die drastisch gesunkene Lebenserwartung in den USA hingewiesen.

Lebenserwartung nennt das Alter, das ein Neugeborenes vermutlich erreicht, wenn die Todeszahlen sich weiter so entwickeln wie zum Zeitpunkt seiner Geburt. In Deutschland lag die Lebenserwartung im August 2021 nach Angaben des Statistischen Bundesamts für Buben bei 78,6 Jahren und für Mädchen bei 83,4 Jahren. Bekannt war zudem, dass 2020 die Sterblichkeit im Vergleich zu 2019 insbesondere bei über 75-jährigen Männern und Frauen anstieg. (APA/dpa)

Biontech/Pfizer reichte Impfstoffdaten für Kinder bei FDA ein

Pfizer und Biontech haben bei der US-Arzneimittelbehörde FDA die Daten für eine Zulassung ihres Covid-19-Impfstoffs zum Einsatz bei Kindern zwischen fünf und elf Jahren eingereicht. Ein formeller Antrag auf eine Notfallgenehmigung soll voraussichtlich in den kommenden Wochen folgen, teilten die Unternehmen mit.

Biontech und Pfizer hatten in der vergangenen Woche positive Studienergebnisse zum Einsatz bei Kindern veröffentlicht. In der entscheidenden Studie mit Fünf- bis Elfjährigen sei das Vakzin gut vertragen worden und habe eine starke Immunantwort erzeugt. (APA/Reuters)