21. Apr. 202111. Kinder-Haut-Tag II

Kontaktallergien im Kindesalter

Es ist ein Kinderspiel
iStock/SolStock

Kontaktallergien sind T-Zell-vermittelte Spättyp-Allergien (Allergie Typ IV) und dadurch gekennzeichnet, dass die Symptome erst 24 Stunden bis drei Tage nach direktem Kontakt mit dem Allergen auftreten. Ihre Reaktionsform ist das Ekzem. Bei Kinderhaut ist eine Sensibilisierung mit Allergenen leichter möglich und kann mitunter dem Berufswunsch im Weg stehen.

Spättyp-Allergien werden ausschließlich von spezifischen T-Lymphozyten getragen, die bei Interaktion mit dem Allergen Botenstoffe ausschütten und damit eine Entzündungsreaktion in Gang setzen. Antikörper spielen bei Kontaktallergien keine Rolle. „Nachdem die Anzahl der Kontaktallergene sehr groß ist, ist die Bitte ‚Testen Sie mein Kind auf alles‘ nicht erfüllbar“, betont Priv.-Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl vom Floridsdorfer Allergiezentrum in Wien. „Außerdem steigt mit der Anzahl der getesteten Allergene die Wahrscheinlichkeit für klinisch nicht relevante, irritative Reaktionen.“ Mehr als 3.000 Kontaktallergene sind bekannt, wobei die meisten natürlichen Ursprungs sind. Die Diagnose einer Kontaktallergie erfolgt in Zusammenschau mit dem klinischen Befund und dem Ergebnis des Epikutantests.

Stefan Wöhrl
Richard Schuster/Privat

Priv.-Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl, Floridsdorfer Allergiezentrum (FAZ), Wien

Immunologischer Hintergrund von Kontaktallergien

Immunologische Auslöser von Kontaktallergien sind Ionen oder sehr kleine Moleküle (Haptene), die zu klein sind, um den T-Zell Rezeptor direkt zu aktivieren. Diese kleinen Allergene müssen ausreichend lipophil sein, um die obere Epidermis des Stratum Corneum durchdringen zu können und sie müssen sich an ein körpereigenes Protein oder ein anderes Transportmolekül binden. Erst nach dieser Bindung wird das Hapten zum vollen Allergen und kann eine Immunantwort auslösen.

Die Allergen-Transporter-Komplexe werden von dendritischen Zellen eingefangen und zu den Lymphknoten transportiert, wo sie residente T-Zellen aktivieren. Diese entwickeln sich somit zu CD-8 zytotoxischen T-Zellen und wandern an den Ort der Reaktion, welche dann mit der entsprechenden Verzögerung eintritt.

Nicht immer finden die CD-8-Zellen ihr Ziel und können daher auch an anderen Lokalisationen außerhalb des auslösenden Areals reagieren. „Diese Streureaktionen sind ein typisches Phänomen bei einer länger bestehenden kontaktallergischen Situation“, erläutert Wöhrl. Ein Risikofaktor für Kontaktallergien ist die atopische Dermatitis: Etwa 20 Prozent der pädiatrischen AD-Patienten entwickeln auch eine Kontaktallergie, weil Allergene auf einer nicht perfekt schließenden Haut leichter eindringen und eine Sensibilisierung verursachen können.

Frühzeitige Sensibilisierung durch Haarfärbemittel

Die wichtigste Allergengruppe sind die Metalle, wobei Nickel das prominenteste Allergen darstellt. Vereinzelt können Kreuzreaktionen von Nickel auf Kobalt, Palladium und/oder Kupfer auftreten. „Bei einer isolierten Palladium-Allergie ohne Nickel-Allergie wäre ich skeptisch“, so der Allergologe. „Auch Amalgam hat viel seltener eine allergene Wirkung, als allgemein angenommen wird.“ Im Gegensatz dazu ist Chrom, das zur Ledergerbung eingesetzt wird, ein häufiger Auslöser. Parfüms und Duftstoffe sind eine hochkomplexe Gruppe, denn es sind mehr als 1.000 Einzelsubstanzen bekannt, die in diversen Produktbeschreibungen nicht im Detail angeführt werden müssen. Daher wird hier auch von Einzelauflösungen für die Patiententestung abgeraten. „Ein zunehmendes Problem sind Konservierungs- und Lösungsmittel“, erklärt der Experte. „Leider sind wir auch bei Kindern in vermehrtem Ausmaß mit Allergien auf Haarfärbemittel konfrontiert. Das hat die langfristige Konsequenz, dass eine Sensibilisierung gegen Paraphenylendiamin und Toluylendiamin bereits im Kindesalter in Kauf genommen wird und diese – da es so gut wie keine anderen effektiven Haarfarben gibt – für einen späteren Lebensabschnitt, wo sie vielleicht wirklich benötigt würden, nicht mehr zur Verfügung stehen. Außerdem ist der Berufswunsch, im Friseurgewerbe tätig zu sein, für Jugendliche damit meistens bereits versperrt.“ Ein weiteres wesentliches Kontaktallergen aus dieser Gruppe ist Methylisothiazolon (abgekürzt: MI), ein Konservierungsstoff, der in allen Farben auf wässriger Basis, in Knetmassen („Slimes“) und anderen Kinderartikeln enthalten ist.

Typ-IV-Allergien können auch durch Medikamente ausgelöst werden – entweder indem diese eingenommen und im Blutkreislauf verteilt werden und auf diese Weise ein Arzneimittelexanthem verursachen können oder bei topischer Applikation, etwa als Creme. „Vor allem Neomycin ist ein starkes Kontaktallergen, hier braucht man einfach nur abwarten, bis sich früher oder später eine allergische Reaktion einstellt“, betont Wöhrl. Selten, aber doch, können auch Cortison-Präparate Kontaktallergien auslösen.

Der Dermatologe schildert eine spannende Fallreihe aus seiner Praxis: „Vor einigen Jahren haben wir zahlreiche Diabetiker mit Insulinpumpen gesehen, die Kontaktallergien entwickelten. Heute wissen wir, dass der Klebstoff aus dem Plastikgehäuse der Geräte bei längerem Körperkontakt Allergien auslöst. Das verantwortliche Allergen (Butyl Acrylat) konnte identifiziert werden und wird voraussichtlich in die aktualisierten Testsets aufgenommen. Aber auch die Industrie arbeitet an einer Lösung, denn mit der nächsten Generation der Insulinpumpen wird es in Zukunft andere Klebstoffe geben.“

Die häufigsten Kontaktallergene

Metalle: u.a. Nickel (Jeansknöpfe, BH-Verschlüsse, Modeschmuck), Kobalt (Zahnspangen, Besteck), Kupfer (Tätowierfarbe), Palladium (Zahnprothesen), Chrom (Lederprodukte), Quecksilber (Amalgam-Zahnfüllungen)

Farben, Konservierungs- und Lösungsmittel: u.a. Methylisothiazolon (MI; Wasserfarben, z.T. noch in kosmetischen Produkten), Paraphenylendiamin (PPD; Haarfärbemittel), Toluylendiamin (Haarfärbemittel), Propylenglykol (Kosmetik- und Hygieneprodukte), Parabene (Kosmetikprodukte, Arzneimittel)

Parfüms und Duftstoffe: u.a. Perubalsam (Myroxylon pereirae), Duftstoff-Mischungen, Propolis (Naturkosmetik), Kolophonium (Oberflächenbeschichtungen, Kosmetikprodukte)

Medikamente: u.a. Neomycin, Benzocain

Gummi und Kunststoffe: u.a. Mercaptobenzothiazol und Thiurame (Klebstoffbestandteile, in der Verarbeitung von Gummiprodukten), Acrylate (Superkleber, Klebstoffe bei Zahnfüllungen), Tetramethylthiuramdisulfid (TMTD; in der Verarbeitung von Gummiprodukten), Epoxidharze (Kabel, orthopädische Prothesen, Brillen)

Pflanzen: u.a. Sesquiterpenlaktone (v.a. bei Korbblütlern wie z.B. Chrysanthemen, Arnika oder Schafgarbe).

Quellen: nach Priv.-Doz. Dr. Stefan Wöhrl, dem Allergieinformationsdienst Deutschland 1 und der Allergologie-Datenbank „Alles zur Allergologie“ 2

Allergentestung selektiv betreiben

Eine korrekte Durchführung des Epikutantests ist Voraussetzung, um zu einer guten Diagnose zu gelangen. Die Testsubstanzen sind entweder in flüssiger oder in Vaseline eingebetteter Form kommerziell verfügbar. Die reduzierte Standardserie des Testpanels für Kinder enthält 12 bis 14 Substanzen. Pro Testserie können maximal 60 Substanzen angewandt werden. Der Experte rät jedoch von zu breitem Testen ab: „Jeder Test kann eine spätere Sensibilisierung vorantreiben, daher sollte die Indikation möglichst eng gefasst werden. Es ist schwierig, weil man oft nicht weiß, wonach man suchen soll, aber es ist besser, selektiv Allergene dazu zu nehmen als ‚auf gut Glück‘ zu testen. Wir sehen hier immer wieder Patienten, bei denen einige Wochen nach ihrem Epikutantest in der Testregion eine entsprechende Sensibilisierung stattgefunden hat.“

Beim Epikutantest wird das Testpflaster auf den Rücken geklebt und dort für 48 bis 72 Stunden belassen. Danach erfolgt eine erste Ablesung und eine zweite nach weiteren 24 Stunden. „Bei Kindern unter acht Jahren sollte die Expositionszeit auf zwischen 24 und maximal 48 Stunden beschränkt werden, denn Kinderhaut ist viel dünner und empfindlicher.“ Sollte der Rücken aus irgendwelchen Gründen, z.B. wegen einer großflächigen Tätowierung, für eine Testung nicht geeignet sein, kann diese alternativ am Oberarm durchgeführt werden. Auch die korrekte Dosierung der Testsubstanzen ist wesentlich, da in zu hoher Konzentration alle eine irritative Wirkung entfalten.

Für die Interpretation des Epikutantests ist es wichtig, die Testpunkte optisch und haptisch zu inspizieren; Erytheme, Papeln oder Vesikel weisen auf spezifische Reaktionen im Rahmen einer Kontaktallergie hin, während irritative Reaktionen eher unspezifisch verlaufen.

Zwischen Kontaktallergenen bei Kindern und bei Erwachsenen gibt es kaum Unterschiede, daher sind die aktuellen Standard-Testreihen mit einer Ausnahme ident: „Die Acrylatgruppe wurde bei Kindern herausgenommen“, erklärt Wöhrl, „weil diese als starke Auslöser bereits im Test eine Kontaktallergie induzieren können. Daher müssen bei Verdacht einer kindlichen Allergie auf Klebstoffe, die Acrylate selektiv in die Testung aufgenommen werden.“

Die Indikationen für einen Epikutan-Test sind bei Kindern und Erwachsenen dieselben: Eine Testung sollte durchgeführt werden, wenn eine akute oder chronische Kontaktallergie vermutet wird, wenn chronische Ekzeme vorliegen, die unter Therapie keine Besserung zeigen oder wenn z.B. im Bereich der Zahnspange Schleimhautveränderungen auftreten. Auch der Eintritt ins Berufsleben kann eine diesbezügliche Zäsur darstellen, da junge Menschen erstmals mit neuen Substanzen in Kontakt kommen können. Geradezu klassisch ist der Friseurlehrling, der wenige Monate nach Beginn der Lehre ein Ekzem entwickelt.

„Die wichtigste Konsequenz aus der Allergietestung ist die Allergen-Vermeidung“, resümiert Wöhrl.

„Allerdings können sich dabei die komplexen chemischen Bezeichnungen durchaus als problematisch erweisen. Daher hat sich der Allergiepass bewährt, weil er die Kommunikation zwischen dem Patienten und einem nicht allergologisch geschulten Arzt erleichtert. Allerdings sollte ein Allergiepass nur bei Kontaktallergien, echten Medikamentenallergien und Typ-I-Allergien mit Hochrisikoallergenen wie z.B. Erdnüssen oder Insektengift ausgestellt werden, um die Signalwirkung aufrechtzuerhalten. Leider gibt es bis heute nur wenige Länder, nämlich Deutschland, Österreich, Schweiz und Slowenien, in denen dieses Therapieprinzip praktiziert wird.“

„Allergische Kontaktdermatitis bei Kindern“, Vortrag im Rahmen des 11. Kinder-Haut-Tages, virtuell, 20.11.20

Referenzen:
  1. Allergieinformationsdienst Deutschland: www.allergieinformationsdienst.de
  2. Allergologie-Datenbank: www.alles-zur-allergologie.de; letzter Zugriff am 21.12.20
Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum derma