Dr. Pichlbauer: Die dritte Diabetes-Strategie in 30 Jahren

53 Seiten hat die ministerielle Diabetes-Strategie, mit der wir „dieser enormen gesundheitspolitischen Aufgabe begegnen“ – in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Doch was wurde eigentlich aus der Diabetes-Strategie, die vor fast 30 Jahren erschien – und auf zwei Seiten Platz fand?

Damals wurde etwa die anhaltende Verbesserung der gesundheitlichen Situation (qualitativ und quantitativ sollen alle Diabetiker annähernd ein normales Leben führen) als Ziel definiert. 2017 lautet das Ziel: Alle in Österreich lebenden und an Diabetes erkrankten Menschen sollen möglichst lange mit hoher Lebensqualität leben können. Es sind also die gleichen Ziele, wie überhaupt praktisch alles schon in dem 30 Jahre alten Strategiepapier, genannt WHO St. Vincent Deklaration, steht. Von der Verbesserung des Wissensstandes in der Bevölkerung und unter Fachkräften über Förderung von Prävention und Selbst-Management bis hin zur Notwendigkeit, Behandlungsregister zu führen – alles da!

Wegen diesem uralten Strategiepapier, das auch klare Fünf-Jahres-Ziele (also zu erreichend bis 1994!) definierte, haben alle Länder Diabetes-Strategien und -Programme entworfen. Das hat eine ministerielle Studie aus 2005 gezeigt. Damals wurde erkannt – peinlich –, wir haben nichts! Jetzt aber schnell. Und so entstand die erste österreichische Strategie: „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“. Zehn Jahre nach deren Einführung nehmen zehn Prozent der Diabetiker daran teil – bedenkt man das Inverse Care Law (The availability of good medical care tends to vary inversely with the need for it in the population served – Tudor Hart, Lancet 1971), sind diese zehn Prozent kaum die, die von dem Programm profitieren. Und die, die erreicht werden sollen, die erreichen wir immer noch nicht – 30 Jahre nach der St. Vincent Deklaration. Und so erhalten heute nicht einmal die Hälfte aller Diabetiker ihre nötigen Medikamente – ein EU-Spitzenwert. Ach ja, 1989, das war die Zeit, als Computer mit 486-Prozessoren liefen, Handys (C-Netz) kosteten 50.000 Schilling (3600 Euro) und das Internet war noch nicht erfunden. Papier ist geduldig – Fortschritt nicht!

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune