23. Sep. 2019Kassenfusion

Im Endspurt für die Fusion zur ÖGK

Zwei OÖGKK-Führungskräfte sind derzeit mehr in Wien als in Linz: Sie sind mit dem Aufbau zweier Bereiche der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) betraut, zu den Sorgenkindern zählen die Primärversorgungseinheiten. (Medical Tribune 39/19)

Herr Ressortdirektor, wie sieht es nach der Fusion zur ÖGK konkret mit den Verantwortlichkeiten aus, speziell bei den Primärversorgungseinheiten (PVE)?

Franz Kiesl
OÖGKK-Ressortdirektor

Franz Kiesl: Es gibt ab 1.1.2020 elf Fachbereichsleitungen und fünf Expertisezentrumsleitungen. Die Expertisezentren finden sich bei Generaldirektor Bernhard Wurzer. Im Geschäftsbereich von Generaldirektor-Stellvertreter Dr. Rainer Thomas gibt es vier Fachbereichsleitungen, einer davon ist Versorgungsmanagement 1. Dieser beschäftigt sich mit allen Vertragspartnern, also auch den PVEs, ausgenommen gewerbliche Betriebe, Apotheken und Transportwesen, diese sind im Versorgungsmanagement 2 angesiedelt. Ich bin jetzt betraut mit dem Aufbau des Versorgungsmanagements 1.

Sie sind dann also von Wien aus für PVEs zuständig?

Kiesl: Nicht von Wien aus. Wenn ich bestellt werde, werde ich den Fachbereich von Linz aus führen, es ist aber eine österreichweite Koordinierungs- und Steuerungsaufgabe.

Frau Direktorin Wesenauer, wie sieht Ihre Zukunftsplanung aus?

Dr. Andrea Wesenauer
OÖGKK-Direktorin

Dr. Andrea Wesenauer: Ich bin derzeit mit dem Aufbau des strategischen Controllings der ÖGK betraut. Wir gehen davon aus, dass die, die mit dem Aufbau betraut sind, dann letztendlich berücksichtigt werden. Sicherheiten haben wir aber keine, es gibt keine Zusagen und Beschlüsse diesbezüglich. So wie Franz Kiesl sagt, er wird nicht nach Wien übersiedeln, ist das auch meine persönliche Lebensplanung.

Zurück zu den PVEs, deren Ausbau schleppend vorangeht. Speziell Jungärzten ist das unternehmerische Risiko zu groß. In Linz ist ein geplanter PVZ-Vertrag nach langen Verhandlungen geplatzt – ein vierköpfiges Ärzte-Team sagte Ende März ab.

Kiesl: Ja, leider, wir haben lange verhandelt und wir sind ihnen aus unserer Sicht extrem entgegengekommen. Zum Risiko: Bei dem Pauschalmodell (garantiertes Einkommen vor Steuern, Anm.) gibt es überhaupt kein finanzielles Risiko. Wo gibt es eine Firma, der nicht nur der Umsatz, sondern auch das Einkommen garantiert wird? Und es werden die gesamten Kosten von Personal und Infrastruktur übernommen!

Aber die Ärzte hätten mit einer Immobilienfirma einen Zehn-Jahres-Mietvertrag abschließen müssen, mit monatlich 8.000 bis 10.000 Euro, ohne Ausstiegsszenario. Außerdem sei die Immobilie eine Baustelle gewesen, die Ärzte hätten auf eigenes Risiko einen Kredit aufnehmen müssen.

Wesenauer: Weil bei den Gründen immer kommt, das Risiko sei so hoch – die Konstruktion ist folgende: Es sind Vertragspartner, die einen Vertrag mit uns, der GKK, schließen und es gibt eine Einkommensgarantie. Es ist überhaupt keine Unsicherheit da, was das Einkommen betrifft.

Beim Pauschalmodell, aber nicht beim Honorarmodell.

Wesenauer: Auch beim Honorarmodell, wenn gearbeitet wird. Es ist ja nicht so, dass zu wenige Patienten da sind, im Gegenteil, die Nachfrage ist da, es wird pünktlich bezahlt und wir wissen, welche Umsätze zu erwarten sind. Das alles ist kalkulierbar und wesentlich abweichend zu jedem anderen Geschäftsmodell, das Sie in der freien Wirtschaft finden.

Und Kreditrückzahlungen und Abhängigkeiten von Investoren?

Wesenauer: Natürlich gibt es, wenn ich etwas aufbaue, einen Investitionsbedarf. Selbst da unterstützen wir. Aber was nicht sein kann, dass der, der sozusagen der Unternehmer ist, sagt: Wer anderer soll meinen Investitionsbedarf völlig übernehmen und ich habe überhaupt kein Risiko mehr! Das wäre nämlich die Angestelltenvariante, die es per Gesetz sogar gäbe, die aber die Ärztekammer dezidiert ablehnt! Sie wollte dezidiert ein Vertragspartnermodell. Es ist ein Modell, das höchste Einkommenssicherheit bietet.

Dennoch: Vielen Ärzten ist das finanzielle Risiko zu unsicher.

Wesenauer: Ich sage nicht, dass es einfach ist und deshalb braucht es auch die PV-Manager, die dort angestellt werden, um sozusagen diese erste Phase der Unternehmensgründung und Strukturierung zu begleiten. Das ist schon eine Herausforderung.

Just wegen des PV-Managements kam es im PVN Neuzeug-Sierning zu einem Klagsreigen, der mittlerweile mit einem rechtskräftigen Freispruch beendet wurde. Was sagen Sie zu der Situation?

Wesenauer: Das ist schade, dass das in dieser Form passiert ist, weil wir glauben, dass die PVZs wichtige und zukunftsweisende Einrichtungen sind und das Zusammenspiel der handelnden Personen ein Erfolgsfaktor ist. Wenn das gut funktioniert, dann werden diese Zentren wirklich einen Qualitätssprung in der Versorgung machen. Wenn man sie flächendeckend hat, werden wir eine neue Ära der Primärversorgung eingeleitet haben. Wenn persönliche Konflikte die Zusammenarbeit belasten, dann wird diese nicht so gut funktionieren. Und die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionisten ist genau dieser Fortschritt, den wir durch die Primärversorgungseinheiten ja erzielen möchten, damit der Versicherte aus einem Guss und gut behandelt wird. Insofern haben wir keine Freude damit, wir haben es aber nicht in der Hand. Wir haben einen Vertrag mit einer Ärztegemeinschaft geschlossen und der, der den Vertrag hat, ist verantwortlich dafür, dieses PVE zu führen, nicht der PV-Manager, der von der Ärztegemeinschaft angestellt ist.

Der PV-Manager wird in Oberösterreich von der GKK und dem Land bezahlt?

Wesenauer: Ja, wir zahlen dem Versorgungszentrum einen Teil der Anstellungskosten. Also selbst da investieren wir und haben in die Geldtasche gegriffen und stellen das noch zur Verfügung, damit eben die Unterstützung da ist für die Managementkomponente, wo wir glauben, dass die Ärzte Unterstützung brauchen.

Kiesl: Der PV-Manager wird ausgesucht von den Proponenten, wir sagen nur, sucht euch jemanden. Die Ärzte haben im Regelfall nicht das Know-how, Gesellschafter-Verträge abzuschließen, Investitionsdetails, Mietverträge usw. zu regeln.

Was ist der Grund, warum die OÖGKK die drei Ende des Vorjahres aus dem PVN Neuzeug-Sierning ausgestiegenen Ärzte noch nicht im Rahmen der regelmäßigen Evaluierung befragt hat?

Wesenauer: Die Evaluierung wird erfolgen, ist aber noch nicht gestartet.

Aber ist das nicht ein Anlass, wenn die Hälfte der Gesellschafter aussteigt? Auch im PVZ Enns wurde im Herbst 2017, neun Monate nach dem Start, evaluiert?

Kiesl: Es gibt ein Evaluierungskonzept, da ist Enns schon am weitesten, weil es als Erstes begonnen hat. Wir evaluieren alle PVEs, da machen wir Patientenbefragungen, Ärztebefragungen, Personalbefragungen und konfrontieren die Vertragspartner mit den Ergebnissen.

Die Evaluierung erfolgt durch ein externes Institut, welches?

Kiesl: Solve Consulting. Wir als OÖGKK begleiten aber kontinuierlich die PVEs und kümmern uns darum, dass die Vertragspartner alle Kriterien und Bedingungen einhalten und kontrollieren das auch.

Die Bezahlung des PV-Managements durch die öffentliche Hand ist für drei Jahre vorgesehen. Muss sich das PVZ Enns ab 1.1.2020 das PV-Management selbst bezahlen?

Kiesl: Die Bezahlung ist grundsätzlich für drei Jahre vereinbart worden. Wir haben aber mit Enns schon eine Fortsetzungszahlung vereinbart und es wird auch in Sierning und Marchtrenk so sein.

Freispruch

Der Prozess am Landesgericht Steyr gegen einen der drei ehemaligen Ärzte des Primärversorgungsnetzwerks Neuzeug-Sierning (PVN) endete am 16.9.2019 mit einem Freispruch in dubio pro reo – aufgrund divergierender Zeugenaussagen. Den Strafantrag auf falsche Beweisaussage und Verleumdung stellte die Staatsanwaltschaft Steyr, die Ende Juli 2019 alle strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Manager des PVN eingestellt hatte. Zwei der drei Ex-PVN-Ärzte hatten diesen im Frühjahr 2019 mit Verdacht auf versuchten Betrug mit öffentlichen Geldern angezeigt. Die OÖGKK überprüfte mit Ärztekammer und Land OÖ Anfang Mai 2019 alle Vorwürfe und stellte keine Hinweise auf Verschwendung öffentlicher Gelder fest.

Zu den Personen

Dr. Andrea Wesenauer ist OÖGKK-Direktorin und derzeit betraut mit dem Aufbau des strategischen Controllings der ÖGK.

Franz Kiesl ist OÖGKK-Ressortdirektor für den Bereich Vertragspartner & Gesundheitsförderung und baut derzeit den Fachbereich Versorgungsmanagement 1 der ÖGK auf.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune