5. März 2021Impfumfrage in den Bundesländern

COVID-19-Impfung: Meldezettel ist Trumpf bei Impfstoff und Termin

In seinen aktualisierten Empfehlungen lässt das Nationale Impfgremium (NIG) wie berichtet zu, die ganze Bandbreite des Intervalls auszunutzen, also die 2. mRNA-Dosis erst nach sechs Wochen (statt nach drei) zu verabreichen. Damit könnte man im Rahmen der Zulassung mehr Menschen rascher mit der 1. Dosis impfen. Doch was halten manche Bundesländer davon? Die Redaktion fragte bei Ärzte-Vertretern und Krisenstäben nach. Tenor der Antworten: Eher nichts – außer Tirol.

Covid-19 Impfung vor Kalender
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Der Bericht über die NEJM-Umfrage zum Vorgehen bei Impfstoffknappheit von mRNA-Impfstoffen wird gut geklickt. Auch die redaktionseigene Umfrage, die derzeit Kopf an Kopf steht. Bis zum 04.03.2021 voteten 51 Prozent „Ich bin für eine Verzögerung der 2. Impfdosis“ (Option A) versus 49 Prozent „Ich bin dafür, dem Standardregime zu folgen“ (Option B).

Die Redaktion hakte in ausgewählten Bundesländern (nochmals) nach. Die Antworten kamen vor der Ankündigung am 03.03.2021, den besonders stark von der südafrikanischen SARS-CoV-2-Variante (B.1.351) betroffenen Tiroler Bezirk Schwaz mit 100.000 vorgezogenen mRNA-Impfdosen von BioNTech/Pfizer durchzuimpfen.

Am gleichen Tag gab es zudem eine Pressekonferenz der Stadt Wien, wonach der vektorbasierte AstraZeneca-Impfstoff auch für über 65-Jährige, die einer Risikogruppe angehören, freigegeben wird. Es gehe derzeit um die Schnelligkeit, argumentiert Dr. Michael Binder, der Ärztliche Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes, und man wisse, dass er auch bei älteren Personen gute Wirkung zeige.

Wien: „Spitalskapazitäten entlasten“

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, die wissenschaftliche Leiterin des Nationalen Impfgremiums (NIG), verwies auch darauf, dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) den Impfstoff von AstraZeneca grundsätzlich für ab 18-Jährige ohne Altersobergrenze zugelassen habe. „Und wir haben schon in unserer Empfehlung gesagt, dass bei logistischen Problemen in der Impfanwendung mit den mRNA-Impfstoffen nichts gegen eine Anwendung des Impfstoffes von AstraZeneca bei Menschen über 65 spricht“, sagt die Immunologin im APA-Gespräch.

Auch die Ärztekammer Wien begrüßt in einer Aussendung die Entscheidung der Bundeshauptstadt. Alle zugelassenen Impfstoffe hätten eine wissenschaftlich belegte hohe Wirksamkeit und „schützen vor schweren Krankheitsverläufen sowie vor Hospitalisierungen“, betont Ärztekammer-Präsident ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, seines Zeichens auch Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK): „Denn genau darum geht es jetzt im Kampf gegen die Pandemie: die Spitalskapazitäten so weit wie möglich zu entlasten und einen reibungslosen Ablauf unseres Gesundheitssystems zu gewährleisten.“

Die übrigen Bundesländer planen laut einem APA-Rundruf offenbar nicht, der Wiener Linie zu folgen, man wolle sich weiter an die Empfehlungen des NIG und den Impfplan halten (Update: am 05.03.2021 gab das NIG AstraZeneca ohne Alterslimit und auch für Risiko- und Hochrisikopersonen frei). Umso bemerkenswerter, dass das NIG bei einer verzögerten 2. Impfdosis bei mRNA-Impfstoffen großteils auf taube Ohren stößt – wenn auch gut begründet. Das führt dazu, dass Impftermin und Impfstoff innerhalb Österreichs nicht von Alter und Beruf abhängen, sondern von Meldezettel und/oder Arbeitsort.

Zwei Fragen: Intervall ausnützen und welcher Impfstoff für Abstreicher?

Um keinen Interpretationsspielraum zu lassen, geht es bei den Fragen explizit nicht um eine Verzögerung von „einigen Monaten“ wie im NEJM-Voting, sondern „nur“ um ein Ausnützen des Intervalls laut EMA und laut NIG:

  1. Wäre eine verzögerte 2. mRNA-Dosis laut den Zulassungsstudien und den aktualisierten Anwendungsempfehlungen* des NIG (Ausnützen des Intervalls bis Tag 42) angesichts der Impfstoffknappheit und der Variante B.1.351 ein gangbarer Weg, um mehr Personen der Phase 1A, insbesondere Gesundheitspersonal der Kategorie 1, mit mRNA-Impfstoffen zu schützen? Und wenn nein, warum nicht?
  2. Welchen Impfstoff bekommen die Abstreicher in den Teststellen (Teststraßen, Apotheken, Betrieben, etc.), mRNA oder den vektorbasierten Impfstoff Astra Zeneca?

Angefragt wurden diesmal Tirol, Oberösterreich und die Steiermark (das Land Niederösterreich antwortete bereits auf Anfrage im Rahmen des Berichtes zur NEJM-Umfrage, Wien siehe oben, Anm.), wobei die Ärztekammern zum Teil auf die Impfkoordinatoren verwiesen.

Tirol: „Spielraum der Zulassung ausnützen“

Dr. Artur Wechselberger, Präsident der Ärztekammer für Tirol:

  1. Es spricht nichts gegen aber viel dafür, den Spielraum, den die Zulassung für die Terminisierung der Zweitimpfung – im Sinne einer Ausdehnung der Zeitspanne – bietet, auch auszunützen.
  2. In Tirol gibt es grundsätzlich die Vorgabe des Landes zur Priorisierung nach dem Alter. Das bedeutet, dass in der Regel bis vor Erreichen des 65. Lebensjahres der Vektorimpfstoff von AstraZeneka verwendet wird. Bei Personen ab dem 65. Lebensjahr werden entsprechend der derzeitigen Empfehlungen das NIG ausschließlich mRNA-Impfstoffe verwendet. Die gilt unabhängig von der Tätigkeit der zu Impfenden.

Oberösterreich: Bei „Angeimpften“ leichter Mutationen möglich

Krisenstab Land Oberösterreich:

  1. Laut „COVID-19-Impfungen: Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums, Version 2.2, Stand: 23.2.2021“ sollen die empfohlenen Impfintervalle von 21 Tagen (BioNTech/Pfizer) bzw. 28 Tagen (Moderna) eingehalten werden. Für diesen Zeitraum liegen auch ausreichende, valide Studiendaten für die Wirksamkeit vor.
    In Ausnahmefällen kann bei beiden Impfstoffen das Zeitintervall auf 42 Tagen verlängert werden.
    Eine generelle Ausweitung auf 42 Tagen ist nicht zu empfehlen, da aufgrund verschiedener Ereignisse, wie z.B. eine Krankheit, eine weitere Verschiebung oftmals nötig sein kann. Dann tritt die Situation ein, dass der bereits aufgebaute Antikörperspiegel zu sinken beginnt und das Immunsystem nicht durch eine erneute Impfung (2. Teilimpfung) geboostet wird. Bei „angeimpften“ Personen, die noch keinen ausreichenden Schutz haben, kann es bei Kontakt mit dem Virus auch leichter zu Virusmutationen kommen.
    Beim AstraZeneca Impfstoff zeigen die Daten, dass der Schutz ungefähr 3 Wochen nach der ersten Impfstoffdosis einsetzt und bis 12 Wochen anhält, deshalb kann bei diesem Impfstoff solange mit der 2. Impfung gewartet werden, auch hier gibt es entsprechende Daten.
  2. Laut derzeitigen Empfehlungen werden HochrisikopatientInnen (laut Priorisierung des NIG) und Personen über 65 Jahren mit einem mRNA Impfstoff geimpft. Personen mit erhöhtem Risiko (laut Priorisierung des NIG) und alle weiteren Personen zwischen 18 und 65 Jahren können mit einem AstraZeneca Impfstoff geimpft werden.
    Zu Beginn der Impfungen standen nur mRNA Impfstoffe zur Verfügung, die Impfungen erfolgten laut Priorisierungen des NIG (1. Priorität).

Steiermark: Nur im „Individualfall“ verzögern

Dr. Herwig Lindner, Facharzt für Innere Medizin (Schwerpunkt Infektiologie) am LKH Graz 2/Standort West, seines Zeichens auch Präsident der Ärztekammer für Steiermark und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer:

  1. Beim Vektor-Impfstoff von AstraZeneca ist das Ausnützen des Intervalls von bis zu 12 Wochen durch die Datenlage gut begründet. Bei BioNTech/Pfizer soll die zweite Impfdosis drei Wochen nach der ersten Dosis erfolgen – und zwar frühestens nach 19 und maximal nach 42 Tagen. Das entspricht dem Intervall, das in den Zulassungsstudien untersucht wurde. Es muss gesagt werden, dass 93 Prozent der Probanden die Zweitdosis 19 bis 23 Tage nach der ersten Dosis erhalten haben. Derzeit liegen keine klinischen Daten zur Wirksamkeit des Impfstoffs bei Verabreichung über die in der klinischen Studie verwendeten Intervalle hinaus vor. Man kann im Individualfall das Intervall bis zu 42 Tagen ausdehnen, sollte dies aber nicht systematisiert tun.
  2. Bei der zweiten Frage verwies Lindner auf die Impfkoordinatoren des Landes: „Seit der Verfügbarkeit des Impfstoffes AstraZeneca werden alle Mitarbeiter der Gesundheitsberufe unter 65 Jahre damit geimpft. Wir halten uns dabei an die von den Pharmaunternehmen vergebenen Intervallen. Eine Ausweitung ist nicht angedacht. Die Apotheker wurden letzte Woche mit AstraZeneca geimpft, wie auch Mitarbeiter des Roten Kreuzes auf den Teststraßen“, informiert ein Sprecher des Impfkoordinators Mag. Michael Koren, Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark.
Stimmen Sie ab

Was halten Sie von einer späteren Verabreichung der 2. COVID-Impfdosis in Österreich, um die Durchimpfungsrate zu erhöhen?

*PDF: COVID-19-Impfungen: Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums, Version 2.2, Stand: 23.02.2021. Update (Version 10.03.2021): PDF: COVID-19-Impfungen: Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums, Version 2.4, Stand: 10.03.2021 Aktuelle Version immer abrufbar auf: https://www.sozialministerium.at/Corona-Schutzimpfung/Corona-Schutzimpfung—Fachinformationen.html