13. März 2018

Es geht nicht allein um lustige Ideen und coole Logos

Viktoria Hausegger berät seit mehr als zehn Jahren Apotheken ganzheitlich bei der Entwicklung ihrer Positionierung und im Marketing. Im Interview mit der Pharmaceutical Tribune erörtert die Expertin, warum Marketing für Apotheken heute wichtiger denn je ist und worauf sie achten sollten. (Pharmaceutical Tribune 02/2018)

Pharmaceutical Tribune: Frau Hausegger, warum brauchen Apotheken Marketing?

Viktoria Hausegger: Kein Unternehmen, das etwas verkaufen, seine Kunden zufriedenstellen oder begeistern will, kann auf Marketing verzichten. Dazu kommt, dass sich auch für Apotheken die Welt rasant ändert. Am Gebietsschutz wird gerüttelt und neue Möglichkeiten im Internet haben Online-Apotheken auf den Plan gerufen, die sich hauptsächlich über den Preis definieren. Weitere Anbieter wie dm, Bipa oder Hofer werden sich das Wachstumspotenzial im zweiten Gesundheitsmarkt nicht entgehen lassen. Amazon steht vor der Tür und arbeitet auch gleich an einem durchdachten Lieferservice. Die Marktsituation hat sich enorm verändert. Aufgrund ihrer Größe und Marktmacht haben diese Konzerne wesentliche Vorteile – und sie beschäftigen ganze Abteilungen mit der Entwicklung ausgeklügelter Marketingmaßnahmen. Früher war Marketing nicht so wichtig, da konnten Apotheken noch ganz gut vom Verkauf der verschreibungspflichtigen Medikamente leben. Doch das ist schon lange Schnee von gestern. Heute gilt es zusätzliches Ertragspotenzial und neue Marktchancen (z.B. Kosmetik, Eigenerzeugnisse, Tiergesundheit) zu nutzen. Ein gut durchdachtes, ansprechendes Sortiment und Top-Beratung sind wesentlich.

Sie sind mit Ihrem Unternehmen (www.mehrwertmarketing.at) auf Marketing und Management für Apotheken und Ärzte spezialisiert. Welche Herausforderungen gibt es hier für Apotheken?

Marketing wird noch immer sehr oft mit Werbung oder Verkauf verwechselt, es fehlt vielfach an der strategischen Betrachtungsweise. Viele Apotheker haben keine klaren Zukunftsperspektiven für ihr Unternehmen. Pharmazeuten sind hochausgebildete Spezialisten, die sich vor allem fachlich laufend weiterbilden und hier zusätzliches Know-how aneignen. Die Auseinandersetzung mit der „Unternehmerseite“ kommt aber oft zu kurz. Spätestens mit der Übernahme einer Apotheke wird das Entwickeln unternehmerischer Perspektiven jedoch immens wichtig. Dabei geht es um die strategische Zukunftsplanung und deren Management, Mitarbeiterführung, operatives Marketing und so weiter. Für den „Unternehmer Apotheker“ gilt es dann nicht mehr hauptsächlich als hochausgebildeter Spezialist „in“, sondern auch regelmäßig als Unternehmer „an“ der Apotheke zu arbeiten und sich dafür die notwendigen Zeitfenster und Gegebenheiten zu schaffen. Ich sehe aber, dass dies oft nicht getan wird – weil man sich dessen gar nicht hinreichend bewusst ist.

Sie haben erwähnt, dass Marketing häufig mit Verkauf oder Werbung verwechselt wird. Können Sie das genauer erörtern?

Das ist richtig. Marketing ist mehr als Werbung oder Verkauf. Werbung und Verkauf sind Instrumente des Marketings, die einen Gesamtplan unterstützen. Damit diese Instrumente gut funktionieren können, muss zuerst die Basis – eine fundierte Strategie – festgelegt werden. Darauf kann dann das Fachmarketing – und flexibles Management gezielt aufgesetzt werden. Dazu müssen zunächst drei entscheidende Fragen beantwortet werden:

  • Warum soll der Kunde in meine Apotheke kommen?
  • Warum soll jemand ausgerechnet bei uns einkaufen?
  • Wofür stehen wir – welche Rolle nehmen wir heute am Gesundheitsmarkt ein, welche Rolle möchten wir morgen einnehmen?

Um Antworten auf diese vermeintlich einfachen Fragen zu finden, ist es notwendig, sich intensiv mit den Kunden – oder besser mit der Welt seiner Kunden – auseinanderzusetzen. Es ist wichtig herauszufinden, wo Bedürfnisse entstehen, Hilfe benötigt wird und wo man seinen Kunden spezielle Werteangebote – eine Kombination aus Produkt und Service – bieten kann. Erst dann ist es möglich, die richtigen Konzepte zu entwickeln, Wege und Kanäle für die Vermarktung und den Verkauf festzulegen. Es muss dabei genau überlegt werden, welche positiven Erlebnisse der Kunde an jedem einzelnen Kundenkontaktpunkt erfahren soll: Das betrifft alle Kontakte – ob „offline“ – direkt in der Apotheke –, „online“ – auf der Website, in einem Social-Media- Kanal – oder am Telefon.

Was sind die Voraussetzungen für effizientes Apothekenmarketing?

Es geht vor allem um eine durchdachte und langfristige Ausrichtung. Sie sorgt für Klarheit, Fokus und Orientierung. Es geht nicht um kurzfristigen Aktionismus – z.B. bei der Aktionsplanung, und es geht nicht allein um lustige Ideen und coole Logos. Um die intensive Auseinandersetzung mit den Kunden – oder besser den Zielgruppen – und natürlich den Entwicklungen und Zukunftstrends, kommt man dabei nicht herum. Eine weitere wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist ein gut funktionierendes Management. Es muss – wie bereits erwähnt – jemanden geben, der „an“ der Apotheke arbeitet und die Mitarbeiter so managt, dass die vereinbarten Ziele erreicht werden. Das Team ist in diesem Zusammenhang ganz besonders wichtig. Die Mitarbeiter müssen die Ausrichtung und Strategie der Apotheke verstehen und mitziehen. Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber es gibt immer noch Apotheken, wo nicht gegrüßt wird, wenn ein Kunde zur Tür hereinkommt. Dort fehlt ein heute sehr wichtiges Verständnis, nämlich, dass Menschen, die eine Apotheke betreten, sich willkommen und gut aufgehoben fühlen müssen, damit sie vertrauen und auch wiederkommen.

Den zweiten Teil über Marketinginstrumente lesen sie in der nächsten Ausgabe.