Neues Erwachsenen­vertretungsrecht

Foto: KatarzynaBialasiewicz/iStockMit der im Parlament beschlossenen Novellierung soll die Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen mit beeinträchtigter Entscheidungsfähigkeit gestärkt werden. Das wird sich u.a. auch auf die ärztliche Aufklärung und Einwilligung in Heilbehandlungen auswirken. (CliniCum 5/2017)

Am 30. März wurde im Nationalrat eine weitreichende Novellierung des Erwachsenenvertreterrechts beschlossen. Die Novelle wurde schließlich am 6. April im Bundesrat abgesegnet und wird in wesentlichen Teilen am 1. Juli 2018 in Kraft treten (2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG). Die Novelle beinhaltet zahlreiche inhaltliche Änderungen, die auch für die Vertretung bei der ärztlichen Aufklärung und der Einwilligung in Heilbehandlungen von Bedeutung sind. Hauptzweck der Gesetzesänderung war es, die Selbstbestimmung und Autonomie der betroffenen Menschen zu stärken. Die gerichtliche Rechtsfürsorge soll im Gegenzug auf ihren Kern, nämlich die Vertretung von Menschen in rechtlichen Belangen, reduziert werden. Ein weiterer Grund liegt in der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die umfassende Änderungen im Bereich des „Sachwalterrechts“ erforderlich machte. Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen vorgestellt.

Änderung von Rechtsbegriffen

Die Begriffe „Sachwalter“ und „behinderte Person“ wurden in die neue Regelung nicht übernommen. Stattdessen wird einerseits der Ausdruck „Erwachsenenvertreter“ verwendet, der der internationalen Terminologie entspricht. Andererseits soll der Ausdruck „behinderte Person“ vermieden werden. Die „geistige Behinderung“ soll als eine einer psychischen Krankheit vergleichbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit einer Person umschrieben werden. Der für die ärztliche Aufklärung und Einwilligung maßgebliche Begriff der „Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ wird durch das Wort „Entscheidungsfähigkeit“ ersetzt. Wie schon bisher geht es dabei um die individuellen geistigen Fähigkeiten einer Person, die für die Einwilligung in eine Heilbehandlung erforderlich ist.

Richterliche Kontrolle …

für alle Erwachsenenvertreter und Vorsorgebevollmächtigten. Die Novelle sieht vor, dass nicht nur die gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter (früher Sachwalter), sondern auch Vorsorgebevollmächtigte, gewählte Erwachsenenvertreter und die gesetzlichen Erwachsenenvertreter (nahe Angehörige) der pflegschaftsgerichtlichen Kontrolle unterliegen.

Vertretungsmacht …

erst nach Eintragung in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV). In Hinkunft wird die Vertretungsmacht von gewählten Erwachsenenvertretern und gesetzlichen Erwachsenenvertretern (nahe Angehörige) erst nach deren Eintragung in das ÖZVV entstehen. Die Eintragung in das ÖZVV ist somit für die Vertretungsmacht konstitutiv. Im Falle der Vorsorgevollmacht tritt die Wirksamkeit erst mit der Eintragung des „Vorsorgefalles“ ein.

Gerichtlicher Erwachsenenvertreter …

(früher Sachwalter). Der vom Pflegschaftsgericht bestellte Erwachsenenvertreter wird den Sachwalter ersetzen. Seine Befugnisse sollen auf einzelne bestimmte Vertretungshandlungen oder einen Kreis von Angelegenheiten beschränkt sein. Anders als nach geltendem Recht ist eine Erwachsenenvertretung für alle Angelegenheiten nicht zulässig. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung endet mit der Erledigung der Aufgabe beziehungsweise spätestens drei Jahre nach der Bestellung. Ebenso wie nach geltendem Recht soll die gerichtliche Bestellung eines Erwachsenenvertreters auch in der Zukunft nur die „Ultima Ratio“ sein.

Vorsorgevollmacht

Das Rechtsinstitut der Vorsorgevollmacht wird auch in der Novelle beibehalten. Vorsorgebevollmächtigte unterliegen jedoch in Hinkunft regelmäßiger pflegschaftsrichterlicher Kontrolle. Anders als nach geltendem Recht tritt die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht erst mit der Eintragung des „Vorsorgefalles“ ein. Für die Errichtung einer Vorsorgevollmacht ist volle Geschäftsfähigkeit des Betroffenen erforderlich.

Gewählter Erwachsenenvertreter

Ist ein Betroffener zwar nicht mehr voll geschäftsfähig, vermag er aber noch die Tragweite einer Bevollmächtigung zumindest in Grundzügen zu verstehen, so steht ihm das Recht zu, im Bedarfsfall einen oder mehrere Vertreter selbst zu wählen. Auch diese Vertretungsbefugnis soll erst durch die Eintragung in das ÖZVV entstehen und einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Da es sich dabei, wie im Falle der Vorsorgevollmacht, um eine vom Betroffenen begründete Vertretungsmacht handelt, soll der gewählte Erwachsenenvertreter auf unbestimmte Zeit bestellt werden können. Die volljährige Person und ihr gewählter Erwachsenenvertreter haben in diesem Fall eine Vereinbarung zu schließen und dabei die Vertretungsbefugnisse des Erwachsenenvertreters festzulegen. Dabei kann auch vereinbart werden, dass der Erwachsenenvertreter nur im Einvernehmen mit der vertretenen Person rechtswirksam Vertretungshandlungen vornehmen kann.

Ebenso zulässig ist eine Vereinbarung, dass die vertretene Person selbst nur mit Genehmigung des Erwachsenenvertreters rechtswirksam Erklärungen abgeben kann. Soweit nichts anderes vereinbart ist, umfasst die Vollmacht immer auch die Vertretung vor Gericht. In allen Fällen kann die Vertretungsbefugnis aber auch auf die Ausübung von Einsichts- und Auskunftsrechten beschränkt werden. Die Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung muss höchstpersönlich und schriftlich vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein errichtet werden. Vor dem Abschluss der Vereinbarung sind die volljährige Person und der Erwachsenenvertreter über das Wesen und die Folgen der Erwachsenenvertretung, die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs sowie die Rechte und Pflichten des gewählten Erwachsenenvertreters persönlich zu belehren.

Gesetzlicher Erwachsenenvertreter

Wie schon nach geltendem Recht kann eine volljährige Person von einem oder mehreren nächsten Angehörigen vertreten werden, soweit sie diese

  • Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann,
  • dafür keinen Vertreter hat, einen solchen nicht mehr wählen kann oder will und
  • der gesetzlichen Erwachsenenvertretung nicht vorab widersprochen hat und
  • dies im Österreichischen Zentralen Vertretungsregister registriert wurde.

Als nächste Angehörige gelten wie schon bisher die Eltern, volljährigen Kinder, der Ehegatte (auch ohne gemeinsamen Haushalt) und der Lebensgefährte, wenn dieser mit der betroffenen Person seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt lebt. Nach der nunmehr beschlossenen Regelung sind weiters die Großeltern, die Enkeln sowie die Geschwis­ter, Nichten und Neffen der volljährigen Person vertretungsbefugt. Die Vertretungsbefugnis der nahen Angehörigen bezieht sich auch auf die Entscheidung über medizinische Behandlungen und den Abschluss von damit im Zusammenhang stehenden Verträgen. Anders als nach geltendem Recht wird dabei nicht mehr danach differenziert, ob die Behandlung gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist.

Damit soll die in der Praxis schwer zu handhabende Unterscheidung zwischen einfachen und schwerwiegenden Behandlungen entfallen. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist von einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein in das ÖZVV einzutragen. Vor der Eintragung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung sind der Erwachsenenvertreter und die volljährige Person über das Wesen und die Folgen der Erwachsenenvertretung, über die Möglichkeit des jederzeitigen Widerspruchs sowie über die Rechte und Pflichten des ­gesetzlichen Erwachsenenvertreters persönlich zu belehren. Der Notar, der Rechtsanwalt oder der Mitarbeiter des Erwachsenenschutzvereins hat die Vornahme dieser Belehrung zu dokumentieren.

Aufklärung des Betroffenen

Die Novelle sieht weiters vor, dass auch eine entscheidungsunfähige Person über geplante Heilbehandlungen aufzuklären ist – und zwar „über den Grund und die Bedeutung der Behandlung“. Der Patient erhält in einer, seinen kommunikativen Möglichkeiten angepassten, Weise Informationen zur Behandlung. Mit dieser Vorgabe soll erreicht werden, dass die Kommunikation über die Behandlung nicht an der Person, die behandelt werden soll, vorbei geht. Die Aufklärungsverpflichtung gilt aber nur, „soweit dies möglich und ihrem Wohl nicht abträglich ist“, wie es der Gesetzgeber formuliert. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Patient im Koma liegt oder sonst völlig unansprechbar ist. Eine „Willenserforschungspflicht“ besteht hingegen nicht.

Foto: PrivatUniv.-Prof. Dr. Helmut Ofner ist Universitätsprofessor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät (Juridicum) der Universität Wien und schreibt seit sieben Jahren regelmäßig Kolumnen für das CliniCum.