Hoch die TCM!

Unsere Apotheke besteht ja aus zwei Apotheken. Im Erdgeschoß befindet sich die „normale“ Offizin. Einen Stock darüber die Traditionelle Chinesische Medizin, ein schöner Raum, in dem zirka fünfhundert verschiedene Kräuter lagern. Schon in jungen Pharmazeutinnenjahren hat sich unsere Chefin auf dieses Gebiet spezialisiert und es geschafft, dass wir in der Szene einen besonders guten Ruf haben. Täglich bis zu fünfzig Rezepte von einschlägigen ÄrztInnen beweisen deren Vertrauen in uns. Womit wir aber auch bei einem Teil des Problems wären. Vorgesehen ist, dass die Ärzte ihre Rezepte an uns faxen oder mailen. Manchmal finden sich auch hier Ungenauigkeiten wie auf herkömmlichen Rezeptformularen, aber bei Weitem nicht so viele. Bevor die KollegInnen da oben also loslegen, checken sie das Rezept ab und rufen im Notfall den Arzt oder die Ärztin zwecks Rückfragen an.

So weit, so gut. Auf dem Rezept steht natürlich der PatientInnen-Name und meist auch die Telefonnummer, damit wir sofort Bescheid geben können, wenn die Rezeptur abholbereit ist. Nun gibt es aber einige MedizinerInnen, die ihren PatientInnen schon in der Ordination mitteilen, wann die Rezeptur bei uns abzuholen ist. Das sorgt bei uns für Erstaunen: Woher wissen die das denn? Interventionen in den Praxen haben da leider nichts gebracht. Also setzen wir bei den KundInnen an, bei denen die Reaktionen abe auch geteilt sind. Von „Aber der Herr Doktor hat gesagt …“ bis „eigentlich logisch“ gibt es die gesamte Bandbreite an Antworten. StammkundInnen wissen bereits, dass sie verlässlich angerufen werden, und üben sich daher in ein wenig Geduld – mit Betonung auf ein wenig, denn die KollegInnen sind wirklich schnell und effizient.

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Gar nichts machen können wir, wenn KundInnen einfach so vorbeikommen. „Wurden Sie schon angerufen?“, frage ich dann, wenn ich die Rezeptur nicht finden kann und oben auch Ratlosigkeit herrscht. „Nein, aber ich war grad in der Gegend und dachte mir …“ „Wann hat die Frau Doktor die Rezeptur denn geschickt?“ „Na ja, vor einer halben Stunde …“ Oft weiß ich dann nicht, ob ich lachen oder mich ärgern soll. Ich beschließe meist, die Contenance zu bewahren. PatientInnen sind eben oft ihrer Zeit voraus. Wir haben auch eine Kundin, die meist immer ganz sanft behandelt werden will, weil sie ihrer Meinung nach die einzige kranke Dame auf der Welt ist.

Sie kommt prinzipiell fünf Minuten vor sechs und verwickelt uns in derart komplizierte Ausführungen, dass wir jedes Mal überziehen müssen. „Haben Sie die Tagesdosis auch in Tropfen umgerechnet?“ Als ich verneine, weil das auf dem Rezept nicht gefordert war, erzählt sie detailgenau, warum wir das in Zukunft für sie machen müssen, weil sie mit einer Pipette arbeitet und nicht mit einer Spritze, die die Tagesdosis dank Skalierung viel genauer angeben würde. Es kostet mich sehr viel Überredungskunst, sie davon zu überzeugen, dass wir aufgrund hunderter TCM-KundInnen auf genaue ärztliche Angaben angewiesen sind. Danke, TCM-KollegInnen, auch für eure Geduld!