25. Juni 2018

Geldflüsse made in Austria

Das Parlament befasste sich kürzlich mit den Mittelflüssen im Gesundheitssystem. Basis ist ein Rechnungshofbericht, der das vielfältige Verzweigungssystem von Zahlungsströmen schonungslos offengelegt hat. (Medical Tribune 24/18)

Die Mittelflüsse und „Drehscheiben“ im österreichischen Gesundheitssystem

Die Kreisgröße korreliert mit der Höhe der Einnahmen (grün) und Ausgaben (blau), die über diese Institutionen als „Drehscheiben“ fließen, die Pfeilstärke zeigt die Höhe der Geldströme.

KA Kur- und Krankenanstalten, AZ niedergelassene Ärzte, HM Heilmittel, Heilbehelfe und Hilfsmittel, RD Rettungsdienste, SON Sonstige Gesundheitsdienstleistungen, FKAF Ausgleichsfonds für die KA-Finanzierung, FGKK Ausgleichsfonds der GKK, F Vors Fonds f. Vorsorgeuntersuchungen & Gesundheitsförderung, BGA Bundesgesundheitsagentur, GÖG Gesundheit Österreich GmbH, Priv KV-Versichertenbeiträge sowie Leistungen an Private & Vereine, KFA Krankenfürsorgeanstalten, LGF Landesgesundheitsfonds, BURGEF Gesundheitsfonds Burgenland, SAGES Gesundheitsfonds Salzburg, GFF Gesundheitsförderungsfonds, KV Krankenversicherungsträger

Bis die Mittel bei den Patienten ankommen, haben sie einen ziemlich verästelten Weg hinter sich. Das zeigte der Bericht „Mittelflüsse im Gesundheitswesen“ des Rechnungshofs (RH) vom Vorjahr, der heuer Mitte Mai den Weg ins Parlament gefunden hat, nachdem er im April im RH-Ausschuss präsentiert wurde. Nichtsdestotrotz ist die Kritik von RH-Präsidentin Dr. Margit Kraker topaktuell und wird es wohl auch noch eine Weile sein. Es sei ein harmonisiertes Rechnungswesen zwischen den Akteuren nötig, fordert sie erneut, der Bericht mache die „Verflechtungen“ und „Verstrickungen“ sichtbar und das Ziel der Gesundheitsreform 2013, nämlich die Mittel partnerschaftlich zielzusteuern, habe bisher nicht gegriffen.

60 Akteure in fünf Bereichen

Kein Wunder, denn Akteure gibt es viele. Der RH erfasste mehr als 60 (!) davon, subsumiert in Länder/Gemeinden, Sozialversicherung und Bund. Die in der Prüfung berücksichtigten Gesundheitsdienstleistungen gliedern sich in fünf Bereiche: Spitäler und Ambulatorien, niedergelassene Ärzte samt gleichgestellter Leistungen wie Physiotherapeuten und Psychologen, Heilmittel und Heilbehelfe samt Apotheken, Rettungswesen sowie sonstige Dienstleistungen wie z.B. Gesundheitsvorsorge (siehe Grafik). Die Pflege ist da noch gar nicht dabei. Insgesamt, also in der Darstellung der Mittelflüsse mit den rund 60 Akteuren, entfielen auf die Krankenanstalten 17,85 Milliarden Euro, auf die Heilmittel und -behelfe 3,54 Milliarden, auf die niedergelassenen Ärzte 4,67 Milliarden, auf das Rettungswesen 520,44 Millionen und auf sonstige Gesundheitsdienstleistungen 800,38 Millionen (alle Zahlen aus 2014).

Allein für die Darstellung der Geldflüsse der Sozialversicherung erfasste der RH mehr als 30 Akteure – Zahler und Empfänger. Demnach entfielen 6,71 Milliarden Euro auf die Spitäler (inklusive der Mittel an die Landesgesundheitsfonds), auf die Heilmittel und -behelfe 3,45 Milliarden, auf die niedergelassenen Ärzte 4,49 Milliarden Euro, auf das Rettungswesen 229,51 Millionen und auf Sonstiges 452,32 Millionen. Die divergierenden Zahlen erklären sich aus den unterschiedlichen Abrechnungszeiträumen, merkte der RH an. Eine Gesamtdarstellung über alle Institutionen hinweg sei schlichtweg nicht möglich gewesen.

Ärztliche Hilfe

Die Aufwendungen der Krankenversicherungsträger für Ärztliche Hilfe betrugen 3,95 Milliarden Euro. Als Löwenanteil gab der RH die Vertragsärzte & gleichgestellte Leistungen an – mit 2,5 Milliarden Euro (knapp zwei Drittel). Wahlärzte schlugen mit 301,3 Millionen (7,6 Prozent) zu Buche, die ambulanten Leistungen in Spitälern und sonstigen Einrichtungen mit knapp einer Milliarde (ein Viertel). Die Leistungen in eigenen Einrichtungen betrugen 115,6 Millionen (knapp drei Prozent), der Rest sind sonstige Aufwendungen. Der RH hat auch die Geldflüsse im Burgenland und Salzburg näher betrachtet. Im östlichsten Bundesland erfasste das oberste Finanzkontrollorgan mehr als 20 Akteure, für Salzburg waren es mehr als 30 Akteure. Die Vielzahl an Mittelflüssen auf Länderebene führte laut RH „zwangsläufig“ zu einer Reihe von Doppelgleisigkeiten.

Pikant: Obwohl für alle Länder dieselben rechtlichen Grundlagen für die Auszahlung der Bundesmittel zur Finanzierung der Landesgesundheitsfonds galten, kam es zu Unterschieden. Im Burgenland gingen die Gelder direkt an den Fonds, in Salzburg hingegen zuerst an das Land Salzburg. Und bestimmte Mittel zahlten die Länder „an den Landesgesundheitsfonds vorbei“ direkt an die Fondsspitäler. Unübersichtlich, verzweigt und aufgesplittert – so urteilt der RH über die Finanzierung des österreichischen Gesundheitssystems. Kritisiert werden intransparente Budgetpositionen, die Namen dafür, die Abschlüsse, unterschiedliche zeitliche Abgrenzungen sowie uneinheitliche Kontenpläne. Das erklärt auch die bemerkenswerte Tatsache, dass die meisten der 18 Schlussempfehlungen des 104-seitigen Berichts buchhalterische Belange betreffen. Eine Auswahl:

  • Die Zuordnung von Aufgabenbereichen bei den Budgetpositionen im Bundesbudget wären (von den Ministerien) zu überprüfen und ggf. zu korrigieren.
  • Ebenso wären steuerungsrelevante Positionen der Erfolgsrechnung festzulegen.
  • Die Namen für Budgetpositionen wären so zu wählen, dass sie „aussagekräftig und verständlich“ sind.
  • Das Sozial- und Gesundheitsministerium soll bei den SV-Trägern für einen „einheitlichen und verbindlichen Kontenplan“ sorgen, der den Kontenplan des Bundes berücksichtigt.
  • Auch wären die für die SV geltenden Vorschriften für die zeitliche Abgrenzung im Rechnungswesen mit jenen des Bundes zu harmonisieren.

„Steuergeld fährt Karussell“

Dass mehr Transparenz und Reformen her müssen, darüber waren sich alle Fraktionen im Parlament einig. Jedoch wie erwartet nicht über das „Wie“. NAbg. Angela Fichtinger (VP) sieht die Bundesregierung (VP/FP) auf einem guten Weg. Prim. Dr. Brigitte Povysil (FP) findet besonders bestürzend am RH-Bericht, dass sich seit der Gesundheitsreform 2013 wenig geändert habe. „Das Steuergeld fährt weiter Karussell“, unterstrich die Radiologin. Doch: Bisher habe der politische Mut für Änderungen gefehlt, das sei nun anders. Die rote Opposition plädiert für eine Weiterentwicklung, nicht „Zerschlagung der Sozialversicherungen“. SP-NAbg. Rudolf Plessl fordert zudem von Gesundheitsministerin Beate Hartinger- Klein, sich auf eine angemessene Versorgung mit Notfallmedizin zu konzentrieren, diese gebe es nicht überall in Österreich. Vor den Kassenfusionen, meinte NEOS-NAbg. Gerald Loacker, sollte die Regierung erst einmal die vom RH aufgezeigten „relativ einfachen und klar definierten Reformschritte“ setzen.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune